Teilhabe

Nutzen statt Besitzen - ein neues Geschäftsmodell, oder was?

Mit der Share-Economy erhält die Wirtschaft des Teilens, des Nutzens statt des Besitzens von Dingen einen klingenden Namen. Welche Hoffnungen dahinter stecken. Ein Standpunkt 

von Klaus Dosch

Auf der CeBit 2013 war es DAS große Thema: Nutzen statt Besitzen, auf Neudeutsch und natürlich viel besser als Share Economy bezeichnet. Schließlich soll die Share-Economy vor allem ein neues Geschäftsmodell sein und für Wachstum sorgen.

Walter Stahel hat den Trend zum Nutzen statt Besitzen schon vor 15 Jahren vorausgesagt. In seinem Buch Performance Economy prognostiziert er einen Wandel vom Tauschwert zum Nutzungswert, der Verkauf von Leistung für eine Zeitperiode werde den einmaligen Verkauf von Dingen ablösen. Denn: Nicht der Besitz von Dingen macht glücklich. Sondern die Möglichkeit, sie nutzen zu können.

Im Flugzeug, im Zug oder im Taxi nutzen wir die angebotene Dienstleitung ohne einen Gedanken an die Share-Economy zu verschwenden. Geht es allerdings um den Rasenmäher, die Bohrmaschine oder den geliebten Hochdruckreiniger, mutet Nutzen statt Besitzen wie eine Revolution an. Kaum vorstellbar, in einem Wohnviertel ein paar solcher Wasserspritzer zentral vorzuhalten und sich den Besitz zu teilen.

Die Aachener Stiftung hat das Nutzen statt Besitzen 2007 zum Thema des Euregionalen Umweltpreises gemacht. Vielleicht war es noch ein wenig zu früh. Immerhin haben sich aber ein paar Nutzergemeinschaften gemeldet und von ihren Erfahrungen berichtet, meist nur positiv.

Es stecken so große Chancen in der Share-Economy. Erstens: Menschen lernen sich kennen, wenn sie sich Dinge ausleihen. Vielleicht helfen sie sich sogar bei der Benutzung des ausgeliehenen Dings. Zweitens: Hat sich erst ein Netzwerk von Ausleihwilligen etabliert, gibt es (beinahe) nichts, was man nicht ausleihen könnte. Drittens: Gute und langlebige Dinge sind meist teure Dinge. Hergestellt oft in Europa unter einer weitreichenden Sozial- und Umweltgesetzgebung, unterliegen diese Dinge nur selten dem schnellen und künstlich herbeigeführtem Verschleiß, Ersatzteile sind noch über viele Jahre erhältlich. So müssen weniger Dinge produziert werden, es wird weniger Material verbraucht.

Die Massenhersteller von Produkten freilich sind nicht gerade begeistert. Leben sie doch prächtig von der geplanten Obsoleszenz, von kurzen Produktzyklen, von künstlichen Pseudoinnovationen. Noch schaffen sie es, vielen Menschen die Notwendigkeit des Kaufens neuer Produkte mit großem Werbeaufwand einzureden. Doch lassen sich Signale der Veränderung wahrnehmen: Das Verhältnis der jungen Generation zum Auto zum Beispiel. Ganz entspannt verzichten immer mehr Menschen aufs Auto und nutzen ein „Auto to go“.

Vielleicht macht erst die intensive Nutzung sozialer Netzwerke das Teilen von Dingen selbstverständlich. Das Smartphone, auf dem Ausleihoptionen übersichtlich auf einer Karte angeordnet sind, stellt gleich den Kontakt zwischen den Menschen her, die so ganz niederschwellig einen Übergabetermin vereinbaren können.

Die Share-Economy ermöglicht auch – und das ist meine große Hoffnung – ein gemeinsames Nutzen von Dingen jenseits aller Geschäftsmodelle. Leihen kann nämlich auch kostenlos sein. Der Dank fürs Verleihen: Ein Lächeln, ein Gespräch, eine helfende Hand, ein selbstgebackener Kuchen, oder, oder, oder.

Ein Gewinn an Menschlichkeit und Wärme ist das in jedem Fall. Nicht schlecht in einer durchökonomisierten Welt.

Mehr Beiträge zum Thema Teilhabe, dazu Zahlen und Anekdoten, schön illustriert und prima lesbar auf Bildschirmen und Tablets gibt es in unserem factory-Magazin Teilhabe.

Klaus Dosch ist Geologe und Wirtschaftsingenieur und wissenschaftlicher Leiter der Aachener Stiftung Kathy Beys. In der factory zum Thema Trennen schrieb er über die Vorteile des Trennens. Sein Beitrag "Nutzen statt Besitzen" erschien zuerst im Blog der Aachener Stiftung.


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