News

Living Planet Report 2024: Inzwischen 73 Prozent weniger Wirbeltiere

Weltweit nehmen die Populationen von Säugetieren, Amphibien, Reptilien und Vögeln und Fischen dramatisch ab. Alle zwei Jahre erscheint der Bericht des WWF, 2024 nun zum fünfzehnten Mal – und der Rückgang der Bestände beschleunigt sich weiter. Mit konsequenten Schutzmaßnahmen ließen sich viele erhalten, wie der Bericht zeigt.

69 Prozent Rückgang. Soviel waren es laut Living Planet Report 2022. 2024 stellt der Bericht inzwischen einen Rückgang von 73 Prozent der untersuchten Wirbeltierbestände fest.

Seit 1998 veröffentlicht der WWF (World Wide Fund for Nature) den Living Planet Report, seit 2000 alle zwei Jahre. Für den Bericht 2024 untersuchte die Zoological Society of London fast 35.000 Wirbeltier-Populationen aus 5.495 Arten.

Der 15. Living Planet Index registriert nun einen durchschnittlichen Rückgang der Bestände um 73 Prozent im Zeitraum von 1970 bis 2020. Den stärksten Rückgang verzeichnen demnach die Süßwasserökosysteme mit 85 Prozent, gefolgt von Land- (69 Prozent) und Meeresökosystemen (56 Prozent).

Geografisch sollen Lateinamerika und die Karibik (95 Prozent), Afrika (76 Prozent) und die Asien-Pazifik-Region (60 Prozent) am stärksten betroffen sein. Ökologische Kipppunkte laufen dabei Gefahr, überschritten zu werden, heißt es vom WWF dazu.

 

„Wir zerstören, was uns am Leben hält"

“Was wir für ein gutes und sicheres Leben benötigen, steht durch unsere Lebensweise auf dem Spiel”, sagt Kathrin Samson, Vorständin Naturschutz beim WWF Deutschland. „Wir zerstören, was uns am Leben hält."

Schließlich seien alle Ursachen für das Artensterben menschengemacht. Die Zerstörung der Lebensräume vieler Tiere und Pflanzen, die Umweltverschmutzung und die Klimakrise könnten für viele Arten das Aus bedeuten.

Dramatisch sehe es beispielsweise für den Atlantischen Kabeljau bzw. Dorsch im Nordatlantik und der westlichen Ostsee aus. Sein Bestand brach zwischen 2000 und 2023 um 77 Prozent ein.

Auch die Population der Amazonas-Rosa-Flussdelfine und die der kleineren Tucuxi-Delfine im brasilianischen Mamirauá-Schutzgebiet wären rasant zurückgegangen, von 1996 bis 2016 um 65 Prozent bzw. 75 Prozent. Dazu starben im Jahr 2023 während extremer Hitze und Dürre mehr als 330 Flussdelfine in nur zwei Seen.

 

Schutz vor den Kipppunkten

Dass Artenschutzmaßnahmen wirken, zeige sich hingegen beim Wisent. Die Art war in freier Wildbahn ausgestorben und ist bis heute wieder auf ca. 6.800 Tiere angewachsen. Die meisten Wisente Europas (91 bis 100 Prozent) leben in geschützten Gebieten. Auch die Berggorillas im Virunga-Bergmassiv erholen sich, der Bestand ist auf rund 700 Tiere angewachsen.

Der viel zitierte Living Planet Index diene auch als Frühwarnsystem für drohende ökologische Kipppunkte, so der WWF. Die Doppelkrise aus Biodiversitätsverlust und Klimakrise bringe nicht nur einzelne Arten an ihre Grenzen, sondern gefährde die Stabilität ganzer Ökosysteme.

Dass die Grenzen ihrer Belastbarkeit überschritten sind, zeigte sich auch an einer Studie im Jahr 2023: Sechs von neun der planetaren Grenzen seien durch menschliches Wirtschaften definitiv überschritten, heißt es da: Globale Erwärmung, die Biosphäre, die Entwaldung, die Einbringung von Schadstoffen und Plastik, die Stickstoffkreisläufe und das Süßwasser.

 

Weniger Verluste durch schnelleres Handeln

Die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes und die globale Massenbleiche von Korallenriffen sind nur zwei Beispiele der Biosphäre dazu. „Mit jeder Ausgabe des Living Planet Report müssen wir weiteren Schwund der Natur verkünden. Die Menschheit läuft Gefahr, die eigene Handlungsmacht zu verlieren. Mit der Natur lässt sich nicht verhandeln – die Kipppunkte, auf die wir zusteuern, markieren die Grenze des Unumkehrbaren“, warnt Kathrin Samson.

Die nächsten fünf Jahre seien entscheidend für die Zukunft des Lebens auf unserer Erde. Der diesjährige Living Planet Report sei dabei nicht nur eine Warnung, sondern auch ein Wegweiser für eine nachhaltige Zukunft.

Naturschutz müsse dabei zwingend Hand in Hand gehen mit der Transformation der Nahrungsmittelerzeugung, des globalen Energiesystems und des Finanzsystems. „Noch können wir das Ruder herumreißen und den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten. Dafür muss aber die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft schneller gehen“, fordert Samson.

 

Entschlossen zu Lösungen

Auch die drei internationalen Konferenzen zum Ende des Jahres könnten Fortschritte bringen. Dafür brauche es auf der Weltnaturkonferenz in Kolumbien als auch auf der Klima-COP in Aserbaidschan und bei den Verhandlungen des UN-Plastikabkommens in Südkorea den politischen Willen, Artensterben und Klimakrise aufzuhalten. Auch Deutschland trage dabei eine große Verantwortung.

Im Moment sieht es jedoch eher so aus, dass aufgrund ökonomischen Drucks aussichtsreiche Vorhaben wie zum Schutz vor Entwaldung eher verschoben werden. Zudem steht die Klimafinanzierung unter Druck – und die Schadenskosten durch Extremwetterereignisse wachsen weltweit weiter, ebenso die Einkommensverluste. Kommt die ungeklärte Finanzierung des Schutz von Ökosystemen noch hinzu.

Mehr zu den möglichen Lösungen im kommenden factory-Magazin Kapital – und in den Magazinen Vielfalt und Ressourcen.

Zum Thema:

Zurück

RSS-Feed

2024

2023

2022

2021

2020

2019

2018

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011