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Club of Rome: Nur mit mehr Gleichheit lässt sich der Klimawandel bewältigen

An der sozialen Frage entscheidet sich auch die Bewältigung des Klimawandels, das prognostizieren Wissenschaftler*innen schon seit Jahren. Nun legt ein Team internationaler Mitglieder des renommierten Club of Rome eine umfassende Analyse dazu vor und beschreibt, was in den nächsten Jahren zu tun ist, um den Zusammenbruch von Gesellschaften zu verhindern und ihre Lebensgrundlagen durch gemeinsamen Klimaschutz zu sichern.

Eigentlich sind die Fakten zum Zusammenhang zwischen Klima- und sozialer Frage schon seit langem bekannt. Beide bedingen einander und sind nur gemeinsam zu lösen. Nur leider handeln die wenigsten Länder danach.

Die Klimakrise führt zu wachsender sozialer Ungleichheit, also einem zunehmenden Vermögens- und Teilhabeabstand zwischen armen und reichen Bevölkerungsteilen. Dieser wiederum führt zu wachsenden gesellschaftlichen Spannungen, die eine gemeinsame Begrenzung des und Anpassung an den Klimawandel unwahrscheinlicher machen, davor warnen Ökonom*innen, Klimaforscher*innen und Soziolog*innen – auch hier im factory-Magazin.

Die brisante Entwicklung zeichnet sich seit Jahren ab, in nahezu allen Gesellschaften und Ländern, auch in den wohlhabenden, vermögenden Nationen. Mit Zunahme und Häufung der ökologischen und wirtschaftlichen Krisen entstehen überall mehr und mehr Konflikte.

Diese multiplen Krisen münden dann nicht nur z. B. in Ressourcenkriege in den Ländern des Südens und hinterlassen verzweifelte Menschen, die vor Krieg, Armut und Hunger fliehen müssen, sondern mittlerweile auch verarmende Menschen in Industrieländern.

Diese werden gern instrumentalisiert von nationalistischen Politikentwicklungen, die ausschließlich eigene Machtinteressen verfolgen – und die fossile Normalität erhalten und das umwelt- und klimazerstörende System sogar noch weitertreiben wollen, siehe z. B. Trump, AfD, Bolsonaro und Putin. Und die internationalen fossilen Konzerne setzen weiter auf Expansion statt Transition.

Entlastung ohne Wandel

Mit den Folgen der Corona-Pandemie, der Energiekrise und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine sind die wirtschaftlichen Folgen für die armen und die so genannte Mittelschicht auch in Deutschland nicht zu übersehen. Ob Inflation, Sprit- und Strompreis, Gasumlage – die deutsche Bundesregierung bemüht sich mit Tankrabatt, 9-Euro-Ticket, Einmalzulagen, Streichung der EEG-Umlage um zumindest befristete "Entlastung".

Dennoch: Von Abbau umweltschädlicher Subventionen, die vor allem Vermögenden nutzen, ist keine Rede. Übergewinnsteuern, die in anderen Ländern Mobilität für alle erleichtern, werden hier wohl kaum kommen. Stattdessen bekämpft der Finanzminister die kalte Progression, damit hohe Einkommen weniger Staat finanzieren. Dabei sollten doch gerade hohe und höchste Vermögen an der Bewältigung der Krisenlasten beteiligt werden.

Nicht einmal das Klimageld, das einen sozialen Ausgleich für die sinnvolle Bepreisung des Treibhausgases CO2 bringen sollte – und von allen progressiven Wissenschaftsinstituten empfohlen wurde – ist mehr als 20 Monate nach Einführung des CO2-Preises 2021 für Gebäude und Verkehr gelungen. In anderen Ländern wie der Schweiz sichert es bisher dagegen die Zustimmung zu einer Belastung des klimaschädlichen Ressourcenverbrauchs – und führte zu einer deutlichen Verringerung der fossilen Emissionen. In Schweden ist man bereits bei 120 Euro pro Tonne CO2 angelangt, steigend von 24 Euro seit 1991. Die Bevölkerung war einverstanden, weil gleichzeitig andere Steuern zurückgingen oder wegfielen.

 

Der neue Bericht

Nun also ein Buch vom Club of Rome, beziehungsweise seiner Forschungsinitiative Earth for All, an der auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und weitere beteiligt sind. Es soll ein "Survivalguide für unseren Planeten" sein, wie der Untertitel beschreibt. Es ist ein neuer Bericht an den Club of Rome, der vor 50 Jahren, 1972, mit seinem ersten Bericht "Die Grenzen des Wachstums" bekannt geworden ist – und das als eine der einflussreichsten Publikationen zur Überlastung der Erde durch die menschliche Wirtschaftsweise gilt.

Inzwischen sind zahlreiche weitere Berichte des Club of Rome entstanden. Der jüngste war bisher das 2012 erschienene Buch 2052. A Global Forecast for the next 40 Years von Jørgen Randers, der bereits 1972 beteiligt war und nun auch wieder bei Earth for All: A Survival Guide for Humanity dabei ist.

Im Zentrum des neuen Berichts steht die Botschaft, dass sich die Klimakrise bewältigen lässt, allerdings nur, wenn gleichzeitig die soziale Gerechtigkeit wächst. Setzen sich dagegen die gegenwärtigen Trends fort, komme es zu "regionalen Zusammenbrüchen" nicht nur in armen Ländern, wie Afghanistan, Pakistan oder Somalia, sondern auch in den reichen Ländern.

Allein die Flutkatastrophe 2021 in West- und Mitteleuropa hatte allein in Deutschland zu fast zweihundert Toten und Milliarden Schadenskosten geführt, die Überschwemmungen im Sommer 2022 in Pakistan zu über Tausend Toten mit noch unabsehbaren weiteren Folgen für die Versorgung von Millionen Menschen. Laut Club-of-Rome-Bericht könnten derartige Szenarien zwei Milliarden Menschen weltweit betreffen.

Die sechs Autor*innen fordern deswegen eine stärkere Beteiligung der hohen Vermögen an der Krisenbewältigung. Denn in armen Ländern fehlen die finanziellen Mittel, um das Klima und sich vor den Entwicklungen zu schützen, in wohlhabenden Ländern lehnen Menschen mit niedrigen Einkommen Veränderungen ab, weil sie die Kostensteigerungen am meisten belasten.

 

Vermögende in der Pflicht

"Die Reichen müssen die Rechnung zahlen", fasst deswegen Randers zusammen – und wird so auch gern in den Medien zitiert. Die obersten zehn Prozent der Bevölkerung, die national und global etwa die Hälfte aller Einkommen erzielen, sollen etwa 20 Prozent davon abgeben, um soziale und Klimapolitik zu finanzieren.

Der Club schlägt mehr Umverteilung durch Steuern vor und die Verwendung für die richtigen Ausgaben. Auf Immobilien, Vermögen, Erbschaften, Unternehmensgewinne und hohe Arbeitseinkommen müssten die Abgaben steigen.

Denn die bisherige Marktwirtschaft regele das nicht, die Staaten müssten aktiv werden. Dann dürften etwa zwei bis vier Prozent des globalen Bruttoproduktionsindex GDP ausreichen, um den Wandel möglich zu machen. Das wäre weniger als die gegenwärtigen jährlichen Subventionen in fossile Industrien, wie Sandrine Dixson-Declève, Co-Präsidentin des Club of Rome, bemerkt. "Das ist leicht zu leisten und wird Millionen von Jobs schaffen. Was fehlt, ist der Wille der Politik."

Verfolgen wir dagegen weiter den "Too Little, Too Late"-Entwicklungspfad, komme es zu einem Wohlstandsverlust von 40 Prozent bis 2050, auch in den reichen Ländern – und die ärmsten Länder würden bis 2100 nicht aus der Armut herauskommen.

The Giant Leap – Der große Sprung

Mit den Maßnahmen des Sprung-Szenarios "The Giant Leap" lasse sich die Erderhitzung auf unter zwei Grad begrenzen, die Weltbevölkerung bei unter neun Milliarden stabilisieren, der Ressourcenverbrauch reduzieren und die extreme Armut global bis 2050 beenden – eine Generation früher gegenüber dem gegenwärtigen "Too Little, Too Late"-Szenario.

Gleichzeitig fiele die soziale Spannung und die Lebensqualität steige während des gesamten Jahrhunderts aufgrund einer höheren Einkommensgleichheit.

Fünf wesentliche Maßnahmen stellen die Autor*innen dafür in den Mittelpunkt: Eine Reform des internationalen Finanzsystems, mit der 3 bis 4 Milliarden Menschen aus der Armut geholt würden; zu verhindern, dass die wohlhabendsten zehn Prozent mehr als 40 Prozent der nationalen Einkommen erzielen; die Stärkung von Frauenrechten, um volle Geschlechtergerechtigkeit bis 2050 zu erhalten; eine Transformation des Ernährungssystems für gesündere Lebensweisen für Menschen und Erde und der Wandel zu sauberen Energien um "Netto-Null"-Emissionen bis 2050 zu erreichen.

Im Buch sollen dazu fünfzehn konkrete Politikempfehlungen enthalten sein, mit denen Regierungen diese Mehrfachwenden beschleunigen können.

Owen Gaffney, Autor und Nachhaltigkeitsanalyst beim Stockholm Resilience Centre, verweist darauf, dass man mit einer höheren Besteuerung die vermögendsten 10 Prozent der Weltbevölkerung, die Maßnahmen des "Großen Sprungs" finanzieren könne. Damit verteile man gerechter, reduziere die Polarisierung und baue Vertrauen auf, dass die Regierung für den Wandel benötigten.

Das ist auch einer der Gründe, warum die Autor*innen für einen neue globale Finanzierungsinitiative plädieren, den "Citizien's Fund". Mit ihm würden die Ungleichheit und Treibhausgasemissionen reduziert und ein Sicherheitsnetz für die durch wirtschaftliche Schocks Verwundbarsten geschaffen werden. Der Fond würde das Einkommen aus den globalen Gemeinschaftsgütern (Commons) auf alle als eine "Universal Basic Dividend" verteilen.

Mehrheit für den Wandel

Laut Umfragen würden 74 Prozent der Menschen in den G20-Ländern einen Wandel des Wirtschaftssystems zugunsten von Gesundheit und "dem Planeten" unterstützen – anstelle eines rein auf Profit und Wachstums ausgerichteten Systems.

"The Giant Leap" würde jedoch nicht ein Ende des wirtschaftlichen Wachstum bedeuten, aber ein Ende des richtungslosen Wachstums, das Gesellschaften und die Erde zerstören würde, betont Sandrine Dixson-Decléve. Neue Initiativen wie die "Wellbeing Governments" (WEGs) und der European Green Deal zeigten, dass es auch unter den Regierungen ein Umdenken zugunsten einer größeren Wohlstandsverteilung gäbe.

Jayati Ghosh, Entwicklungsökonom an der University of Massachusetts Amherst, will das Buch als Aufruf verstanden wissen. Weil die notwendigen Veränderungen so groß seien, erforderten sie zielgerichtete soziale Bewegungen mit einer großen Beteiligung. Die Geschichte zeige, dass Untätigkeit und Defätismus selbsterfüllend würden. Und das Regierungen schließlich auf den Druck reagieren müssten oder durch ihn ersetzt würden.

Buch mit Bewegung

Das Buch, Earth for All: A Survival Guide for Humanity, erscheint auf deutsch am 6. September 2022 im oekom Verlag und auf englisch am 20. Septemebr 2022. Es wird außerdem auf japanisch, chinesisch, koreanisch und italienisch erscheinen.

Die Earth4All-Initiative von Club of Rome, dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, dem Stockholm Resilience Centre und der Norwegian Business School, lädt außerdem zu einer Reihe von Veranstaltungen und Bürgerversammlungen von 2022 bis 2023 ein, um die Empfehlungen des Buches mit Hilfe des Drucks der Bürger*innen auf ihre Regierungen wahrscheinlicher werden zu lassen.


Mehr zur Notwendigkeit mit Hilfe von Steuern im gleichnamigen factory-Magazin und zum Wandel im factory-Magazin Change. Und wer realistisch bleiben will, lese das factory-Magazin Utopien.

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