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  • Schematische Versuchsanordnung für die elektrochemische Kalte Fusion. CC Wikipedia.

Standpunkt: Mehr Forschung für die kalte Fusion

Die kalte Kernfusion ist das Versprechen großer Energiemengen aus einer Kernreaktion ohne Strahlung und Atommüll, die Lösung aller Energieprobleme. Die Chemiker Stanley Pons und Martin Fleischmann machten sie 1989 bekannt. Jetzt ist Fleischmann 85-jährig gestorben. Klaus Dosch, Geschäftsführer des factory-Mitherausgebers Aachener Stiftung Kathy Beys, erinnert mit seinem Nachruf an ein nicht-nachhaltiges Ungleichgewicht in der Forschungsförderung.

Zum Tod von Martin Fleischmann

Sie kennen Martin Fleischmann nicht? Oder zumindest nicht DEN Martin Fleischmann?

Fleischmann und sein Kollege Stanley Pons waren sich 1989 sicher, den Durchbruch bei der Erzeugung von Energie entdeckt zu haben: Die kalte Kernfusion, die Fusion quasi im Wasserglas. Zwei Wasserstoffatomkerne zu Helium verschmelzen, bei Raumtemperatur und ohne lebensgefährliche Strahlung. Ihre Entdeckung präsentierten sie der Welt auf einer Pressekonferenz und schafften es am 8. Mai 1989 auf das Titelblatt des Time Magazin. „Fusion or Illusion“ titelte das Blatt damals. Und genau diese Frage begleitet, ja diffamiert das von Fleischmann und Pons möglicherweise entdeckte Phänomen heute noch. 

Die große Mehrzahl der Physiker hält eine kalte Kernfusion schlicht für unmöglich. Sie ist – so die Lehrmeinung – nach den physikalischen Gesetzen undenkbar. Trotzdem wurden in Experimenten nicht nur von Fleischman und Pons immer wieder unerklärbare Energiemengen festgestellt. Leider waren die Versuche nur schwierig zu reproduzieren, meist gelang es gar nicht. 

Außerdem schien die „heiße Fusion“, bei der versucht wird, die Verhältnisse im Sonneninneren nachzuahmen, weitaus vielversprechender zu sein. Zwei- bis dreistellige Dollar- Milliardenbeträge werden seit fünfzig Jahren bislang weltweit in die Erforschung dieser bis auf unabsehbare Zeit nicht kommerziell nutzbaren Technologie gesteckt, zahlreiche Großforschungsanlagen profitieren davon.

Anstatt jedoch die Ansätze von Fleischmann und Pons endlich weiter zu untersuchen, gut dotierte Forschungsprogramme auszuschreiben, die das mögliche Phänomen entweder bestätigen oder widerlegen, wird die kalte Fusion zur „No-Go-Area“ der Physik. Wer über „kalte Fusion“ forscht, ruiniert seine Karriere, macht sich in der Wissenschaftscommunity lächerlich. 

Dass unter diesen beinahe mittelalterlichen Bedingungen diese möglicherweise bahnbrechende Technologie nicht vorankommt, ist nachvollziehbar – aber in der Wissenschaftsgeschichte nicht ungewöhnlich. Gallileo Gallilei musste seinen Glauben an das heliozentrische Weltbild beinahe mit dem Leben bezahlen. Erst ein Abschwören – freilich mit einem in den Bart gemurmeltem „... und sie bewegt sich doch“ – rette ihm das Leben. Alfred Wegener wurde ausgelacht, weil er Kontinente postulierte, die sich langsam auf dem Globus verschieben. Charles Darwin wurde lange Zeit wegen seiner Evolutionstheorie bekämpft, weil sie in den Augen einiger Christen nicht mit der Bibel vereinbar ist. Heute wissen wir: sie hatten alle recht und waren ihrer Zeit voraus. 

Martin Fleischmann starb am 3. August im Alter von 85 Jahren. Vielleicht wird sein Verdienst erst in Zukunft gewürdigt werden, er in einem Atemzug mit Gallilei, Wegener oder Darwin genannt werden. Die Zeichen scheinen gut zu stehen. Mittlerweile beginnt man auch an hoch angesehenen Universitäten wie dem MIT oder bei der NASA über LENR zu forschen, an Niedrigenergie Kernreaktionen, wie die „kalte Fusion“ heute häufig bezeichnet wird. Der Italiener Andrea Rossi behauptet ein marktreifes Produkt entwickelt zu haben und sich eigentlich nur noch mit Patentfragen herumzuschlagen. Gar nicht auszudenken, wie sich die Welt verändern würde, gäbe es eine Möglichkeit, Energie ohne Treibhausgasemissionen, ohne radioaktiven Abfall oder Katastrophenrisiko beinahe unerschöpflich zu produzieren! Herauszufinden, ob Fleischmanns Experimente  „Fusion or Illusion“ sind, ist allemal der Mühe wert. Und vor allem ist die Erkenntnis, ob die „kalte Fusion“ nun geht oder nicht, billiger zu haben als die Erforschung und Erprobung der „heißen“ Fusion.

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