3.000 Milliarden US-Dollar neues Kapital erfordere der weltweite Übergang zu einer kohlenstoffarmen, dekarbonisierten Wirtschaft bis 2050 – jährlich. Das erklärte US-Finanzministerin Janet Yellen am 27. Juli 2024 im brasilianischen Bellem an der Amazonasmündung.
Das geht zwar weit über die derzeitige jährliche Finanzierung hinaus, die Schließung der Lücke sei aber die größte wirtschaftliche Chance des 21. Jahrhunderts, sagte Yellen.
Tatsächlich ist Lücke ist riesig: So sollte die Klimafinanzierung der Industrieländer laut UN-Klimaabkommen COP9 in Kopenhagen 2009 ab 2020 bei jährlich mindestens 100 Milliarden US-Dollar liegen. Doch erst 2022 kamen erstmals 116 Milliarden US-Dollar zusammen.
Die Gipfel der Finanzierung
Dass diese Summe längst nicht ausreicht und – weil häufig als Kredite vergeben – die überschuldeten Entwicklungsländer noch stärker belastet (siehe factory-Magazin “Kapital”), ist nicht erst seit dem letzten Klimagipfel COP28 in Dubai bekannt.
Auf den nächsten beiden Klimagipfeln COP29 in Baku 2024 und COP30 2025 in Brasilien wird es deswegen vor allem um Finanzierungsfragen gehen – neben dem Anspruch, Ausbau und Finanzierung der fossilen Energien zu stoppen.
Damit verdienen staatliche und private Unternehmen immer noch so viel zuviel, dass sich ihr schneller Wandel zu erneuerbaren Energien und entsprechende Investitionen wirtschaftlich nicht lohnt. So investieren Öl- und Gaskonzerne immer noch lieber in den Ausbau der fossilen Energien. Ihre Gewinne dabei sind so hoch, dass sie auch die entstehenden Schäden bezahlen könnten und dennoch weiter profitieren würden.
Gleichzeitig leiden die öffentlichen und privaten Haushalte unter den Schadenskosten und Einkommensverlusten. Doch Übergewinne aus Kriseneinnahmen zu besteuern, gelingt nur wenigen Staaten. Eine globale Carbon-Tax könnte ebenso helfen, ist aber bisher kein Thema.
Einsatz mit und ohne Profite?
Der EU-Emissionshandel und die ungenügenden CO2-Preise in Deutschland zeigen, dass sich damit die fossile Wirtschaft auch nur langsam und mit politisch-populistischen Schmerzen wandeln lässt.
So ist der Wärmepumpenmarkt Mitte 2024 in Deutschland nach der verqueren Debatte 2023 um das erneuerte Gebäudeenergiegesetz quasi eingebrochen, die E-Auto-Verkäufe ebenso, die Photovoltaik-Produktion verschwunden. Fehlt nur noch, dass die Wasserstoff-Technologie dem Lockruf des Geldes folgt –eine Hightech-Industrie, die weltweit nachgefragt die hierzulande nachlassende wirtschaftliche und fossil-basierte Wohlstandsproduktion der Stahl- und Chemieindustrie ersetzen könnte.
Auch der Naturschutz braucht international mehr Kapital nach der gemeinsam erklärten Absicht, 30 Prozent der Meere- und Landflächen zu schützen. Damit Natur dort nicht länger zerstört oder übernutzt wird, müssten denjenigen Geld zufließen, die sie schützen. Private Investoren dürften daran allerdings wenig Interesse haben, weil sie aus Nicht-Nutzung und -verwertung keine Gewinne schöpfen könnten.
Mehr Willen zum Wandeln
Es braucht also immense Summen an Kapital, um diesen Wandel, diese Transformation voranzubringen. Während man in Deutschland mit Abschaffung der Vermögenssteuer 1996 auf seitdem 380 Milliarden Euro Staatseinnahmen verzichtet hat – und es nicht zuletzt wegen mangelnder Ausstattung öffentlicher und privater Haushalte zu einem starken Unwillen eines wesentlichen Teils der Bevölkerung zum Wandel gekommen ist. Dieser Wandel wird von ihnen als unmöglich zu finanzieren empfunden.
Nicht zuletzt ist die Zahl der Studien unübersehbar, die die wachsende Vermögensungerechtigkeit als größtes Hindernis für eine Akzeptanz und Teilhabe am notwendigen Wandel erklären. Wirksamer Klima- und Naturschutz lässt sich nur sozial gerecht, also durch Umverteilung erreichen.
Insofern sind es schon Schritte in die richtige Richtung, die die G20 Finanzminister*innen bei ihrem Gipfel Ende Juli 2024 verkündeten. Allerdings sind sie bisher zu klein, wie die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch warnt.
Korrektur des Steuersystems
„Die G20 legen eine wichtige Grundlage für einen Beschluss, um ein zentrales systematisches Versagen in unserem Steuersystem zu korrigieren", sagt Nouhaila Zaki, Referentin für Internationale Besteuerung bei Germanwatch. Dieser Schritt würde Ungerechtigkeiten entgegenwirken und dringend benötigte Finanzmittel zur Bewältigung der Klimakrise und für die UN-Nachhaltigkeitsziele aufbringen. Das zeige, was möglich ist, wenn ein Land des Globalen Südens Führungsstärke bei der G20 beweise.
Selbst Bundesfinanzminister Lindner (FDP) hatte sich beim Gipfel etwas bewegt und den gemeinsamen Fortschritt immerhin nicht blockiert. Zaki weiter: „Jetzt liegt es an den G20-Regierungschefs, diese Absichtserklärung beim Gipfel im November in konkrete gemeinsame Beschlüsse und Maßnahmen umzusetzen. Bundeskanzler Scholz sollte die Hamburg Sustainability Conference Anfang Oktober nutzen, um gemeinsam mit Partnerländern seine Unterstützung für eine koordinierte und faire Mindeststeuer für Milliardäre auszusprechen.“
Sonderziehungsrechte und Zentralbanken
Die brasilianische Präsidentschaft stellte bei dem Treffen der Finanzminister*innen zudem einen Bericht mit Optionen zur Weiterleitung von Sonderziehungsrechten (SZR) vor. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte zuletzt grünes Licht für das Weiterleiten dieser Rechte an multilaterale Entwicklungsbanken (MDB) gegeben, eine Entscheidung, die nun von der G20 begrüßt wurde.
Über die tatsächlichen SZR-Weiterleitungen entscheiden jedoch die jeweiligen Zentralbanken und hier stellen sich die Europäische Zentralbank und die deutsche Bundesbank weiterhin quer. „Es wird Zeit, dass sich EZB und Bundesbank diesen Vorstößen endlich anschließen“, fordert Christian Groeber, Referent für die Reform der Internationalen Finanzarchitektur bei Germanwatch.
Weiterführende Reformanstöße beim IWF fanden jedoch keine Erwähnung. „Die deutsche Bundesbank muss ihre Blockade endlich aufgeben. Bundeskanzler Scholz und Finanzminister Lindner sollten deutlich machen, dass eine Blockade bei der Reform des Internationalen Währungsfonds auch nicht im Interesse Deutschlands ist“, so Groeber weiter.
Schwung für Reformen
Der Fortschritt bei der Reform der multilateralen Entwicklungsbanken fällt am größten aus. „Die G20 treiben die Reform der multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) zügig voran. Sehr positiv ist, dass endlich auch die Anreizstrukturen und die operative Ebene stärker angegangen werden. Da war der Veränderungswille bisher sehr schwach“, bilanziert Anja Gebel, Referentin für Entwicklungsbanken bei Germanwatch.
Länderplattformen, mittels derer sich Staaten im globalen Süden besser mit Gebern koordinieren könnten, um Klima- und Entwicklungsherausforderungen effektiver zu begegnen, blieben jedoch leider unerwähnt. „Enttäuschend ist zudem, dass dabei nicht auf das Pariser Klimaabkommen Bezug genommen wird. Die G20 sollten den MDBs dringend auf den Zahn fühlen, damit sie sich wirklich am Pariser Abkommen ausrichten“, so Gebel.
Mindestbesteuerung auf dem Weg
Die brasilianische G20-Präsidentschaft treibt eine koordinierte Mindestbesteuerung von Milliardären voran. Bisher zahlen Milliardäre in vielen Staaten unverhältnismäßig niedrige Einkommenssteuern - im Verhältnis zu ihren Vermögen sind es laut einem aktuellen Report des EU Tax Observatory im Schnitt nur rund 0,3 Prozent. Regierungen entgehen dadurch signifikante Steuereinnahmen, schätzungsweise 200 bis 250 Milliarden US-Dollar jährlich (im Vergleich zu einer Besteuerung von 2 Prozent bezogen auf das Vermögen).
Doch die G20 haben schließlich bereits Mindeststeuern umgesetzt: Die sogenannte "globale Mindeststeuer". Beschlossen wurde sie 2021, 2024 wird sie nun auch umgesetzt. Demnach müssen international tätige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro mindestens 15 Prozent Steuern zahlen.
Mehr zur untrennbaren Kopplung von Ressourcen- und sozialer Gerechtigkeit im factory-Magazin Ressourcen. Wie sich der Aufbau einer ressourcenleichten Wirtschaft mit ebensolcher sozialen und globalen Gerechtigkeit verbinden lässt, lesen Sie im factory-Magazin Wohlstand und daran anknüpfend – inklusive Carbon-Tax – im kommenden factory-Magazin Kapital. Und das Thema Steuern? Umfassend und mit Langzeit-Wirkung im factory-Magazin Steuern.