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  • Titel der Studie "Reklame für Klimakiller"
  • Klimarelevante Anteile der Werbespots
  • Balkendiagramm zu Inhalten der Werbespots
  • Screenshot Youtube zu Burger-Werbung
    Burger-Werbung für pflanzenbasierte Alternativen ist selten – und erhält im Vergleich wenige Klicks auf YouTube (Stand Mai 2024).

Werbespots für klimaschädliche Produkte verstoßen gegen Medienstaatsvertrag

Der Absatz klimaschädlicher Produkte ist ungebremst, der Anteil nachhaltiger wächst zu langsam für eine echte Emissions- und Ressourcenwende. Zudem wirbt rund ein Drittel aller Fernsehspots weiter mit positiven Darstellungen klimaschädlicher Produkte und Dienstleistungen. Dass diese Werbepraxis gegen den Medienstaatsvertrag verstößt und sich damit auch regulieren ließe, zeigt eine neue Studie.

Trotz eines seit Jahrzehnten etablierten Wissens über ökologisches bzw. nachhaltiges Design von Produkten und Dienstleistungen, werden diese nicht zum Standard. Die Europäische Union bemüht sich immerhin, das mit einer allmählich verschärften Ökodesign-Richtlinie und mehr Circular Economy zu ändern – um so den Material- und Energieverbrauch und damit den Treibhausgasausstoß dauerhaft zu verringern.

Doch für eine wirkliche Wende in Produktion und Konsum ist das noch zu langsam: Nur rund 13,4 Prozent soll der Umsatzanteil aller Produkte mit staatlich regulierten Umweltzeichen 2020 betragen haben, so die Zahlen im factory-Magazin Design. Bis 2030 soll er laut Nachhaltigkeitsstrategie auf 34 Prozent steigen.

Ressourcenintensive Konsumanreize

Anreize für einen umweltschädlichen Konsum setzt zudem ein immer noch hoher Anteil von Werbung für die entsprechenden Produkte und Dienstleistungen. Das können ressourcenintensive Bankprodukte, Flugreisen, Kreuzfahrten, schwere Autos und tierische Lebensmittel sein.

Und während ein Gesetzentwurf zur Einschränkung von Junkfood-Werbung diskutiert wird, und Tabakwaren und Alkohol bereits nicht mehr bzw. nur eingeschränkt beworben werden dürfen, gilt Ähnliches nicht für Produkte mit großem CO2-Fußabdruck. Das wäre jedoch angesichts fortschreitenden Klimawandels eine naheliegende Aufgabe für die Klima- und Medienpolitik, schreiben die Autor*innen zum Kontext ihrer Studie.

Schließlich gäbe es mit dem Paragraph Acht (§ 8) im Medienstaatsvertrag eine Vorschrift, dass Werbung keine Verhaltensweisen fördern darf, die den Schutz der Umwelt „in hohem Maße“ gefährden. Diese Norm gilt für den öffentlich-rechtlichen wie den privaten Rundfunk sowie für Online-Medien (bspw. Social- Media-Plattformen).

Klimaschädliches Potenzial der Werbespots

Ziel der Forschenden war daher, das klimaschädliche Potenzial von Fernseh- und YouTube-Werbung zu quantifizieren, um die Größenordnung des Problems zu ermitteln. Konkret untersuchten sie, für welche Güter im TV und auf YouTube geworben wird, wie emissionsstark die beworbenen Produkte sind und mit welchen Strategien für klimaschädliche Güter geworben wird.

Das Forschungsteam um den Kommunikationswissenschaftler Dr. Uwe Krüger von der Universität Leipzig hat mit Unterstützung der Otto Brenner Stiftung der IG Metall fast 10.000 Werbespots zwischen 2022 und 2023 auf die Umweltverträglichkeit der beworbenen Produkte hin untersucht. Knapp 70 Prozent handelten von nicht klimaschädlichen Produkten, rund 30 Prozent warben jedoch für Erwerb und Konsum klimaschädlicher Waren und Dienstleistungen.

Der Anteil klimaschädlicher Werbebeiträge im Fernsehen ist dabei höher als bei YouTube. In den ausgewerteten Werbeclips der aufrufstärksten Videos der größten deutschen YouTube-Kanäle wurde in rund jedem siebten Beitrag ein „Klimakiller“ angepriesen.

Naturnahes Framing für Falsches

Einige Produktgruppen stellten sich als besonders klimarelevant heraus, heißt es in der Pressemitteilung zur Studie. So wurden 86 Prozent der Spots für Süßwaren klimaschädlichen Produkten zugeordnet, vor allem hat Schokolade einen recht großen CO₂-Fußabdruck. Aber auch Produkte rund um Autos (78 %) und Drogerieartikel (72 %) sind in großer Mehrzahl als klimaschädlich einzustufen.

Mit dem Kauf eines einzigen der angepriesenen Artikel, so ein weiterer Befund der Studie, sei das unter dem zurzeit angestrebten Klimaziel (Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad) jedem Erdenbürger jährlich zustehende CO₂-Budget von 1,5 Tonnen bereits aufgebraucht.

Der durchschnittliche Pro-Kopf-Ausstoß lag 2023 in Deutschland laut Umweltbundesamt (UBA) bei 10,8 Tonnen inklusive im- und exportierten Gütern. Klimaverträglich wäre laut UBA ein weltweiter Durchschnitt von einer Tonne pro Person und Jahr. Das CO2-Budget für das 1,5-Grad-Ziel hat Deutschland bereits überschritten.

Laut Studie arbeitet die analysierte Werbung oft mit Strategien, die die Klimaschädlichkeit des Produkts unsichtbar machen oder sogar ins Gegenteil verkehren: Eine Fernreise wird mit Naturschutz in Verbindung gebracht, ein verbrauchsintensiver Hybrid-SUV wird mit Wildtieren und Naturlandschaften beworben, der Konsum von Kaffeekapseln soll eine gescheiterte Klimapolitik ersetzen.

Die Werbebotschaften seien, unter dem Klimaschutzaspekt betrachtet, zuweilen als absurd bzw. sogar als irreführendes Greenwashing zu bezeichnen.

Medienstaatsvertrag untersagt umweltschädliche Werbung

„Wir sind an Werbung für Autos, Flugreisen, Rindfleisch-Burger, Kaffee und viele andere emissionsstarke Produkte gewöhnt“, sagt Studienleiter Dr. Uwe Krüger. „Aber wenn man sich vor Augen führt, dass Werbung eine Form des Appells ist, wird die Absurdität deutlich: Wir appellieren an die Bevölkerung, weiter Klima-Killer zu kaufen und zu konsumieren, während die Klimakrise uns bereits Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen, Hitzetote und massives Artensterben beschert.“

Die Wissenschaftler*innen sehen insgesamt die Medienpolitik in der Bringschuld, da die gegenwärtige Werbepraxis gegen Paragraf 8 des Medienstaatsvertrages verstoße. Dieser untersagt Werbung für Verhaltensweisen, die „in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden“.

„Der Medienpolitik steht eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente zur Verfügung, die es endlich ernsthaft zu diskutieren und konkret umzusetzen gilt“, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung. Das könnten verpflichtende Warnhinweise für klimaschädliche Produkte oder die Einführung eines dynamischen Preis- beziehungsweise Umlagesystems für Werbung sein.

Aber je nach dem CO₂-Fußabdruck der beworbenen Güter sollte auch das „scharfe Schwert der Werbeverbote für bestimmte Produkte und Produktgruppen“ erwogen werden, fordert Legrand. Klar sei jedenfalls: „Der Status Quo ist nicht länger zu rechtfertigen.“

Potenzial für Klimaklagen

Potenzial bietet die Studie auch für entsprechende Klagen von Verbraucher- und Umweltorganisationen. So hatte die Deutsche Umwelthilfe wiederholt gegen irreführende Bewerbung klimaneutraler Produkte und Dienstleistungen geklagt. Zudem ist der Rechtsweg für Klimaschützer*innen und Organisationen immer erfolgversprechender.

Im April 2024 hatte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof das Recht auf staatlichen Klimaschutz bestätigt und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Wahrung von Freiheitsrechten hatte die Bundesregierung 2021 zur Verschärfung des Klimaschutzgesetzes genötigt.

Wie nachhaltiges Design von Produkten und Dienstleistungen entsteht und wie auch die Kommunikation dazu nachhaltig gestaltet werden kann, berichtet der Kommunikationsdesigner Elmar Sander im factory-Magazin Design und im factory-Magazin "Wir müssen reden".

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