Dirk Messner ist sicher, dass der Wandel in der Wirtschaft eingeleitet ist. „Die Deutungshoheit über die Zukunft haben jetzt die klimaschutzorientierten Unternehmen," sagt der Ko-Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) im factory-Interview. Ausgerechnet die Wirtschaft, deren Verbände und Vertreter sich gegen Einsicht und Rahmensetzungen jahrzehntelang gewehrt haben? "Das Zukunftsmodell des Weltenergiesystems ist erneuerbar, die fossilen Investitionen sind auf dem Rückzug. Da hat sich ein sehr radikaler Wandel vollzogen", meint der Professor und Leiter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik in Bonn optimistisch. "Weltweit wird seit 2012 die Mehrzahl der Neuinvestitionen im erneuerbaren Energiebereich getätigt." Für ihn sind Wirtschaft und damit Unternehmen die wichtigsten von fünf Akteuren, die die in Paris vereinbarte Begrenzung der Erderwärmung vorantreiben werden.
Neben den Staaten, die national und international die notwendigen Ordnungspolitiken für eine sukzessive Dekarbobisierung installieren müssen, sind laut Messner fünf Akteursgruppen als Handelnde der globalen Transformation relevant: Das sind die klimaschutzorientierten Unternehmen, die divestmentaktive Finanzwirtschaft, die Städte, die Nichtregierungsorganisationen und die Wissenschaft. Natürlich würden Unternehmen, die "noch nicht auf der Spur sind", versuchen, von der Regierung Zeit für den Umbau zu kaufen. "Aber dass sich die Weichenstellung in Richtung klimaverträgliches Wirtschaften vollziehen muss, darüber gibt es weltweit große Einigkeit." Messner, der auch Mitglied einer Beratungskommission der chinesischen Regierung ist, sieht China als Vorreiter in Sachen Klimaschutz, weil es so "verwundbar gegenüber Umweltveränderungen" ist und zudem die nötigen Finanzierungsreserven hat. Im Interview skizziert er die innen- und außenpolitischen Treiber für die chinesische Führungsrolle. Die USA und China sind für Messner die wichtigsten Wettbewerber Deutschlands, wenn es um Effizienztechnologien und erneuerbare Energieinfrastruktur geht.
Im weiteren Online-Teil des Interviews geht Messner zudem auf die Rolle der Entwicklungsländer, den weltweiten Bau von klimaangepassten Städten und die Bedeutung des Klimaschutzes für die Migration ein – und wie sich Klimaschutz in internationalen Handelsverträgen als wirkungsvolles Umsetzungsinstrument eignen könnte.
Handeln mit all seinen Aspekten und Variationen ist das Thema dieses neuen factory-Magazins. Da geht es ums Verhandeln zum Handeln, ethisches Handeln und den Handel mit Algorithmen, Waren und Werten. factory untersucht, mit welchen Instrumenten Staaten und Institution zum "richtigen" Handeln anregen und ob das globale Big-Data-Geschäftsmodell von Google, Facebook und Co. nicht sogar zu einem eher sozial-ökologischen Wirtschaftswandel führen wird. Wie internationale Handelsabkommen die Nachhaltigkeit fördern können ist ebenso Thema wie dass der Einzelhandel im Zeitalter der Digitalsierung zu einer kleinen Renaissance der regionalen Versorgung kommt. Die Fotoreportage im Magazin erzählt mit Bildern von ehrenamtlich Engagierten über das sogenannte selbstlose Handeln, das so selbstlos nicht ist, weil ohne es Menschen und Gesellschaften gar nicht existieren könnten.
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