Für die einen ist es zuviel, für die anderen zu wenig. Die Steuerschätzungen des Finanzministeriums sind immer ein Politikum. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wehrt gleich bei der Vorstellung der Frühjahrssteuerschätzung jegliche Ansprüche ab. Man sei auf einem soliden Weg, sagte er, für Steuersenkungen oder etwaige höhere Mittelverteilungen sei es zu früh.
Während der Bund der Steuerzahler in gewohnter Weise für eine Reduzierung der Steuer- und Abgabenlast plädiert und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags fordert – schließlich empfänden laut seiner Umfrage 81 Prozent der Bürger_innen die Belastung als zu hoch – wünschen sich andere einen grundsätzlich anderen Umgang mit Steuern. Sie sollen nachhaltig werden, um damit tatsächlich einen nachhaltigen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft anzustoßen. Wichtigster Akteur für diesen Wandel: die Politik.
Die Zeit sei reif für eine nachhaltige Umschichtung aktueller Steuern, kommentiert Björn Klusmann, Geschäftsführer des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Nicht länger dürfe finanziell bestraft werden, wer sich umweltfreundlich verhalte. Die komfortable Ausgangslage erlaube es der Bundesregierung, endlich grundsätzliche steuerpolitische Notwendigkeiten anzugehen. "Wann sollte der Schritt zu einer zukunftsfähigen Steuerreform vollzogen werden, wenn nicht gerade jetzt?"
Dem FÖS geht es dabei nicht um mehr Steuereinnahmen, sondern um mehr richtige Anreize für nachhaltiges Verhalten. Wer also als Steuerzahler ein umweltfreundliches Verkehrsmittel wählt oder wer ökologisch angebaute regionale Lebensmittel kauft, könnte dafür mit geringeren Mehrwertsteuersätzen belohnt werden – nicht ökologisches Kaufverhalten bliebe gleich oder würde im Unterschied höher besteuert, weil auch die Kosten für die Anpassung an den Klimawandel höher werden. Besonders sind es aber die großen Ungerechtigkeiten, die den FÖS stören. So kamen 2014 nur 4,9 Prozent der Steuereinnahmen des Staates aus Umweltbelastungsabgaben und 12,4 Prozent aus Kapitalbesitz, dafür wurde der Faktor Arbeit mit 63,4 Prozent am höchsten besteuert.
Umweltsünder würden ohnehin von der Inflation profitieren, denn sie sorge dafür, dass Umweltverschmutzung immer geringer besteuert wird. Seit der letzten Ökosteuerstufe 2003 habe der Staatshaushalt real über 40 Milliarden Euro verloren hat, rechnet Klusmann vor. "Dieses Geld könnte der Staat zukunftsweisend in soziale und ökologische Zwecke investieren oder die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler an anderer Stelle entlasten."
Laut FÖS würde eine ökologisch-soziale Steuer- und Finanzreform bei seiner Umsetzung mittelfristig ein Aufkommen von jährlich rund 50 Milliarden Euro einbringen. Hierzu würden bestehende Umweltsteuern und –abgaben erhöht, weitere Steuern wie die Grundsteuer nach Umweltkriterien ausgestaltet und umweltschädliche Subventionen abgebaut. Mit der Hälfte des zusätzlichen Aufkommens sollen die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt werden. Die andere Hälfte steht zur Schuldentilgung (nachhaltige Haushaltspo- litik), für die Aufstockung klimaschutzorientierter Förderprogramme sowie für eine soziale Flankierung zur Verfügung. Der Anteil der umweltbezogenen Steuern würde von 4,2 auf 7,8 % ansteigen. Die Veränderung wäre damit doppelt so stark wie bei der ersten Ökosteuer-Reform von 1999 bis 2003, mit der die Energiesteuern erhöht und die Stromsteuer eingeführt wurde, um gleichzeitig die Rentenbeiträge zu senken. Dadurch wurde über mehrere Jahre hinweg weniger und sparsamer Auto gefahren und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit bekämpft. Später kamen weitere ökologische Elemente wie die Lkw-Maut 2005 und 2011 die Luftverkehrssteuer hinzu. Zeit für eine Erweiterung bzw. Verstärkung wäre es also.
Ein nachhaltiges Steuern mit Steuern wünscht sich auch Sabine Braun vom nachhaltigen Unternehmer_innenverband future – verantwortung unternehmen e.V. Sie plädiert für mehr Steuergerechtigkeit für eine nachhaltige Entwicklung und hat dabei auch Europa im Blick. Es könne nicht sein, dass multinationale Konzerne durch Steuerverlagerung so gut wie nichts an den Staat abführen und ein europäisches Land wie Luxemburg großen Unternehmen Vermeidungskonstruktionen mit Steuersätzen von bisweilen weniger als einem Prozent bietet, während Mittelstand und Handwerk fleißig Abgaben und Steuern zahlen. Steuergerechtigkeit müsse deshalb ein Thema werden, das selbstverständlich zum Kanon der Nachhaltigkeitsanforderungen gehöre. Steuergerechtigkeit könne außerdem dazu beitragen, dass der Anteil derjenigen, die Regierung, Wirtschaft und Medien Vertrauen entgegenbringen, wieder steigt. Beim Vertrauensbarometer 2014 von Edelman fiel dieser in Deutschland auf unter 50 Prozent. Das belegr den Zweifel der Menschen an einer guten und gerechten Entwicklung, so Braun.
Quellen: Bund der Steuerzahler, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, future – verantwortung unternehmen e.V.
Bild: Mark Wiewel, Flickr.com