Noch ist es nicht zu spät, dass die globale Erderwärmung auf durchschnittlich zwei Grad beschränkt werden kann und die Folgen absehbar bleiben. Voraussetzung: Die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden, um eine deutliche Minderung der Treibhausgasemissionen zu erreichen, jegliches Abwarten macht das Mögliche unmöglicher. Das ist das Credo des aktuellen IPCC-Berichts zu den politischen Handlungsmöglichkeiten zur Begrenzung des Klimawandels, der am Sonntag in Berlin vorgestellt wurde.
In einer Studie Klimaschutzszenario 2050 zeigt das Öko-Institut nun, dass dafür auch ambitionierte Zwischenziele notwendig sind, um die von der Bundesregierung im Energiekonzept gesteckten langfristigen Ziele zu erreichen. Konkret geht es um Ziele für die Jahre 2020 bis 2040. Deutlich wird, dass die bisherigen Zwischenziele verschärft werden müssten, um die notwendigen großen Treibhausgasminderungen von 90 Prozent und mehr sicher zu erreichen.
Besonders wichtig sei, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zügig mit denjenigen Maßnahmen zu beginnen, die möglichst schnell große Treibhausgasminderung bringen. Dazu gehören unter anderem eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz in allen Bereichen sowie die vollständige Dekarbonisierung des Stromsektors, also eine CO2-freie Stromproduktion. Auch müssten alle Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche – so auch Landwirtschaft, Verkehr, Gebäude, Industrie und Gewerbe – zum Erreichen der Klimaziele beitragen.
Die Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI entstand, schlägt auch eine Zeitschiene für die wichtigsten Maßnahmen zur CO2-Minderung vor:
1. Energieeffizienz zuerst
Die Effizienz beim Einsatz von Energie in allen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen weiterhin deutlich zu steigern, ist von zentraler Bedeutung für den Klimaschutz. Dabei müssen alle Sektoren ihren Beitrag leisten – konkret bedeutet das, dass beispielsweise Gewerbe, Handel und Dienstleistungssektor hocheffiziente LED-Beleuchtungen und Licht- sowie bewegungsabhängige Steuerungen einsetzen oder dass Industrieunternehmen eine Amortisationszeit von sieben Jahren oder länger für Investitionen in Effizienzmaßnahmen akzeptieren.
Besonders im Gebäudebereich muss der Energieeinsatz deutlich – bis 2050 um 80 Prozent – gesenkt werden. Dazu bedarf es Anstrengungen sowohl bei der Anzahl der zu sanierenden Gebäude als auch beim Umfang bzw. Ausmaß der jeweiligen Renovierung. Der verbleibende Gebäudeenergiebedarf muss künftig von erneuerbaren Energien gedeckt werden.
2. Mittelfristig: CO2-freie Stromproduktion
Die Dekarbonisierung des Stromsektors ist eine Herausforderung, die jedoch für den Klimaschutz unverzichtbar ist. Dies bedeutet, dass die Anlagen zur Erzeugung von regenerativem Strom – insbesondere aber Kapazitäten aus Wind und Sonnenenergie – fortlaufend ausgebaut werden müssen. Nur so kann bis 2050 der erneuerbare Anteil der Stromerzeugung auf über 90 Prozent steigen. Vor allem Windanlagen müssten zusätzlich zu den küstennahen Standorten perspektivisch auch im Binnenland ausgebaut werden.
Zusätzlich braucht es einen funktionierenden Emissionshandel mit CO2-preisen auf einem hohen Niveau, um die verbleibenden Emissionen aus fossilen Kraftwerken zu senken.
3. Mittelfristig: Beim Verkehr vieles anders
Auch der Verkehr muss bereits in den nächsten zehn bis 15 Jahren seine Emissionen deutlich vermindern. Wichtigste Maßnahmen neben der Steigerung der Fahrzeugeffizienz ist die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Dieser soll durch Steuerverschiebungen zu Gunsten des Schienenverkehrs erleichtert werden. Auch die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs muss weiter gesteigert werden, damit mehr Menschen das Auto gegen andere Verkehrsmittel eintauschen. Zusätzlich greift ein Bündel verschiedener Maßnahmen, um die Effizienz der Fahrzeuge weiter zu verbessern, darunter Leichtbau, hybride Antriebe, Rückgewinnung von Bremsenergie und Verbesserung der Aerodynamik im Straßengüterverkehr.
4. Zukunftsthemen: CCS, Biokraftstoffe, Wasserstofftechnologie, weitere Verhaltensänderungen
Damit die Emissionsreduktionen langfristig gelingen, müssen ab 2030 bzw. 2040 weitere Maßnahmen in den Sektoren Landwirtschaft, Gebäude, Industrie ergriffen werden. So kann die umstrittene CCS-Technologie zur Abscheidung und Speicherung von CO2 in geeigneten Lagerstätten für verbleibende Industrieemissionen genutzt werden. Innovationen auf Produktebene können zur weiteren Steigerung der Energieeffizienz beitragen.
Auch der Einsatz von Biomasse zur Energiegewinnung ist strittig, da nachhaltig erzeugte Biomasse nur begrenzt zur Verfügung steht. Biomasse sollte deshalb langfristig nur in den Sektoren eingesetzt werden, in denen wenig klimaneutrale Alternativen zur Verfügung stehen – also vor allem im Verkehrssektor und in Teilen der Industrie.
Neue Technologien, wie der Einsatz von Wasserstoff bspw. bei der Gewinnung von Wärmeenergie oder als Antriebsenergie für Fahrzeuge, müssen in den kommenden Jahrzehnten weiterentwickelt werden. Mit ihnen und weiteren Änderungen im Energie- und Umweltverhalten von Konsumentinnen und Konsumenten können die Klimaschutzziele bis zum Jahr 2050 erreicht werden.
Die Langfassung der Studie Klimaschutzszenario 2050 soll in Kürze folgen. Im Oktober vergangenen Jahres hatte schon das Umweltbundesamt ein Szenario für ein treibhausgasneutrales Deutschland bis 2050 vorgelegt. Darin erreicht das UBA eine 95-prozentige Minderung mit Maßnahmen, die sich auf bereits heute verfügbare Technologien stützen.