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Sei Teil des Biodiversitäts-Plans!

Das Kunming-Montreal-Übereinkommen zu Schutz und Wiederaufbau der Artenvielfalt ist ein Meilenstein für den Ressourcen- und Klimaschutz. Die Vereinten Nationen fordern zu einem größeren Engagement aller gesellschaftlichen Akteure auf, denn die Naturressourcen stehen unter großem finanziellem Druck.

Am 22. Mai ist der internationale Tag der biologischen Vielfalt, oder auch Tag der Biodiversität. 1992 hatten die Staaten der Welt das "UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt" unterzeichnet. Seitdem gab es dazu 15 UN-Gipfeltreffen. Beim Gipfel 2022 beschloss die Staatengemeinschaft die Annahme des Kunming-Montreal-Abkommens zum Schutz von 30 Prozent der Land- und Meeresfläche der Erde, um die biologische Vielfalt wieder aufzubauen.

Denn an einem systematischen Schutz von Naturressourcen geht offenbar kein Weg vorbei, um die Artenvielfalt zu bewahren. Zwar sind die wissenschaftlichen Daten zur Bedeutung der Biodiversität für die Lebensgrundlagen der Menschheit inklusive ihrer Wirtschaft und Gesundheit klar, dennoch schreitet die Überlastung der planetaren Grenzen weiter voran.

 

Basis menschlicher Zivilisationen

Die gegenwärtig negativen Trends führen dazu, dass erst 20 Prozent von acht zugehörigen globalen Nachhaltigkeitszielen erreicht sind – die bis 2030 erfüllt sein sollten, schreibt die UN. Inzwischen seien drei Viertel der Umwelt an Land und etwa zwei Drittel der Meeresumwelt durch menschliche Eingriffe erheblich verändert. Eine Million Tier- und Pflanzenarten seien heute vom Aussterben bedroht.

Dabei sind die Ressourcen der biologischen Vielfalt die Säulen der menschlichen Zivilisationen: So liefern Fische 20 Prozent des tierischen Proteins für etwa drei Milliarden Menschen. Und über 80 Prozent der menschlichen Ernährung besteht aus Pflanzen. Zudem sind nicht weniger als 80 Prozent der Menschen, die in ländlichen Gebieten in Entwicklungsländern leben, für ihre medizinische Grundversorgung auf traditionelle pflanzliche Arzneimittel angewiesen.

Der Verlust der biologischen Vielfalt bedroht jedoch nicht nur die Ernährung, auch die globale Gesundheit. Er führt nachweisbar zu einer Ausbreitung von Zoonosen – Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden. Eine intakte Biodiversität bietet dagegen hervorragende Instrumente zur Bekämpfung von Pandemien, wie sie durch Coronaviren verursacht werden.

 

“Be Part of the Plan”

Aus diesem Grund ruft die UN anlässlich ihres Aktionstages auf: "Be Part of the Plan." Sie will Regierungen, lokale Gemeinschaften, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und Einzelpersonen ermutigen, die Art und Weise stärker zu betonen, wie sie die Umsetzung des Biodiversitätsplans von Kunming und Montreal unterstützen. Denn jeder habe eine Rolle zu spielen und könne daher #PartOfThePlan sein.

Das sei die Hauptbotschaft des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, der Convention on Biological Diversity, CBD. Und die CBD sei das wichtigste internationale Instrument für nachhaltige Entwicklung.

Die UN erhofft sich insgesamt mehr Aufmerksamkeit für den sechzehnten Biodiversitäts-Gipfel COP16. Er findet vom 21. Oktober bis 1. November 2024 in Kolumbien statt.

 

Schutz in Gefahr

Denn angesichts des wirtschaftlichen Drucks auf die Ökosysteme durch die intensive Landwirtschaft scheint das 30 Prozent Ziel aus dem Blick von Regierungen zu geraten.

In Deutschland und Europa werden ökologische Vorschriften zum Erhalt von Brachflächen auf Grund von Bauernprotesten zurückgenommen, die Schutzmaßnahmen eher reduziert als ausgebaut, wie ebenso die Finanzierung ökologischen Agrar- und Waldumbaus. Öffentliche Investitionen in eine ressourcenschonende Verkehrswende mit finanziellem Ausgleich für die gesellschaftliche Akzeptanz finden nicht statt, die für die Wärmewende werden vom politischen Gegner diskreditiert.

Der erwartete Bundeshaushalt für 2025 vernachlässige voraussichtlich die finanzielle Unterstützung zum Erhalt der weltweiten Ökosysteme und Artenvielfalt, kritisiert der WWF Deutschland anlässlich des Tags der Biodiversität.

Aktuell finden in Nairobi die Vorverhandlungen für die Weltnaturkonferenz (CBD COP16) im Oktober statt. Der WWF warnt davor, dass der Sparkurs von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Erfolg der Konferenz gefährde und damit eben auch nichts weniger als die Lebensgrundlagen.

Bundeskanzler Scholz (SPD) hatte im September 2022 vor der UN in New York noch 1,5 Milliarden Euro jährlich für den weltweiten Schutz von Artenvielfalt und Lebensräumen versprochen, erinnert der WWF. Dieses Versprechen sei essenziell für das Zustandekommen des historischen Weltnaturabkommens in Montréal gewesen.

 

Verantwortung für Ressourcenkonsum

Vor allem Länder des globalen Südens hätten sich damals auf Scholz Versprechen verlassen, als sie dem Abkommen zustimmten. Sie benötigen die Finanzhilfen aus dem globalen Norden, um die Bedingungen aus dem Abkommen umsetzen zu können. Sie müssen mehr Gebiete unter Schutz stellen, und auch indigene Gruppen schützen, die besten Bewahrer der Vielfalt.

Das bis spätestens 2025 versprochene Geld sei bislang nicht geflossen. Der Großteil der deutschen Mittel zur internationalen Biodiversitätsfinanzierung liegt im Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dieser Topf ist durch die aus dem Finanzministerium vorgegebenen Sparzwänge heftig unter Druck, so der WWF.

Eine Verfehlung der deutschen Zusagen würde auch einen massiven Verlust der Glaubwürdigkeit Deutschlands verursachen und den Erfolg der COP16 und somit der Umsetzung des gesamten Weltnaturabkommens gefährden“, warnt Florian Titze vom WWF.

Große Industriestaaten wie Deutschland trügen eine besondere Verantwortung, nicht zuletzt wegen des immensen nicht-nachhaltigen Konsums und dem damit verursachten Druck auf die natürlichen Ressourcen und Ökosysteme der Erde.

Der WWF befürchtet, dass viele Staaten auf dem COP16 in Kolumbien keine ausreichenden Pläne vorlegen werden. Auch die bisherigen Entwürfe der deutschen Strategie seien nicht ambitioniert genug. Das Abkommen aber sei die letzte Chance für das gemeinsame Vorgehen aller Länder zum Schutz der Lebensgrundlagen.

 

Vielfalt sorgt für Geschmack und Resilienz

Die Organisation Slow Food Deutschland weist anlässlich des Tags der biologischen Vielfalt auf ihr Projekt "Arche des Geschmacks" hin, das seit 20 Jahren besteht.

Die „Arche des Geschmacks“ nimmt Nutztier- und Nutzpflanzenarten auf, die kaum mehr gezüchtet oder angebaut werden, weil sie z. B. mehr Aufwand als die industriellen Züchtungen erfordern und dadurch oft weniger rentabel sind. Sie sind aber den regionalen Klima- und Bodenverhältnissen viel besser angepasst als moderne Züchtungen, schmecken einzigartig und helfen Bodenfruchtbarkeit, Kulturlandschaften, Küchen und Traditionen zu erhalten, so Slow Food.

Mit über inzwischen über 85 Passagieren leiste die Arche einen Beitrag zur Vielfalt und zur Biodiversitätsstrategie, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im März dieses Jahres vorgestellt hat. Darin werden die Arche-Arten als "Vielfaltsprodukte" bezeichnet.

Als Arche-Kandidaten können Nutztierrassen, Kulturpflanzen, wilde Arten sowie traditionelle Zubereitungsarten von Lebensmitteln vorgeschlagen werden. Slow Food unterstützt deren Erzeuger*innen und Weiterverarbeitende beim Auf- und Ausbau von Netzwerken sowie mit Öffentlichkeitsarbeit.

Die industrielle Landwirtschaft setze dagegen auf wenige Hochleistungssorten und -arten und tragen im Gegenteil zu einer biologischen Verarmung bei. Auf 72 Prozent der deutschen Äcker würden nur noch fünf Kultursorten angebaut, so Slow Food. Ackerränder und Brachen für wildes Wachstum gibt es immer seltener, zudem ist ihre Nutzung in Zukunft wieder erlaubt – ein Zugeständnis nach den massiven Bauernprotesten im Winter 2023/2024.

„Aber es gibt auch positive Zeichen“, schreibt Gerhard Schneider-Rose, Leiter der Arche-Kommission. „Ein schönes Beispiel ist der Anbau des kürzlich in die Arche des Geschmacks aufgenommenen Westerwälder Fuchsweizens. Die hochwachsende Sorte lässt mehr Licht auf den Boden, Ackerwildkräuter haben so eine Chance, wenn auf Pestizideinsatz verzichtet wird.“

 

Mehr Insektenvielfalt im Bio-Anbau

Baby-Nahrungshersteller HiPP in Pfaffenhofen nimmt den Aufruf der UN ebenfalls ernst und weist auf die größere biologische Vielfalt durch ökologische Landwirtschaft. Der Hersteller setzt nach eigenen Angaben seit den 1950er Jahren auf Rohstoffe aus Bio-Anbau.

HiPP hat 2018 eine "Pfaffenhofer Insektenstudie" in Zusammenarbeit mit der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM), der Paris Lodron Universität Salzburg und den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB) aufgelegt.

Zwischen 2021 und 2023 hatte die Wissenschaftler*innen den Insektenbestand auf ökologisch und konventionell bewirtschafteten Grünland untersucht.

Grünflächen, die nachhaltig bewirtschaftet wurden, wiesen im Durchschnitt eine 2,07 mal höhere Biomasse an Insekten auf als konventionell bewirtschaftetes Grünland. Auch die Diversität war auf den Öko-Flächen mit durchschnittlich 21 Prozent mehr Insektenarten und 26 Prozent mehr Schmetterlingsarten signifikant stärker gegeben.

"In den letzten 30 Jahren hat sich die Biomasse aller Fluginsekten in Mitteleuropa um 70 Prozent reduziert", sagt Stefan Hipp, geschäftsführender Gesellschafter der HiPP Gruppe. Angesichts dieses dramatischen Rückgangs werde immer deutlicher, wie wichtig diese konsequent nachhaltige Ausrichtung sei.

Schmetterlingsforscher und HiPP-Projektleiter Thomas Greifenstein erklärt, wie sich die Ernährungssituation entwickeln könnte, wenn kein Umdenken stattfindet: „Pflanzen, deren Bestäubung von Insekten abhängt, entwickeln weniger Samen und Früchte, wenn der Pollentransfer zwischen weniger Blüten stattfindet. Zwar sind die Ernten der Grundnahrungsmittel Mais, Reis und Weizen nicht in Gefahr, aber die im nährstoffreichen Obst- und Gemüseanbau würden magerer ausfallen."

Bei Kirschen wäre ein Verlust von 40 Prozent zu befürchten, bei Mandeln über 90 Prozent. Einige Gemüsesorten wie Gurken oder Kürbisse würde es kaum noch geben. Es gelte also, rasch und konsequent zu handeln und "zum Wohle aller die Öko-Landwirtschaft zu fördern und konventionell wirtschaftende Betriebe bei der Umstellung auf nachhaltige Methoden zu unterstützen.”


Mehr zur Vielfalt als Ressource im factory-Magazin Vielfalt – und im Themenbereich. Dort auch ein Beitrag dazu, wie Vielfalt schmeckt. Warum gerade das so wichtig ist, lässt sich im Rezepte-reichen Magazin Wohlstand erfahren. Zudem ließen sich Klimaschutz, Artenschutz und Gerechtigkeit ganz pragmatisch verbinden – über ein Mosaik-System. 

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