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Für eine wahrhaftige Schuldendebatte

Schuld & Sühne ist der Titel eines neuen factory-Magazins über Ressourcenschulden. Thema sind Schulden, die durch Naturentnahme und Atmosphärenbelastung entstehen – und Wege, wie sich diese vermeiden lassen.

Nur ein Beispiel von vielen: Die globalen Kohlendioxid-Emissionen betrugen zwischen 1850 und 2008 etwa 1209 Gigatonnen. Der globale Nordens war für 878,6 Gigatonnen verantwortlich, also rund 72,7 Prozent, 27,3 Prozent kam aus den Ländern des globalen Südens. Dort leben aber mit 72,3 Prozent gegenüber 27,7 Prozent im Norden wesentlich mehr Menschen. Ohne Klimafolgen zu verursachen hätte der Norden in dieser Zeit 132,1 Gigatonnen CO2 emittieren dürfen, der Süden 344,9. Die totale Klimaschuld beläuft sich deswegen im Norden auf 746,5 Gigatonnen, der Süden besitzt ein Klimaguthaben von 14,5 Gigatonnen CO2. Jeder Mensch im Norden hat 594 Tonnen CO2 Klimaschulden, im Süden haben die Menschen noch 3,7 Tonnen CO2 Klimakredit pro Kopf (2008). Die Zahlen stammen aus dem Ejolt-Report Ecological Debt vom Januar 2015.

Von einer ökologischen Schuld des Nordens gegenüber dem Süden spricht auch Pabst Franziskus in einem seiner letzten Tweets, die sich zur Zeit auf seine beinahe öko-revolutionären Enzyklika Laudato si' beziehen.

Und es ist mal wieder typisch factory, in der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise und dem sich abzeichnenden Drama innerhalb Europas ausgerechnet über Ressourcenschulden reden zu wollen. Wir haben das Kunstwort Ressourcenschulden kreiert, um die Debatte aus der monetären Verpflichtungszone zu den anderen Bedrohungen zu führen. Diese sind nicht weniger existenziell, aber sie werden in Zukunft Verursacher für weit umfangreichere Wirtschaftskrisen sein.

Dabei wollen wir nicht moralinsauer wirken. Aber es ist schon erstaunlich, dass die mit einer Naturentnahme, die über jegliches Erhaltungsmaß hinausgeht und Gemeingut unwiederbringlich zerstört, aufgenommenen Schulden nicht mit dem gleichen Furor behandelt werden wie in der Geldökonomie, die – nach der Entkopplung von Goldwerten – eigentlich nur aus Zahlen auf Papier oder in Computern besteht.

Die wirklich große Gefahr sind die Ressourcenschulden, für die es keinen Schuldenschnitt gibt. Sie verursachen die Kipppunkte bei Klima, Ozeanen, Boden, biologischer Vielfalt, Wasser, nach denen anschließend das menschliche Zusammenleben ganz anders aussehen wird – für die meisten wahrscheinlich grausamer und leidvoller, als wir uns das bereits jetzt angesichts der Flüchtlingsströme vorstellen können. Uns geht es um das vermeidbare Leid durch eine Begrenzung der Schuldenaufnahme in einer von Menschen bestimmten Welt, nicht um eine moralische Schuld gegenüber "Mutter Erde" oder die Beschwörung der Apokalypse. Steigende Meeresspiegel, Extremwetter, Hunger, Klima- und Ressourcenkonflikte werden die Zahl der Flüchtlinge, Kranken und Todesopfer weltweit dramatisch erhöhen. Diese und die gegenwärtigen Opfer ließen sich durch Anpassung weltweiten Handelns reduzieren. 

In dieser Ausgabe, die wir bewusst Schuld & Sühne  nach Dostojewski betitelt haben, zeigen wir, wie wir die Schuld- und Schuldenaufnahme verringern können. Bei den Ewigkeitslasten für Risikotechnologien können wir für mehr Sicherheit zu ihrer Bewältigung und Vermeidbarkeit sorgen, wie uns die Experten Wolfgang Irrek und Ortwin Renn bestätigen, mit einer Vereinbarungspraxis ausgehend von den maximal möglichen Schulden können wir das Wirtschaftssystem anpassen, ist nicht nur der Klimawissenschaftler Ottmar Edenhofer überzeugt, mit einem Sinn für das Risiko lässt sich der Umbau gemeinschaftlich finanzieren, erzählt die Expertin für nachhaltige Geldanlage Susanne Bergius, mit technischen Möglichkeiten können wir soziale Ungleichheiten ausgleichen wie Michael Kopatz am Beispiel Energiearmut berichtet und wiederum mit Zielvorgaben lassen sich problematische Stoffkreisläufe schließen, um die weitere Vermüllung der Weltmeere zu verhindern – das sind ein Teil unserer Beiträge. Daneben gibt im Magazin eine Fotostrecke über die Schönheit vergangenen Ressourcenverbrauchs: Halden im Ruhrgebiet.

Für factory steht dabei nicht die Schuldzuweisung im Vordergrund, sondern die Vermeidung weiterer Schuldenaufnahme. Getreu dem Motto der Ärzte: Es ist nicht Deine schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es wär nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt. (Die Ärzte, Deine Schuld, 3:35 min, Single-Hit aus dem Doppelalbum Geräusch von 2003).
Das factory-Magazin ist wie immer kostenlos und gut lesbar auf Bildschirmen und Tablet-Computern (Download Schuld & Sühne, 16 Megabyte). Einige Beiträge stehen auch online für Kommentare zur Verfügung.

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