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  • Überlandleitungen und Windpark in Mecklenburg. CC BY-SA 2.0 von Flickr-Nutzer mueritz

Energiewende: 1500 Einwände zum Netzentwicklungsplan

Es ist ein Beispiel für Bürgerbeteiligung: Beim Netzentwicklungsplan dürfen die Bürger mitreden. Nach schleppendem Beginn sind zum Ende der Frist insgesamt 1500 Stellungnahmen eingegangen. Umweltverbände und Wissenschaftler kritisieren den Plan, weil damit weiter eine zentralistische Energiewirtschaft manifestiert wird.

Bis 23:59 Uhr am 10. Juli war Zeit für Einspruch. Nachdem es nach Beginn der Frist am 30. Mai 2012 in der ersten Juniwoche zunächst nur knapp hundert Einwände gegeben hatte, feixten Politik und Medien schon, dass der Bürger eh nicht mitreden wolle. Doch bis vorgestern Nacht gingen dann doch noch insgesamt über 1500 Stellungnahmen ein, viele davon in den letzten Stunden. Das ist Bürgerbeteiligung at its best.

Bereits am heutigen Tag wollen die Empfänger, die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW vorstellen, welche Anregungen sie erhalten und wie sie damit umgehen wollen. "Es soll dargestellt werden, welche Argumente die ÜNB bei ihrer Entscheidung über die Berücksichtigung von Änderungsvorschlägen abwägen und was im zweiten Entwurf des NEP voraussichtlich überarbeitet wird", heißt es in einer Vorankündigung.

Ausbau Erneuerbarer eher gefährdet

Von Umweltverbänden und wissenschaftlichen Institutionen kam bereits im Vorfeld und kommt auch jetzt nach Abschluss der ersten "Konsultationsphase" massive Kritik. So lehnt zum Beispiel der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)  den Netzentwicklungsplan 2012 entschieden ab. Die 3800 Kilometer Höchstspannungstrassen von Nord- nach Süddeutschland gefährden nach seiner Auffassung das enorme Ausbaupotenzial der Erneuerbaren Energien in Süddeutschland.

Gerade intelligente Kombinationsmöglichkeiten durch Lastverschiebung, Kopplung von Sonnen- und Windenergie mit Biogasanlagen, BHKW, Batteriespeichern, Wasserstoffelektrolyse und Energieeffizienz würden den Leitungsbedarf vermindern und regionale, dezentrale Wertschöpfung und Entwicklung fördern. Im Plan fänden diese Aspekte jedoch keine Beachtung.

Zentralistisches System konserviert

Ähnlich argumentiert Eurosolar Deutschland, der 1988 vom 2010 verstorbenen SPD-Politiker Hermann Scheer gegründete Lobbyverband für Erneuerbare Energien. "Der grundsätzliche Kurs, ein zentralistisches Versorgungssystem zu konservieren, stand nie zur Disposition", heißt es in einer Erklärung von gestern. Weder der dezentrale Ausbau noch die Ausbauziele der Binnenländer seien im Plan berücksichtigt. "Dezentrale Windkraftanlagen produzieren kostengünstigeren Strom als zentralistische Windparks draußen auf dem Meer", so Axel Berg, Vorstandsvorsitzender von Eurosolar Deutschland.

Der vorliegende Plan diene nicht der Energiewende sondern in erster Linie den betriebswirtschaftlichen Interessen der Netzbetreiber. Sie wollen möglichst viel Strom transportieren und würden mit den Stromkonzernen Druck auf die Politik ausüben, den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren auszubremsen, um ihre Interessen zu schützen. Irm Scheer-Pontenagel empfiehlt daher Ländern, Kommunen, Stadtwerken, Genossenschaften und Bürgern, Fakten in Form installierter Leistung zu schaffen, um den Netzentwicklungsplan überflüssig zu machen.

Falsche Ausgangsbasis

Die Deutsche Umwelthilfe kritiisiert, dass die ÜNB ein Energienetz anstreben, das zwar einerseits die Wende ermögliche, andererseits aber die Option einer "Rückkehr zu einem zentralistischen System auf Basis großer Kohlekraftwerke" offen halte. Auch die Basisberechnung sei falsch, weil für den Netzausbau ausgerechnet das ungewöhnlich windreiche Jahr 2007 herangezogen worden war und niemals alle Wind- und Solaranlagen gleichzeitig einspeisen würden. Der BUND erklärte zudem, dass im Berechnungsszenario von einer viel zu hohen Auslastung der verbleibenden Kohlekraftwerke ausgegangen würde.

Der BUND fordert deswegen in seiner Stellungnahme die Prüfung, wie hoch der Bedarf an neuen Leitungen im Falle des massiven Ausbaus erneuerbarer Energien im Süden Deutschlands, einem geringeren Ausbau der Offshore-Windparks und einer Kraft-Wärme-Kopplung mit Wärmespeichern um Ausgleich bei Wind- und Solarflauten.

Plan verzögert Energiewende

Das Wuppertal Institut, Mitherausgeber der factory, machte in seiner Stellungnahme vor allem deutlich, dass mit dem jetzigen Plan vor allem der Zeitplan für die Energiewende gefährdet sei. Die vorgeschlagene Struktur sein hochgradig verzögerungsgefährdet, der Ausbau der Erneuerbaren dadurch ebenfalls. Zudem fordern die Wuppertaler mehr Realismus bei den zukünftigen Marktbedingungen und Flexibilität bei den Ausgleichsmöglichkeiten, nach wie vor mehr Transparenz und einen Abgleich der ÜNB-Ergebnisse mit den wirklichen gesetzlichen Vorgaben.

Mehr Information, längere Fristen

Die nordrhein-westfälische Landesregierung sparte ebenfalls nicht mit Kritik am Entwicklungsplan. Wirtschaftsminister Garrelt Duin und Umweltminister Johannes Remmel bemängelten nicht nur, dass die Planung die NRW-Ausbauziele nicht berücksichtige, sondern auch, dass zu wenig Innovation im Plan sei. Außerdem müssten den Bürgern vor Ort mehr Mitsprachemöglichkeiten und längere Einspruchsfristen eingeräumt werden. “Die Netzbetreiber müssen dafür sorgen, dass die Menschen von unabhängiger Stelle informiert werden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum bei einem Thema mit so viel Erklärungsbedarf seitens der Bundes-regierung ein solcher Zeitdruck aufgebaut wird”, kritisierten die Minister.

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