Neun Uhr heute morgen in Yokohama, Japan: Die Spitzen des Weltklimarats IPCC stellen der Presse den zweiten Teil des 5. Sachstandsberichts vor. Zuvor hatten sie fünf Tage mit den Autoren darüber debattiert, wie die Summary for Policymakers, die Politische Zusammenfassung, aussehen sollte. Ziel war eine klare Sprache, die Politiker verstehen, um das Risiko von Missverständnissen zu vermeiden.
Tatsächlich gibt es an den Ergebnissen der Arbeitsgruppe 2 zu "Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit" wenig zu deuten. Der Klimawandel findet statt, auf allen Kontinenten und in den Weltmeeren. "Wir leben in einer Ära eines von Menschen verursachten Klimawandels", sagte Vicente Barros, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe 2. "In vielen Fällen sind wir nicht auf die dadurch bedingten Risiken vorbereitet, die wir jetzt schon erkennen. Investitionen in eine bessere Vorbereitung lohnen sich für die Gegenwart und für die Zukunft." Mit dem ansteigenden Niveau der Erwärmung durch weiter steigende Treibhausgasemissionen werden jedoch auch nachhaltige Investitionen in die Anpassung an den Wandel ihre Grenzen erreichen, warnte sein Kollege Christopher Field.
Die festgestellten Auswirkungen des Klimawandels betreffen bereits Landwirtschaft, die Gesundheit der Menschen, Ökosysteme an Land und in den Ozeanen, die Wasserversorgung und die Existenzgrundlage zahlreicher Menschen. Betroffen sind alle Regionen: Von den Tropen bis zu den Polen, von kleinen Inseln bis zu den großen Kontinenten, von den reichsten bis zu den ärmsten Ländern.
Trotz dieses alle betreffenden Wandels ist die Verwundbarkeit von Menschen, Gesellschaften und Ökosystemen an den verschiedenen Orten verschieden groß. "Der Klimawandel interagiert häufig mit anderen Belastungen zusammen und erhöht die Risiken", drückte Field die Gefahren diplomatisch aus.
"Wenn wir einsehen, dass der Klimawandel eine Entwicklung in der Bewältigung von Risiken bedeutet, erkennen wir viele Chancen, die Anpassung in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zu integrieren und die zukünftige Erwärmung zu begrenzen", formulierte Field es optimistisch. "Wir werden definitiv Veränderungen erfahren, aber diese kreativ anzugehen, kann ein wichtiger Weg für die Bewältigung in naher Zukunft und darüber hinaus sein."
Die gewonnenen Erkenntnisse für die Veränderung der Welt im Klimawandel seien jetzt sehr viel umfangreicher, als noch beim vorherigen vierten Sachstandsbericht 2007. Ernährungssicherheit, Versauerung der Meere, Extremwetterereignisse - für all das gibt es jetzt sichere Entwicklungszusammenhänge. So werden die mittleren Ernteerträge bei Getreide um rund zwei Prozent pro Dekade sinken. Bleibt das Emissionsniveau weiter so hoch wie bisher, rechnen die Wissenschaftler mit noch größeren Rückgängen bei Weizen und Reis. Hinzu kommen ein zunehmendes Baumsterben, fortschreitende Wasserknappheit in schon trockenen Regionen und das Aussterben von Amphibien in Mittelamerika. Dem schnellen Klimawandel können sich ohnehin die meisten Arten nicht schnell genug anpassen – und bleiben auf der Strecke, wenn sie die Hunderte von Kilometern der wandernden Klimazone nicht bewältigen.
Die ärmeren Länder, Küstenregionen und Inselstaaten sind am meisten vom Wandel betroffen. Nicht nur hier verschlechtere er "die Gesundheit der Spezies Mensch", konstatiert Rajendra Pachauri, Vorsitzender der IPCC. Doch dort drohen durch Anstieg des Meeresspiegels und Sturmfluten "Tod, Verletzung und Verlust der Heimat". Künftig würde das Thema Klimaflüchtlinge und ihre Anerkennung häufiger auf der Agenda stehen.
Den IPCC-Bericht verstehen viele bundesdeutsche Wissenschaftler und NGO-Vertreter auch als umweltpolitischen Warnschuss für die Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung, wie Klimaretter.info zusammenfasst. Wie die Anpassung an den Klimawandel in Deutschland gelingen kann, wo in einigen Regionen mit Temperaturen von über 30 °C und Flutkatastrophen zu rechnen ist, darauf weist das Umweltbundesamt anlässlich des IPCC-Berichts hin und empfiehlt das Handbuch des Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassungen (KomPass). Die Wochenzeitung Die Zeit beschreibt noch einmal die Warnung der UN-Experten: Mehr Menschen werden ihre Heimat verlassen, um extremem Wetter zu entkommen. Zusammen mit Wasser- und Nahrungsmittelknappheit könne dies "indirekt das Risiko für Gewaltkonflikte" erhöhen.