Sisyphos
Aufgeben gilt nicht!
Wo stehen wir in Sachen Nachhaltige Entwicklung? Fragt man Nachhaltigkeitsaktivisten und -wissenschaftler, erhält man oftmals nüchterne Fakten – und erklärte Enttäuschung über das bisher Erreichte. Was so enthusiastisch in den 1990er Jahren als anschlussfähiges globales Gerechtigkeitsprojekt gestartet war, hat davon, so scheint es, nur wenig erreicht. Nachhaltig wirtschaftend, also ökonomisch, ökologisch und sozial gerecht, arbeiten nur wenige Tausend Unternehmen in Deutschland – global sieht es nicht anders aus.
Dabei bleibt nach dem jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarats nur wenig Zeit, um die globale Erwärmung in der noch als beherrschbar geltenden Grenze von durchschnittlich zwei Grad Celsius zu halten. Gerade in vermeintlich fortschrittlichen Ländern wie Deutschland zeigen sich keine großen Leistungen dazu. Im Gegenteil: Die Emissionen steigen, Braunkohle steht außer Frage und Fracking wird salonfähig. Nach Transformation sieht das alles noch nicht aus.
Kein Wunder also, dass der eine oder die andere Nachhaltigkeitsengagierte, ob in Job oder Freizeit, frustriert und enttäuscht ist, denn ohne die unterstützende Politik geht im großen Maßstab nichts. Frust & Scheitern waren deswegen unsere Ideen für den Titel dieser factory. Geworden ist es Sisyphos, bzw. latinisiert Sisyphus, analog zur allgegenwärtigen Sisyphusarbeit. Doch so sinnlos wie die Sisyphusarbeit ist das schwere Arbeiten an der Nachhaltigkeit nicht, meint Ernst-Ulrich von Weizsäcker im einleitenden Interview und macht Hoffnungen auf durchsetzbare Politik. Mit der Schönheit des Scheiterns versucht auch der Philosoph Bernd Draser zu trösten, während das Autorenteam Ax/Hinterberger/Marschütz vom Wiener SERI-Institut die Zahlen hochhalten, die wider besseres Wissen ein Aufgeben nicht zulassen. Isabell Zipfel erzählt mit ihrer Fotoreportage über den Braunkohleabbau noch eine andere Geschichte, bevor Annette Jensen und Ute Scheub die glücklichen Inseln beschreiben, die das Zeug zum überlebensfähigen Kontinent hätten. Hans-Jochen Luhmann geht in seinem Beitrag zur Klimapolitik auf die Widersprüche ein – und macht ebenfalls Vorschläge fürs Machbare. Der philosophische Ökonom Birger Priddat schlägt einen ganz anderen Weg in seinem Quasi-Manifest zum Anthropozän vor: den der technologisch-beschleunigten evolutionären Entwicklung der Naturbeherrschung. Das letzte Wort hat der Jungwissenschaftler Benjamin Best mit einer hoffnungsvollen Sicht auf seine zunehmend postwachstumsorientierte Generation.
Also alles nur eine Frage der Perspektive? Auch der historischen? Wir empfehlen das Beispiel Ernst-Ulrich von Weizsäckers, der am 25. Juni 2014 seinen 75. Geburtstag feiert – und trotz der gegenwärtigen politischen Stagnation nicht müde wird, eine Ressourcensteuerreform als machbare Effizienzrevolution einzubringen. Wir gratulieren herzlich und wünschen allen frische Motivation und einen schönen Sommer.
Ralf Bindel und das Team der factory
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