In innovationsstarken Unternehmen finden sich besonders häufig Betriebsräte, die auch eigene Innovationsbeiträge durchsetzen können. Ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt am Institut für Angewandte Innovationsforschung an der Ruhr-Universität Bochum (IAI) macht deutlich, dass Mitbestimmung "Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze sichert", wie es in der Mitteilung des Instituts heißt.
Doch Mitbestimmung dient nicht allein der Standortsicherung. Auch für das nachhaltige Wirtschaften, für neue ressourcenschonende Produkte und die entsprechende Prozesse, ist die Beteiligung der gewählten Arbeitnehmervertreter wichtig. Schließlich sind sie im Betrieb gut vernetzt, kennen die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter gut und können mit eigenen Ideen die Innovationsfähigkeit des Unternehmens verbessern.
Keine Angst vor Innovation
Die Gefahr, dass durch Innovationen, sprich Rationalisierung, Arbeitsplätze gefährdet werden, hätten die Arbeitnehmer weitgehend verloren, schreiben Prof. Dr. Bernd Kriegesmann und Thomas Kley vom IAI. Betriebsräte seien Innovationen gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt und treiben sie mit voran: „Viele Betriebsräte formulieren eigene Ideen und geben Impulse zur Weiterentwicklung des betrieblichen Innovationsgeschehens", so das Fazit der Forscher.
Betriebsräte stützen sich dabei auf das Betriebsverfassungsgesetz, das die Mitgestaltung der Unternehmensentwicklung explizit vorsieht. Doch der Informationsfluss zwischen Management und Arbeitnehmervertretern funktioniert längst nicht in jedem Unternehmen. Außerdem seien Betriebsräte mit hoher Belastung durch ihre Kernaufgaben bei Innovationen weniger aktiv, beobachten die Forscher.
Mehr Mitsprache, mehr Innovationen
Gut 70 Prozent der Betriebsräte sind grundsätzlich in Innovationsprozesse einbezogen. Bei der Qualität der Partizipation gibt es jedoch erhebliche Unterschiede. Fast ein Drittel der Betriebsräte sieht sich bei der Planung und Umsetzung von Innovationen überhaupt nicht einbezogen. Weitere 9 Prozent der Befragten werden vom Management zwar informiert, aber nicht rechtzeitig und umfassend genug, um sich selbst noch beteiligen zu können. 12 Prozent werden durch das Management zwar umfassend informiert, bringen aber selbst keine eigenen Vorschläge ein. 17 Prozent zählen zur Gruppe der „ambitionierten Mitgestalter". Sie werden durch das Management eingebunden und machen eigene Vorschläge. Doch die werden oft nicht berücksichtigt oder wieder fallen gelassen. Betriebsräte vom Typ der „machtvollen Mitgestaltung" – 33 Prozent aller Arbeitnehmervertreter – können sich dagegen auch durchsetzen: Ihre Innovationsbeiträge werden überwiegend berücksichtigt.
Mit Beratern beteiligen
Wenn Betriebsräte mit ihren Innovationsvorschlägen durchdringen, hat das nach Analyse der Forscher wesentlich mit einer besonders guten Vernetzung innerhalb und außerhalb des Betriebes zu tun. Gut 80 Prozent der Betriebsräte aus der Gruppe der „Mitgestalter" gaben an, dass sie bei der Planung und Umsetzung von Innovationen unterstützt werden - etwa von externen Beratern oder von den jeweiligen Experten im Betrieb. Die Forscher betrachten die Fähigkeit, sich bei Kollegen Informationen und Hilfe zu holen und durch dieses Wissen die eigene Verhandlungsmacht zu stärken, als wichtigste Voraussetzung für die Durchsetzungsfähigkeit des Betriebsrates bei Innovationen.
Besonders stark eingebunden werden Betriebsräte, wenn es um Innovationen in der Arbeitsorganisation und um die betriebliche Personal- oder Sozialpolitik geht. Über 90 Prozent werden in diesen Bereichen, die zu den klassischen Domänen der Betriebsräte gehören, vom Management an der Entscheidungsfindung beteiligt. Doch je weiter sich die Innovation vom betrieblichen Alltag entfernt, desto mehr schwindet die Beteiligung, stellen die Forscher fest. Bei der Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen reden rund 44 Prozent mit, bei der Erschließung neuer Märkte lediglich 22 Prozent. In diesen Bereichen machen die Betriebsräte deutlich seltener eigene Vorschläge. Das liegt laut den Ergebnissen der Fallstudie häufig am fehlenden Fachwissen der Betriebsräte. Sie trauten sich oft schlicht nicht zu, die geplanten Änderungen angemessen zu beurteilen und gegebenenfalls tragfähige Alternativen aufzuzeigen, beobachten die Wissenschaftler. Zudem betrachteten viele das nicht als ihr Kernarbeitsfeld.
Betriebsräte besser weiterbilden
Bei Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Personalpolitik haben die Arbeitnehmervertreter die ausgeprägtesten Mitbestimmungsrechte. Nur mit Zustimmung des Betriebsrates können Arbeitgeber beispielsweise den Beginn und das Ende der Arbeitszeit festlegen, allgemeine Urlaubsgrundsätze aufstellen oder die betriebliche Weiterbildung organisieren.
Die Fallstudie zeigt, dass Betriebsräte in diesem Bereich teilweise sogar Management-Aufgaben übernehmen - vor allem wenn eine professionelle Personalarbeit fehlt. Sie entwickeln dann etwa neue Arbeitszeitmodelle oder bringen sich mit der Forderung nach exakter Stellenplanung aktiv in die Personalentwicklung ein. Allerdings könne fehlende Professionalität aufseiten des Managements die Beteiligung auch erschweren, so die Forscher: Wenn den Betriebsräten die Gesprächs- und Verhandlungspartner fehlen, bremst das Innovationen. Nach den Ergebnissen der Fallstudie hängt das aber nicht mit der Größe des Unternehmens zusammen. Auch wenn kleinere Betriebe keine Personalabteilung haben, könne die Personalentwicklung auf einer individuelleren Ebene als in einem Großkonzern durchaus funktionieren.
Betriebsräte strategisch beteiligen
Die größten Hemmnisse für aktives Engagement der Betriebsräte liegen aber nicht zwangsläufig beim Management, beobachten Kriegesmann und Kley. In zahlreichen Interviews habe sich die Unternehmensleitung gerade im Personalwesen und bei der Arbeitsorganisation mehr Engagement gewünscht. Aus der Befragung der Betriebsräte ging zugleich hervor, dass die Arbeitnehmervertreter selbst Zeitmangel als größte Barriere einschätzen. Um effizienter bei Innovationen mitarbeiten zu können, machen die Forscher Betriebsräten konkrete Vorschläge:
- Eine gute Vernetzung in alle Unternehmensbereiche helfe Betriebsräten bei komplexen Fragen. Wichtig sei es, Fachleute mit dem nötigen Expertenwissen aktiv in die Arbeit einzubinden.
- Da Innovationsprozesse oft schnell abliefen, sollte sich der zuständige Betriebsrat mit dem ganzen Gremium gegebenenfalls innerhalb weniger Tage abstimmen können.
- Strategisch ließen sich in Verhandlungen Wünsche nach Innovation an andere Punkte koppeln, bei denen nicht am Betriebsrat vorbei entschieden werden kann.
Mitbestimmung und Innovation passen laut der Studie gut zusammen. In innovationstarken Betrieben ist der Typ der „machtvollen Mitgestaltung" mit 41 Prozent überdurchschnittlich oft zu finden. „Innovation ist ein weiteres wichtiges Handlungsfeld für Betriebsräte mit zukünftig noch steigender Relevanz", folgern die Forscher aus ihren empirischen Befunden. „Wenn Betriebsräte in diesem Bereich mitgestalten und sich für Innovationsfähigkeit engagieren wollen, handeln sie im wohlverstandenen Interesse ihrer Klientel." Die Befragung habe auch gezeigt, dass in innovativen Betrieben höhere außertarifliche Lohnsteigerungen zu verzeichnen sind. Zudem seien diese Unternehmen eher in der Lage, Beschäftigung zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Literatur: Bernd Kriegesmann, Thomas Kley: Mitbestimmung als Innovationstreiber. Bestandsaufnahme, Konzepte und Handlungsperspektiven für Betriebsräte, edition sigma, Berlin 2012
Infografiken im Böckler Impuls 11/2012: http://www.boeckler.de/40360_40371.htm
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft