Die GLS Bank in Bochum ist eine Baustelle. Nicht ganz, die beiden alten Gebäude funktionieren, auch das neue, renovierte Gebäude ist schon seit Herbst 2012 zu 70 Prozent genutzt. Doch so recht kann man sich kaum vorstellen, dass zur Generalversammlung der Genossenschaftsmitglieder alles fertig ist. Es riecht nach frischer Farbe, die Zahl der Bauarbeiter scheint größer als die der Mitarbeiter zu sein, überall wird montiert, geschraubt und gebohrt, an einem Kranhaken schweben riesige Glasscheiben für den Klimakamin des Treppenhauses ein.
Das rechtzeitig zur Mitgliederversammlung herausgeputzt Gebäude ist ein altes Thyssen-Hochhaus mit sechs Stockwerken. Seit zwei Jahren wird es nach den Kriterien der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen umgewandelt. Während Thyssen dort früher industrielle Koks- und Kohleproduktionsöfen entwickelte, stehen die umgewandelten Gebäude für die Energiewende. Der vor einigen Jahren bezogene sanierte Altbau ist mit seinen Photovoltaikanlagen eher Energieproduzent, der Hochhausbau eher Energiesparer, erläutert Vorstand Andreas Neukirch in der Pressekonferenz.
Anlass ist die jährliche Hauptversammlung der Mitglieder. Die GLS Bank macht seit Jahren daraus einen zweitägigen Event aus Podiumsdiskussion, Theater im nahen Schauspielhaus, beschließender Generalversammlung, Haus der offenen Tür, Projektvorstellungen und -besuchen und mit viel biologisch-dynamischem Speis und Trank.
1400 haben sich angemeldet, erzählt Vorstandssprecher Thomas Jorberg. Wie jedes Jahr im Juni hat er auch zur Jahresmitte nur Gutes zu berichten. Das Wachstum ist ungebrochen, die Kurve steigt wahrscheinlich zum Jahresende auf 175.000 Kunden an, durchschnittlich 2250 Menschen kommen pro Monat hinzu. Das zum Jahresende 2012 enorm gestiegene Vermögen der Mitgliedergemeinschaft hat sich noch einmal um 17.6 Millionen Euro auf knapp 111 Millionen Euro erhöht. Das ist das Kapital der Bank: Die Bereitschaft der Mitglieder, weiter die Eigenkapitalsituation der Bank zu verbessern, sagt Jorberg.
Das Vertrauen der Anteilseigner ist nicht unverdient. Seit Gründung hält die GLS Bank das Versprechen der Transparenz und der Investition der Einlagen in ausschließlich ethisch korrekte Bereiche, also sozial und ökologisch gerechte Projekte, wie Bildungs- und Pflegeeinrichtungen, Wohnprojekte, Erneuerbare Energien und ökologische Landwirtschaft. Jeder Kredit wird in der hauseigenen Zeitschrift veröffentlicht, die Richtung der Bank beschließen die Genossinnen und Genossen einmal im Jahr bei der Generalversammlung.
In der Pressekonferenz sprechen die Vorstände über die Bankenwende. Im September 2012 hatte sie Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart benannt, nach fünf Jahren Finanzkrise. "Schluss mit den Freundlichkeiten, die Bankenwende ist zwingend hieß es. Bei der GLS sprechen sie von der "GLS Bankenwende" und nehmen das Handelsblatt beim Wort. "Schon zum Frühstück anderen die Butter vom Brot nehmen", zitiert Jorberg die Ankündigung des Handelsblatt Morning Briefing, die Einrichtung eines neuen kostenlosen Schnell-Informationsdienstes für das noch bessere Geschäft. "Das Bild steht auf dem Kopf", so Jorberg. "Genau umgedreht ist die Aufgabe der Finanzwirtschaft. Sie muss dafür sorgen, dass die Butter auf dem Brot ist."
Transparenz über Einnahmen und Ausgaben, sozial-ökologische Kriterien für die Kreditvergabe. Was die GLS Bank praktiziert, wie 22 andere ethisch-ökologische Banken weltweit ebenfalls, soll das Prinzip der Bankenwende werden. Dazu kommt die Vielfalt, getragen durch kleine Banken, die vor Ort stärker der regionalen Realwirtschaft als dem globalen Shareholder-Value verpflichtet sind. So fordern es die alternativen Banken der Global Alliance in ihrer Berliner Erklärung vom März 2013.
Analog zur Energiewende könnte allein durch die Verpflichtung des Bankensektors zur Transparenz und zur Dokumentation der sozialen und ökonomischen Folgen ihrer Geschäfte ein Wandel des Finanzmarktes und der Wirtschaft gelingen, der sich ansonsten bei allen Versprechungen von notwendiger Regulierung, Finanztransaktionssteuer und doch immer wieder verhinderter Schließung von Steueroasen nicht einstellen will. Wie bei der Energiewende, eingeleitet mit dem Stromeinspeisegesetz 1990 und fortgeführt 2000 mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, private Investoren dafür belohnt werden, die Zahl der regenerativen Energiequellen zu erhöhen, könnte auch bei der Bankenwende der Gesetzgeber diejenigen fördern, die nachhaltig und transparent investieren, sowohl privat wie institutionell.
Wie im Versicherungssektor den Fonds und Institutionen vorgeschrieben wird, einen Anteil nicht spekulativ zu investieren, könnte der Gesetzgeber auch für die Banken ein ethisch-ökologisches Mindestvolumen festlegen, wodurch dieser Bereich wachsen kann. Besser wäre ein Wandel des undurchsichtigen Banken- und Finanzsektors kaum zu machen, wenn es schon nicht gelingt, Boni und Provisionen für privat lukrative aber die Allgemeinheit schädliche Geschäfte in Banken zu begrenzen.
Doch selbst Thomas Jorberg ist skeptisch, ob die Menschen dazu schon bereit sind. "Die Energiewende wird von einer Bevölkerungsmehrheit getragen. Aber die Frage, wie das Geld von Banken investiert wird, beschäftigt noch zu wenig Menschen", meint er im Gespräch. Für eine regulatorische Bankenwende sei es deswegen noch zu früh, auch wenn er selbst, Gabor Steingart und seine Bank dafür eintreten.
Dass der alternative Sektor des Bankengeschäfts wächst und immer mehr Menschen ihr Geld "politisch korrekt" arbeiten lassen wollen ist eine Seite. Eine andere ist, dass es für eine Wende noch nicht genug Bewusstgewordene sind, obwohl ihr Potenzial bei fast 30 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung liegt, wie Milieustudien belegen. Zu groß sind die Hürden bei der Krötenwanderung, beim Bankwechsel, beklagt Jorberg. Wäre dieser so einfach wie der Wechsel des Stromanbieters, wäre die Bankenwende so sicher wie die Energiewende. Und sie hätte weitreichendere Folgen: Langfristig stünden alle Investitionen in nicht nachhaltige Projekte in Frage, ökologisch und sozial gerechte Projekte dagegen würden wie von selbst gefördert.
Doch um die Bankenwende voranzutreiben, braucht es wohl wieder einmal mehr privates Engagement. Wie in den Frühzeiten der Energiewende, als Überzeugungstäter am Werk waren, bis sie der Gesetzgeber förderte. Die Frage ist nur, ob für eine Bankenwende ähnlich viel Zeit ist und auf die Institutionen Verlass ist. Dass die Bankenwende kommt, ist so sicher wie die Energiewende fortschreitet, so jedenfalls Gabor Steingart.