Steuern
Gegensteuern
Dass die Sache nicht einfach werden würde, war schon lange klar. Dass es dann 2015 doch zu wegweisenden völkerrechtlichen Vereinbarungen kommen sollte, erschien wie eine Überraschung. Auf weniger als zwei Grad, am besten auf 1,5 Grad Celsius wollten 195 Regierungen der Welt die menschengemachte Erderhitzung begrenzen und dafür entsprechende Maßnahmen und Pläne vorlegen. Zuvor hatten sie sich auch auf Sustainable Development Goals geeinigt, 17 Ziele zur Entwicklung von mehr ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit, auch Agenda 2030 genannt.
Ein Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) präsentierte 2018, wieviel die Menschheit an CO2-Emissionen noch produzieren darf, um in den Grenzen zwischen 1,5 und 2 Grad Erderhitzung zu bleiben: 420 Gigatonnen (Gt) für 1,5 Grad, 1170 Gt für 2 Grad. Jährlich emittiert die Welt 42 Gt. Der Bericht lieferte zudem starke Argumente dafür, die Erwärmung eher nahe an 1,5 Grad als nahe 2 Grad zu stoppen - in letzterem Fall würde z. B. kein Korallenriff in den Ozeanen überleben.
Wieviel von diesem Emissionsbudget jedem Land zusteht, ist eine Sache der Gerechtigkeit. Deutschlands Anteil an der Weltbevölkerung entspricht 1,1 Prozent, sein Anteil an den Emissionen zwei Prozent. Für ein Ziel von 1,75 Grad stünde dem Land noch ein Budget von knapp 6,5 Gt ab 2020 zu. Um mindestens sechs Prozent müsste der CO2-Ausstoß jährlich sinken, spätestens ab 2036 das Land klimaneutral wirtschaften. Spielraum gäbe es nur bei schnellerer Reduktion oder durch negative Emissionen, sagt der Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf.
Die Bundesregierung hat ihren Klimaschutzplan bis 2050 aufgestellt: Bis 2020 eine CO2-Reduktion um 40 Prozent gegenüber 1990, 55 Prozent bis 2030, 95 Prozent 2050. Damit wäre das Land selbst 2050 noch nicht bei Nullemissionen und das Pariser Ziel von „deutlich unter zwei Grad“ deutlich verfehlt. Notwendig wäre eine fünf Mal größere Reduktionsrate als bisher, also um 40 statt 8 Megatonnen jährlich. Hebt die EU ihr Klimaziel auf 55 Prozent Reduktion bis 2030 (bisher 40 %) – was laut IPCC-Synthesebericht 2019 notwendig ist –, müsste Deutschland um 70 Prozent bis 2030 reduzieren.
Um diese wesentlich schnellere Reduktion zu erreichen – da sind sich alle Experten und Expertinnen einig – sind wesentlich schärfere Maßnahmen als bisher erforderlich. Ein schnellerer Kohleausstieg und Ausbau der erneuerbaren Energien sind unbedingt erforderlich, bis 2020 müsse in den Staaten der G20 und der OECD ein CO2-Preis von mindestens 34 bis 68 Euro pro Tonne gelten, fordert der Weltklimarat.
Weil aber bisher die Preise noch nicht die „klimawandeltreibende“ Wahrheit sagen, lohnt es sich weiterhin, umweltschädlich zu produzieren und zu konsumieren. Freiwillige und bisherige Förderinstrumente reichen offensichtlich nicht aus - der Staat muss stärker steuern, um die beschlossenen Ziele zu erreichen.
Welche Steuerungsinstrumente wie wirken könn(t)en, mit welchen Folgen für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt stellen wir mit diesem factory-Magazin "Steuern" vor.
Das Ziel, es anzusteuern, lohnt sich.
Ralf Bindel und das Team der factory
Weitere Beiträge zum Thema können Sie im gleichnamigen factory-Magazin Steuern lesen. Das lässt sich kostenlos laden und ist angenehm lesbar auf Bildschirmen und Tablet-Computern. Wie immer ist es dazu hübsch illustriert und enthält sämtliche Artikel im kompakten Tablet-Format, dazu entsprechende Zahlen und Zitate. Online im Themenbereich sind ebenfalls einige Beiträge verfügbar – dort lassen sie sich auch kommentieren und bewerten.
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