Wie lässt sich das Ziel eines nachhaltigen Wirtschaftens erreichen? Soll die Politik stärker eingreifen und steuern? Oder ist die Marktwirtschaft der beste Weg, wobei der Staat einen entsprechenden Rahmen setzt und sinnvolle Leitplanken einzieht? Kann man die krisenanfälligen Finanzmärkte durch höhere Eigenkapitalquoten der Banken stabilisieren? Soll Deutschland eine Pionierrolle beim Klimaschutz übernehmen? Soll man zur Stabilisierung der Sozialversicherung auf lange Sicht das Renteneintrittsalter weiter erhöhen? Diese und andere Aspekte von Nachhaltigkeitsstrategien können Interessierte am Montag, 11. März 2013, nach der Sitzung der Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität mit fünf Mitgliedern des Gremiums bei einem Internet-Chat diskutieren. Zwischen 16.30 und 17.30 Uhr sind die Parlamentarier Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU), Edelgard Bulmahn (SPD), Judith Skudelny (FDP) und Dr. Thomas Gambke (Bündnis 90/Die Grünen) sowie der von der Linken benannte Sachverständige Dr. Norbert Reuter unter www.bundestag.de/chat erreichbar.
Abschlussbericht der Projektgruppe 4
Zuvor trifft sich die Kommission unter Vorsitz von Daniela Kolbe (SPD) von 13.15 Uhr an im Saal E 700 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin, um über den Abschlussbericht der Projektgruppe 4 zu debattieren und abzustimmen, die sich unter Bulmahns Leitung mit der Erarbeitung von Konzepten für eine "nachhaltig gestaltende Ordnungspolitik" befasst hat. Zudem soll ein Papier über die "Ideengeschichte des Fortschritts" verabschiedet werden. Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen. Die 17 Abgeordneten und 17 Wissenschaftler haben den Auftrag, das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt als Messgröße für Lebensqualität weiterzuentwickeln und etwa um ökologische, soziale und kulturelle Kriterien zu ergänzen. Letztlich soll die Arbeit des Gremiums in die Definition dessen münden, was als nachhaltiges Wirtschaften und qualitatives Wachstum gelten kann.
Ordnungspolitischer Instrumentenkasten
Ein wesentliches Element ist beispielsweise die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs. Aufgabe der Projektgruppe 4 ist es, Instrumente zu benennen, mit deren Hilfe das Ziel der Nachhaltigkeit etwa in der Ökologie oder in der Finanzwelt erreicht werden kann. Gesucht ist ein "ordnungspolitischer Instrumentenkasten". Der Bericht von Bulmahns Team soll auf fünf Themenfelder näher eingehen: auf Ordnungspolitik im engeren Sinne, die Finanzpolitik, die Finanzmärkte, die Klimapolitik und die Chemiebranche. Grundlegende Meinungsverschiedenheiten
Im Vorfeld des Treffens am 11. März zeichnen sich beim Thema Ordnungspolitik zwischen Koalition und Opposition grundlegende Meinungsverschiedenheiten ab – weshalb es bei diesem Kapitel zu einer konträren Abstimmung kommen dürfte. Im Kern geht es dabei um den Konflikt Markt versus Staat. Zwar vertritt niemand die These, dass der Markt allein schon alles regeln werde. Auf der anderen Seite hat niemand eine staatliche Planwirtschaft im Sinn, die alles bis ins letzte Detail reglementiert. In der Kommission ist indes erkennbar, dass Union und FDP ordnungspolitischen Eingriffen in die Wirtschaft eher skeptisch gegenüberstehen. Die Koalition setzt vielmehr auf die Marktwirtschaft, sofern eine adäquate Rahmensetzung die Richtung hin zur Nachhaltigkeit weist. SPD, Linke und Grüne hingegen plädieren für eine stärkere Steuerung des Wirtschaftsgeschehens durch die Politik mit dem Ziel einer "sozialökologischen Transformation". Sondervoten zu erwarten
Biologisch abbaubare Kunststoffe
Ähnlich wie schon in der Projektgruppe 3 bei der Senkung des Ressourcenverbrauchs wird in der Projektgruppe 4 im Blick auf die Verminderung des Ausstoßes von Treibhausgasen die Frage diskutiert, ob Fortschritte auf globaler Ebene durch eine Vorreiterrolle Deutschlands bewirkt werden können – oder ob man vor allem auf internationale Vereinbarungen setzen soll. Wenig Streit dürfte beim Kapitel zur Chemiebranche zu erwarten sein. Im Sinne der Förderung von Nachhaltigkeit in diesem Sektor geht es unter anderem um die Herstellung biologisch abbaubarer Kunststoffe, um einen vermehrten Einsatz von Biomasse und eine forcierte Abkehr von Kohlenstoffen als Ressourcenbasis, um den Ausbau der Kreislaufwirtschaft mit einer Erhöhung der Recyclingquoten und um die konzentrierte Ansiedlung von Chemiefirmen in Chemieparks zur Förderung der Kooperation.
Ideengeschichte des Fortschritts
Teil des Abschlussberichts der Kommission soll ein Papier über die "Ideengeschichte des Fortschritts" werden, das auf einer Initiative des stellvertretenden Gremiumsvorsitzenden Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) und des von der SPD benannten Sachverständigen Michael Müller fußt. Diese auch kontrovers diskutierten Thesen kreisen im Kern um den historischen Wandel des Wachstumsbegriffs. Wurde über Jahrhunderte Fortschritt mit Wachstum gleichgesetzt und galt die Steigerung der Wirtschaftsleistung als Voraussetzung für Freiheit und Wohlstand, so wird angesichts der mit dem Wachstum einhergehenden Umweltbelastung wie etwa dem Klimawandel dieses Verständnis von Fortschritt inzwischen kritisch hinterfragt. In diesen Diskussionen hat sich die Nachhaltigkeit als neues Leitbild herauskristallisiert.