Neu zu bauen, muss keine Sünde sein – wenn der Aufwand für Rohstoffe und Energie um den Faktor X geringer ist, als beim konventionellen Bau und Betrieb. Denn in Zeiten des Klimawandels stehen alle Zeichen auf Einsparung von Emissionen, sowohl beim Bau als auch bei der Nutzung. Sind weniger Rohstoffe und Energie für die Gewinnung, Produktion und Transport von Baustoffen nötig, reduziert sich der Materialaufwand insgesamt; sparen Konstruktion und Stoffe Ressourcen, verbessern sich auch die Emissionsbilanzen – und der Schutz von Umwelt,Natur und Klima.
Tatsächlich ist der Bausektor sogar der mit Abstand ressourcenintensivste und klimaschädlichste Wirtschaftszweig: Er benötigt in Deutschland einen Großteil aller Rohstoffe, jährlich 477 Millionen Tonnen. Da vorwiegend mit mineralischen Stoffen gebaut wird, ist der Ressourcenaufwand für Gewinnung und Verarbeitung hoch. Auch die CO2-Emissionen des Bau- und Gebäudesektors liegen weltweit bei 40 Prozent. Der Energieverbrauch und damit der CO2-Ausstoß während der Nutzungsdauer von Neubauten lässt sich aber bauseitig kaum noch verbessern. Im Gegenteil: Der Aufwand für viele Materialien ist höher als die dadurch bedingten Einsparungen während der gesamten Lebensdauer. Nachfolgenden Generationen entstehen zudem weitere Probleme, weil die Recyclingfähigkeit vieler Materialien gering ist.
Gerade weil der Bausektor so ressourcenintensiv ist, muss er für die Erreichung der Klimaziele seinen Material- und Energieeinsatz deutlich reduzieren – er muss wesentlich ressourceneffizienter werden. Der Schlüssel dazu ist das Faktor-X-Prinzip, das der Leiter der gleichnamigen Faktor-X-Agentur Klaus Dosch entwickelt hat: Benötigt man 50 Prozent weniger Rohstoffe für Bau und Betrieb, verbessert man die Ressourcen- und Emissionsbilanz um den Faktor 2, verbraucht man nur noch ein Viertel der bisherigen, erreicht man Faktor 4 – kann also vier statt ein Gebäude mit dem gleichen Aufwand errichten. Der ökologische Rucksack ist umso kleiner, je größer der Faktor X ist.
Dass das Ganze funktioniert, zeigen inzwischen eine ganze Reihe von Faktor-X-Häusern, -Siedlungen und -Projekten. Im Rheinischen Revier in Inden ist mit dem Seeviertel die erste Faktor-2-Siedlung entstanden, das Bürogebäude der Faktor-X-Agentur kommt sogar auf den Faktor 4. Auch die zweite Neubau-Siedlung in Inden, “Lützeler Hof“, setzt auf den Faktor X. In Eschweiler gibt es ebenfalls bereits zwei neue Faktor-X-Siedlungen, in Langerwehe kommt die Neue Töpfersiedlung hinzu. Die 2017 gegründete Faktor X Agentur der Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH berät Kommunen, Fachleute und Bauleute in allen Fragen zu Ressourceneffizienz beim Bauen – nicht nur im Revier.
Der Gewinn für Klima und Umwelt ist dabei erheblich: Gegenüber einem konventionellen Einfamilienhaus nach KfW 55-Energiestandard in Massivbauweise mit Gasheizung kommen die gleichwertigen Häuser in den Faktor-X-Siedlungen mit leichter Massivbauweise oder Holzkonstruktionen bereits auf den Faktor 2 der Ressourceneinsparung. Maximieren lässt sich diese weiter durch Holzleichtbau, Streifenfundamente, zweischalige Hülle mit Zellulosedämmng und Holzvorhangfassade sowie entsprechendem Nachnutzungspotenzial.
Im Vergleich liegt der realisierte Ressourcenverbrauch für ein Faktor-2-Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche durchschnittlich bei rund 310 Megawattstunden (MWh) nicht erneuerbarer Primärenergie, das konventionelle Faktor-1-Haus dagegen bei 753 MWh – über die übliche angenommene Lebensdauer von 50 Jahren. Die Ersparnis entspricht dem Stromverbrauch einer dreiköpfigen Familie in 123 Jahren. Beim Global Warming Potential, dem die Erderwärmung treibenden CO2-Ausstoß, sieht es ähnlich aus: Ein Faktor-2-Haus ist mit 77 Tonnen deutlich weniger klimaschädlich als ein konventionelles mit 188 Tonnen. Holzkonstruktionen können sogar eine positive Klimabilanz besitzen, weil sie CO2 speichern – ein wichtiger Beitrag für die Begrenzung der Erderwärmung. So entzieht das Faktor-4-Bürohaus der Atmosphäre 53 Tonnen CO2. Die Massenbilanz: Der Ressourcenbedarf an nicht nachwachsenden Stoffen liegt beim Faktor-2-Haus mit 470 Tonnen bei weniger als 50 Prozent des Faktor-1-Hauses mit 1.005 Tonnen.
Faktor-X-Häuser und -Siedlungen müssen dabei nicht teurer als konventionelle sein – möglichst langlebige, ökologische Baustoffe und die Konstruktion sind entscheidend. Gestalterisch gibt es weiterhin alle Freiheiten. Kommunen können mit Faktor-X- gegenüber konventionellen Neubau-Siedlungen ihre Klimabilanz deutlich verbessern, hinzu kommt der lokale und überregionale Image-Gewinn. Private und gewerbliche Interessierte profitieren ebenfalls von der um den Faktor-X besseren Klima- und Umweltbilanz – nicht nur für das eigene Gewissen. Für zukünftige Generationen bauen sie besser und bewusster als die bisherigen.
Weniger Material für den Bau von Gebäuden einzusetzen, ist effektiver Klimaschutz. Faktor X-Neubauten, ob Ein- oder Mehrfamilien, Gewerbe- oder öffentliche Bauten, verbrauchen um den Faktor X weniger Ressourcen als ein konventionelles Vergleichsgebäude. Damit bauen Kommunen, Investoren und Planer so ressourcenschonend wie derzeit möglich.
Die Faktor-X-Agentur berät sowohl bei kommunalen wie privaten Bauvorhaben, wie sich Ressourcen- und Klimaschonung planen und umsetzen lässt. Sie initiiert und begleitet verschiedene Projekte zum ressourceneffizienten Bauen und hält fachliche Expertise für Baufachleute bereit. Mit dem Klima- und Ressourcenschutztool KuRT steht z. B. ein kostenloses Online-Tool zur Ermittlung des gesamten Ressourcenbedarfs von Gebäuden zur Verfügung.
Mehr zum ressourceneffizienten Bauen lesen Sie auch im factory-Magazin Besser bauen, das reich illustriert zum Download zur Verfügung steht. Einige Beiträge daraus sind auch im Themenbereich online und können dort kommentiert werden.