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Kohleausstieg hat nur geringe Auswirkungen auf Arbeitsplätze

Die Sorge um Arbeitsplätze spielt in der politischen Debatte um den klimaschützenden Kohleausstieg beinahe die größte Rolle – anders als in der Bevölkerung, selbst in den betroffenen Regionen. Jetzt zeigt eine Studie, dass der anstehende Strukturwandel weitgehend entlang der natürlichen Altersgrenzen ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen wird.

Die gegenwärtige globale Hitzewelle macht es auch den letzten Zweiflern klar, dass die Nutzung von Kohle für die Strom- und Wärmeerzeugung in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen muss. Die Debatte um die Besetzung der Kohleausstiegskommission in den vergangenen Monaten zeigte aber wieder deutlich, dass der Schutz von Arbeitsplätzen vielen hinzugeladenen Mitgliedern der Kommission wichtiger als der Klimaschutz ist.

Dabei hat der Kohleausstieg weit weniger Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie als befürchtet, wie eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigt. Demnach sind, selbst wenn die Förderung von Braunkohle bis zum Jahr 2030 zugunsten der Klimaziele der Bundesregierung stärker zurückgeht, kaum betriebsbedingte Kündigungen nötig. Im Falle des Kohleausstiegs würden ohnehin bis 2030 insgesamt nur noch 8.000 Beschäftigte in der Förderung von Braunkohle und der Stromerzeugung arbeiten – ohne Ausstieg 14.500 (von 20.800 im Jahr 2015). Der bevorstehende Strukturwandel verläuft vor allem im Braunkohlebergbau entlang der natürlichen Altersgrenzen, denn mehr als 50 Prozent der gegenwärtig Beschäftigten sind über 50 Jahre alt. Bis zum Jahr 2030 gehen demzufolge fast zwei Drittel der Beschäftigten in den Ruhestand. Zudem schafft die Rekultivierung der Tagebaue weitere Arbeitsplätze für die Übergangszeit.

Kohleausstieg selbst in Braunkohleregionen gewünscht

Arbeitsplätze sind von jeher in der Bundesrepublik das Argument für die Verzögerung ökologisch notwendiger Transformationen. Dennoch: in sämtlichen Umfragen seit 2013 will eine deutliche Mehrheit der deutschen Bevölkerung den Kohleausstieg. In der letzten Umfrage vom Januar 2018 im Auftrag von Greenpeace, wurden neben 2000 Menschen bundesweit auch 1000 Menschen im Rheinland und in der Lausitz zur sozialen Akzeptanz befragt. Insgesamt ist den Befragten ein früher Ausstieg wichtiger als die Kosten oder die Frage der Arbeitsplätze. Ein möglichst schneller Ausstieg bis 2025 findet eine höhere Zustimmung (67 Prozent) als ein langfristiger Ausstieg bis 2040 (62 Prozent).

Selbst in den Kohlerevieren gab es für ein Kohleausstiegsgesetz eine Mehrheit: Im Rheinland befürworten 64 Prozent ein solches Gesetz, auch in der Lausitz bejahten mit 43 Prozent mehr Menschen den Kohleausstieg als ihn ablehnen (36 Prozent).

Strukturwandel der Braunkohlenindustrie findet statt

Ohnehin nimmt die Zahl der Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie ab: 1990 arbeiteten allein im Braunkohlebergbau in Deutschland 100.000 Personen. Infolge der Deutschen Einheit gingen diese Zahlen innerhalb von zehn Jahren auf etwa 21.000 Beschäftigte zurück. Seit 2000 sanken die Beschäftigungszahlen um weitere 30 Prozent, obwohl die Braunkohleförderung etwa konstant blieb. Ende 2015 arbeiteten rund 15.400 Menschen im Braunkohlebergbau und weitere 5.400 Personen in den Braunkohlekraftwerken – insgesamt betrug die Anzahl der Beschäftigten in der Braunkohlenindustrie etwa 20.800. Mehr als die Hälfte von ihnen sind über 50 Jahre alt. 

Auswirkungen auf Strukturwandel in zwei Szenarien

Die Berechnungen des Öko-Institut im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigen: Bereits die heute beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung führen dazu, dass die Anzahl der Arbeitsplätze in der Braunkohlenindustrie zurückgeht. Denn als erstes werden vor allem ältere Kraftwerke, in denen mehr Fachpersonal benötigt wird, stillgelegt. Demnach sinken die Beschäftigtenzahlen bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent auf etwa 14.500. 

Der Klimaschutzplan der Bundesregierung strebt an, dass die CO2-Emissionen im Stromsektor bis zum Jahr 2030 um rund 62 Prozent gegenüber 1990 sinken sollen. Um diese Ziele zu erreichen, muss nach Auswertungen des Öko-Instituts die installierte Leistung der Braunkohlekraftwerke von rund 21 Gigawatt im Jahr 2015 auf neun Gigawatt im Jahr 2030 zurückgehen. In diesem Szenario arbeiten dann im 2030 noch rund 8.000 Personen in der Braunkohlenindustrie.

„Die Zahlen zeigen, dass die Altersstruktur der Beschäftigten in der Braunkohleindustrie den Klimaschutzplänen Deutschlands entgegenkommt“, fasst Studienleiter Hauke Hermann zusammen. „Die Gefahr zahlloser Kündigungen ist sehr gering. Vielmehr kann der Strukturwandel in den Braunkohlerevieren mit der Ansiedlung neuer, zukunftsfähiger Unternehmen gestaltet werden.“

Wie das gelingen kann, zeigen auch Beiträge im factory-Magazin Divestment und im factory-Magazin Besser bauen, wo es die Perspektivbildung im Rheinischen Braunkohlerevier mit dem Faktor-X-Konzept des geringeren Ressourceneinsatzes bereits begonnen hat.

Bild: Tabelle 5 aus der Studie „Beschäftigungsentwicklung in der Braunkohlenindustrie: Status quo und Projektion bis 2030“ von Umweltbundesamt und Öko-Institut.

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