Für die Emissionswende im Verkehr ist die Antriebswende unerlässlich. Zwar muss für eine emissionsfreie Mobilität die Zahl der individuellen Fahrzeuge um mehr als die Hälfte sinken, der Rest muss jedoch elektrisch betrieben sein, die Anteile von Rad- und öffentlichem Verkehr sich verdoppeln, so das Szenario einer emissionsfreien Mobilität in Deutschland im Jahr 2035.
Nun sind E-Fuels sind wieder in der Diskussion. Denn das EU-Parlament möchte den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ab 2035 verbieten. Ab dann sollen die Hersteller nur noch Autos und Transporter verkaufen können, die keine Treibhausgase ausstoßen. Im Parlament in Straßburg stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten zu, bevor es zu einem EU-weiten Verkaufsverbot und entsprechendem Gesetzgebungsprozess kommt, müssen auch die EU-Mitgliedsländer im Rat zustimmen.
Aus Deutschland, dem größten Automobilproduzent Europas und neben Nordkorea letztem Tempolimit-Verweigerer, kommt entsprechender Protest – vor allem von Lobbygruppen und Parteien wie ADAC, CDU und FDP. Bis auf letztere hat die Ampel-Bundesregierung Zustimmung signalisiert. Doch Finanzminister Lindner (FDP) und Verkehrsminister Wissing (FDP) wollen eine Ausnahme für Verbrenner erreichen, wenn diese mit E-Fuels betrieben werden. Die Rede ist von Technologieoffenheit, Wettbewerbsvorteilen und Arbeitsplatzverlusten.
Verbrenner keine Option für Klimaschutz
Dabei hatten auf der Klimakonferenz in Glasgow 2021 selbst große Autohersteller, unter ihnen auch Mercedes und Ford, einen Verkaufsstopp für Verbrenner in den führenden Märkten ab 2035 gefordert. Und schließlich sichern verbindliche Verordnungen auch ihre erheblichen Investitionen in die neuen Produktionsanlagen.
Mit der Ausnahmeforderung für E-Fuels sollen die Hersteller Verbrenner-Autos und -Transporter weiter produzieren können. Doch schon seit längerem ist eigentlich klar, dass die Umweltbilanz der synthetischen Kraftstoffe wesentlich schlechter als die der direkt elektrisch betriebenen Fahrzeuge ist.
Denn die Produktion von E-Fuels ist aufgrund er vielen Umwandlungsprozesse der Stoffe sehr verlustintensiv, je nach Anwendung lassen sich nur zehn bis 35 Prozent der eingesetzten Energie nutzen. Damit wird zwei- bis vierzehnmal so viel Strom wie bei einer direkten Elektrifizierung benötigt. Ein E-Fuel-Verbrennermotor im Auto verbraucht fünfmal so viel Energie wie ein Elektroauto, hat also auch eine fünffache Reichweite.
Das bestätigt nun erneut eine Studie von Transport & Environment (T&E), Dachorganisation von 53 nichtstaatlichen europäischen Organisationen, die sich für nachhaltige Mobilität einsetzen. Demnach sind synthetische Kraftstoffe eine weit weniger umweltfreundliche Lösung für Autos als batteriebetriebene Elektroautos. T&E hat dafür die gesamten Lebenszyklusemissionen von Autos, die im Jahr 2030 gekauft werden analysiert – also inklusive Produktion, Betrieb und Verwertung.
So würde ein Auto, das mit einer Mischung aus E-Fuels und Benzin betrieben wird, seine Lebenszyklusemissionen im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen nur um 5 Prozent reduzieren. Ein batteriebetriebenes Elektrofahrzeug, das mit dem für 2030 erwarteten durchschnittlichen EU-Strommix hergestellt und aufgeladen wird, würde dagegen über seinen Lebenszyklus 78 Prozent weniger Emissionen verursachen als ein Verbrenner.
Laut T&E untergraben die Ergebnisse die Forderungen der Industrie und Interessensgruppen, dass E-Kraftstoff-Fahrzeuge vom Verkaufsstopp für Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 ausgenommen werden sollten. Über diesen Vorschlag beraten die EU-Umweltminister nächste Woche.
EU-Länder müssen zustimmen
Selbst ein Auto, das mit reinem E-Fuel betrieben wird, der mit erneuerbarem Strom hergestellt wird, würde über seinen Lebenszyklus mehr emittieren als das Elektroauto, zeigt die Analyse. Ein Elektrofahrzeug wäre 53 Prozent sauberer als ein Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen, was vor allem auf die beschriebenen Verluste in der E-Fuel Herstellung und den ineffizienten Verbrennungsmotor zurückzuführen ist.
Eigenen Untersuchungen der Kraftstoffindustrie zufolge könnte zudem die Menge an herstellbarem E-Kraftstoff im Jahr 2035 auch nur drei Prozent des Kraftstoffbedarfs in Europa decken.
Die Studie bestätigt auch die größere Energieeffizienz des Elektroantriebs gegenüber dem E-Fuel-Verbrenner: Ein batterieelektrischer Volkswagen ID.3 kommt mit der selben Menge erneuerbarer Energie fünf mal weiter als ein VW Golf, der mit E-Fuel betrieben wird, wie die T&E-Analyse zeigt. Ein BMW i4 könnte sechsmal weiter fahren als ein BMW 4er mit Verbrennungsmotor.
Die EU-Umweltminister werden am 28. Juni über ihre Position zum Verkaufsstopp neuer Benzin- und Dieselverbrennerautos ab 2035 beraten. "Nach der Festlegung der Regierungen der EU-Staaten auf eine gemeinsame Haltung zum Thema folgen die Verhandlungen mit Vertretern des EU-Parlament. Einigt sich die Berliner Ampelkoalition bis zum Treffen der EU-Umweltminister nicht, müsste sich Deutschland bei der Abstimmung enthalten", schreibt die tagesschau.de
Die Deutsche Umwelthilfe hat wie viele andere Umweltorganisationen den Beschluss des EU-Parlaments begrüßt, hält das Ausstiegsdatum von 2035 aber für viel zu spät zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels und mithin Klimaneutralität der EU. Eine Studie des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) kam schon 2018 zu dem Schluss, dass die EU bereits ab 2028 keine neuen Benziner und Diesel mehr zulassen dürfen, wenn sie ihr Klimaziel erreichen wolle.
Die Modellrechnung des DLR im Auftrag von Greenpeace zeigte, dass dafür auch die Zahl der konventionellen Autos bis 2035 sinken muss – und zwar um den fast vollständigen Bestand der gegenwärtigen Flotte, um 80 Prozent. Die letzten Verbrennerautos müssten 2040 von den Straßen verschwinden.
Mit Hilfe von E-Mobilität, Energiewende und Digitalisierung ließe sich eine Dekarbonisierung sogar bis 2030 realisieren, wie einige Anwendungen bereits heute zeigen.
Neben der CO2-Bilanz sei auch die Rohstoffbilanz von Elektroautos besser als die der Verbrenner – wenn die Batterien vernünftig recycelt werden und der Rohstoffbedarf reduziert werde.
Ein vollständiger Ersatz der heutigen Individualmobilität per Verbrennerautos durch ihre Elektronachfolger dürfe jedoch auch nicht das Ziel des technischen und industriellen Wandels sein, betonen Wissenschaftler*innen immer wieder: Der Tausch Elektro- gegen Verbrennungsmotor nutze in der Bilanz nur, wenn die Gesamtzahl der Fahrzeuge sinke und der Gebrauch von Fahrrädern, Bussen und Bahnen massiv gefördert werde – und nur der Rest elektrisch fahre.
Für das Szenario einer emissionsfreien Mobilität in Deutschland 2035 müssten kämen dann auf 1000 Einwohner nur noch 200 Pkw statt wie bisher rund 460, zeigt die Verkehrswende-Studie des Wuppertal Instituts von 2017.
Mehr zu den Aspekten der Verkehrswende im factory-Magazin Mobilität und im entsprechenden Themenbereich. Was im Sektor Verkehr mittlerweile passieren muss, damit Deutschland seinen Klimazielen näher kommt, im factory-Magazin Klimaneutral und in Was wo zu tun ist.