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Gerechte Emissionswende: Mehr Klimageld für Arme, keines für Reiche

Ab 2025 dürfte der CO2-Preis für Kraft- und Heizstoffe im dann europäischen Emissionshandel deutlich steigen. Eine Klimaprämie kann Belastungen gerade für ärmere Haushalte mildern, reicht aber nicht aus. Deswegen sollte sie bei höheren Einkommen abschmelzen, um bei niedrigen besser fördern zu können, so das Ergebnis einer Studie.

Die Robin-Hood-Steuer für den Klimaschutz ist inzwischen etabliert, die Bepreisung von CO2-Emissionen eingeführt. Doch der Ausgleich für diejenigen, die er stark belastet, lässt auf sich warten – also noch kein Robin-Hood, obwohl sich gerade durch gerechte Umsetzung auch die Akzeptanz und damit auch die Wirkung verbessern ließe. Trotz deutlicher Hinweise, dass der fehlende Ausgleich die Gegner der notwendigen Transformation stützt – und damit die Emissionwende weiter verteuert.

Inzwischen verdichten sich aber die Hinweise, dass es 2025 endlich mit dem sogenannten Klimageld klappen könnte. Schließlich war das auch das Versprechen des “ambitionierten Koalitionsvertrags” der Ampelregierung 2021. Doch wie gerecht sie die Verteilung gestalten wird – und ob überhaupt –, steht noch nicht fest.

Im Wochenbericht des DIW macht der Wissenschaftler Stefan Bach dazu jetzt entsprechende Vorschläge. Grundlage ist eine Studie des DIW und FOES im Auftrag des Umweltbundesamtes, die im November erscheinen soll. Die Zeit zur Gestaltung drängt, denn wenn ab 2027 der europäische Emissionshandel für fossile Brennstoffe in den Bereichen Wärme und Verkehr den nationalen ablöst, sind auch CO2-Preise von 200 Euro möglich.

 

Wirkungsvolle Steigerung

Noch gilt im 2021 eingeführten nationalen Emissionshandel ein Preis von 45 Euro, der bis 2026 auf bis zu 65 Euro steigen soll. Das wäre umgewälzt ein Anstieg von 17,9 Cent je Liter bei Super E10 oder 20,5 Cent je Liter bei Diesel und Heizöl. Beim Erdgas sind es 1,4 Cent je Kilowattstunde. Also rund 20 Prozent mehr für fossile Brennstoffe.

Bei einem CO2-Preis von bis zu 200 Euro wären die Wirkungen auf die Endverbraucherpreise entsprechend vielfach verstärkt – und natürlich auch die auf die Wahl klimafreundlicher Heiz- und Mobilitätslösungen.

Doch die notwendigen Investitionen können sich schon jetzt meist nur diejenigen leisten, die vermögend sind. Und weil einkommensschwache Haushalte im Durchschnitt einen höheren Anteil ihres Nettoeinkommens für Energie und Mobilität als Besser- und Hochverdienende ausgeben, sind sie durch einen steigenden CO2-Preis stärker belastet als Haushalte mit höherem Einkommen.

 

Ohne Entlastung weniger Gerechtigkeit

Damit wirkt die CO2-Bepreisung ohne Entlastungen an anderer Stelle des Haushaltsbudgets regressiv – und sie macht die Einkommensverteilung noch ungleicher.

Um die Belastungen auszugleichen, hat die Ampel-Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, einen „sozialen Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus zu entwickeln (Klimageld)".

Dieses Klimageld soll antragslos und automatisch allen Einwohnenden in Deutschland ausgezahlt werden. Dafür würden derzeit die rechtlichen, administrativen und technischen Voraussetzungen geschaffen: In einer Datenbank des Bundeszentralamts für Steuern werden allen gemeldeten Einwohnenden in Deutschland mit Steuer-ID die Bankverbindung mit IBAN zugeordnet, berichtet die Wirtschaftswoche.

Eine solche Klimaprämie mindert zwar die Belastungen der CO2-Bepreisung in der Breite der Bevölkerung – und überkompensiert sie bei vielen Geringverdienenden sogar. Aber sie reduziert gleichzeitig die Anreize zum Energiesparen nicht oder nur geringfügig durch den „Einkommenseffekt“.

 

Hohe Einkommen erhalten bereits hohe Förderungen

Die Wissenschaftler*innen schlagen nun vor, die Klimaprämie auf untere und mittlere Einkommen zu begrenzen – schließlich würden die hohen Einkommen schon "generös" mit Förderprogrammen bei ihrer Emissionswende in Mobilität und Wohnen unterstützt.

Weil eine Einkommensdifferenzierung der Klimaprämie unmittelbar bei der Auszahlung zu aufwändig wäre – die auszahlende Behörde müsste eine Einkommensveranlagung für alle 84 Millionen Einwohnenden in Deutschland durchführen – schlagen die Autor*innen eine nachträgliche Belastung der Klimaprämie im Rahmen der Lohn- und Einkommensteuerverfahren vor, ähnlich wie bei der Energiepreispauschale 2022, allerdings mit besonderer Tariffunktion.

Dabei wird die Klimaprämie bei mittleren Nettoeinkommen über ein Einkommensintervall von 10000 Euro im Jahr linear abgeschmolzen. Dies gewährleiste, dass die Klimaprämie bei Haushalten mit unteren Einkommen erhalten bleibe, bei hohen Einkommen dagegen vollständig abgeschöpft werde. Diese indirekte Einkommensdifferenzierung der Klimaprämie lasse sich leicht und ohne nennenswerten Bürokratieaufwand in die bestehenden Besteuerungsverfahren integrieren, heißt es.

 

Geringverdiener entlasten, Fördern in Härtefällen

Die einheitliche Pro-Kopf-Klimaprämie entlastet laut Simulationsrechnungen zwar Geringverdienende, aber sie könne Härtefälle auch nicht vermeiden.

Gerade in den unteren beiden Einkommensdezilen, die sozial- und verteilungspolitisch besonders relevant sind, würden zwar dank höherer Sozialleistungen und Klimaprämie die meisten Haushalte per saldo entlastet.

Aber es gäbe auch zahlreiche Verlierer in dieser Gruppe: 16 Prozent der Haushalte würden trotz Klimaprämie per saldo mit mehr als 0,5 Prozent des Nettoeinkommens belastet, acht Prozent sogar mehr als ein Prozent. Dies deute auf Härtefälle hin, die über eine pauschal ausgezahlte Klimaprämie hinaus weitere Hilfen erforderlich machten, vor allem bei Haushalten mit niedrigen Einkommen mit hohem Energiebedarf.

Diese haben zumeist weniger Möglichkeiten, die Energieeffizienz ihrer Wohnung oder ihrer Fahrzeuge zu erhöhen, da sie häufiger in Mietwohnungen leben oder Investitionen in klimafreundlichere Wohnungen und Fahrzeuge schlechter finanzieren können.

Dies unterstreiche den Bedarf für zusätzliche Förderprogramme, die gezielt auf „vulnerable“ Haushalte zugeschnitten werden, so die Wissenschaftler*innen.


Mehreinnahmen durch Besteuerung vermeiden Ungerechtigkeit

Durch die Abschmelzung der Klimaprämie flösse dagegen die Hälfte der Ausgaben durch Mehreinnahmen bei der Einkommensteuer wieder an die öffentlichen Haushalte zurück. Der staatliche Finanzierungssaldo der Reform erhöhe sich auf 12,4 Milliarden Euro im Jahr. Damit stünden 5,2 Milliarden Euro im Jahr an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung – zum Beispiel für die Förderung "vulnerabler" Haushalte, den Härtefällen.

Die Abschmelzung verstärke somit die progressive Wirkung der Reform bei höheren Einkommen. In den unteren Einkommensgruppen und mittleren Einkommensgruppen werde die Klimaprämie dagegen nicht oder nur wenig gemindert. In diesen Gruppen steige die Zahl der Härtefälle mit höheren Belastungen nur wenig. Der Gini-Koeffizient zur Einkommensungleicheit geht geringfügig stärker zurück als ohne die Abschmelzung.

Die Anwendung einer spezifischen Tariffunktion ermögliche es also, die Klimaprämie bei unteren und mittleren Einkommen unbelastet zu erhalten und bei höheren Einkommen vollständig abzuschmelzen.

 

Akzeptanz durch gerechte Gestaltung

Die freiwerdenden Mittel, genutzt für zusätzliche Hilfen und Förderprogramme zur Dekarbonisierung – insbesondere bei „vulnerablen“ Haushalten mit niedrigen Einkommen und hohem Energieverbrauch, wären ein Mittel der sozialen Gerechtigkeit. Damit ließe sich die gesellschaftliche Akzeptanz bei spürbaren CO2-Kostensteigerungen stärken – und damit könnte die Politik auch den gesellschaftlichen Rückhalt für eine ambitioniertere Klimaschutzpolitik absichern, so das Fazit von DIW-Ökonom Stefan Bach.

Beispiele für eine gestaffelte CO2-Preis Kompensation gibt es: So zahlt Österreich eine Klimaprämie zwischen 145 Euro und 290 Euro im Jahr pro Kopf, je nach dem, in welcher Region man lebt. In einer Umgebung mit einem gut ausgebauten ÖPNV erhalten die Menschen weniger, mehr dagegen in Gebieten ohne gute Zug- oder Busanbindung.

Quellen: DIW-Wochenbericht, taz

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