Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts, das ist das Ziel der Welt, um die Erderhitzung möglichst auf maximal zwei, besser 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Das gilt auch für den Gebäudesektor. Allerdings wird auch der Ressourcenverbrauch für immer mehr aufwändigere Dämmung besonders beim Neubau immer größer. Um die bisher verbauten Ressourcen möglichst nicht zu verlieren, ist Bauen im Bestand, also Sanierung, Aufstockung etc. die schonendste Lösung.
Die Europäische Union (EU) hatte sich mit der Reform der Gebäuderichtlinie Ende 2023 (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) auf strengere Vorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden geeinigt.
Die zuvor diskutierte Sanierungspflicht über Mindest-Energiestandards (MEPS) für die energetische schlechtesten Gebäude (Worst Performing Building - WPB) wird es nur für Nichtwohngebäude geben.
Länder müssen Energieverbrauch in Bestandsgebäuden erheblich senken
Geeinigt hat man sich auf eine Regelung, die es den Mitgliedsstaaten überlässt, wie sie die neuen Vorgaben zur Verbrauchsreduktion im Gebäudesektor erfüllt werden sollen.
Die Mitgliedsstaaten sollen den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch des gesamten Wohngebäudebestands schrittweise reduzieren – bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent. Wie sie dies erreichen, bleibt ihnen freigestellt.
Die energetisch schlechtesten Wohngebäude (WPB) sollen allerdings mindestens 55 Prozent der erforderlichen Energieeinsparung liefern. Ausnahmen für Baudenkmale und bestimme Gebäudetypen sind möglich.
Die Richtlinie schreibt vor, dass die Länder "spezifische Maßnahmen für die vollständige Einstellung der Nutzung mit fossilen Brennstoffen betriebener Heizkessel bis 2040 festlegen".
Fossil heizen bis 2040 beenden
Eine Förderung fossiler Heizungen soll nur noch bis 2025 möglich sein. In Deutschland ist die Förderung bereits beendet. Das nach dem zunächst unzureichend designten und kommunizierten Wärmepumpen-Subventionsprogramm ("Habecks Heizhammer") unter rechtspopulistischem Druck überarbeitete Gebäudeenergiegesetz (GEG) regelt nun, dass das Heizen mit fossilen Energieträgern sogar bis 2044 möglich ist.
Während Neubauten ab 2030 ausschließlich "Zero-Emission-Buildings" ohne Emissionen aus fossilen Brennstoffen sein dürfen, die Wärmepumpe dort Standard ist und es mit dem Faktor-X-Standard auch genügend Möglichkeiten gibt, den Ressourcenbedarf schon beim Bau um den Faktor 2 bis X zu reduzieren, ist die Emissionswende im Gebäudebestand anspruchsvoll.
Reduktionsbedarf in Deutschland erheblich
Laut dem "dena-Gebäudereport 2024" dominieren im Bestand die fossilen Energien. Fast 80 Prozent fallen hier auf die Energieträger Gas und Öl. Von den rund 19,5 Millionen Wohngebäuden, zu denen derzeit jährlich nur rund 100.000 Neubauten hinzukommen, sind etwa 13 Millionen Einfamilien-, 3,2 Millionen Zweifamilien- und 3,3 Millionen Mehrfamilienhäuser. Letztere stellen mit fast 50 Prozent die meisten der knapp 43,3 Millionen Wohneinheiten.
Fast 60 Prozent aller Wohngebäude sind vor der Ersten Wärmeschutzverordnung 1978 errichtet worden, der Sanierungsaufwand, um bis 2035 20 bis 22 Prozent weniger Primärenergieverbrauch zu erreichen, ist also erheblich.
Die aufgeheizte Debatte um die "Wärmewende" hat gezeigt, wie wichtig die faktenbasierte Information und Kommunikation und Beratung ist, um Immobilienbesitzer*innen nicht mit dieser Aufgabe zu überfordern.
Sanierungen erleichtern durch Kooperation
Die überarbeitete EU-Richtlinie fordert die Mitgliedstaaten unter anderem auf, zentrale Anlaufstellen für energetische Gebäudesanierungen zu schaffen. Wissenschaftler*innen des Wuppertal Instituts haben sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren im Rahmen des EU-geförderten Projekts ProRetro schon im Vorfeld der Einigungen der EU mit der Frage beschäftigt, wie Sanierungen mithilfe von sogenannten One-Stop-Shops deutlich einfacher und zeitsparender werden.
Die hier gemeinten One-Stop-Shops sind nicht zu verwechseln mit der ebenso genannten EU-Steuerregelung zur Umsatzsteuerabführung von Unternehmen.
Die ProRetro-Shops dienen als zentrale Anlaufstellen für energetische Gebäudesanierung und übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben, die sich bei einer energetischen Sanierung ergeben. Sie begleiten Immobilien-Eigentümer*innen durch den gesamten Sanierungsprozess, wodurch sich der oftmals komplexe Prozess mit seinen vielen Einzelschritten und Wechselwirkungen zwischen diesen vereinfachen lässt.
Eigentümer*innen erhalten so beispielsweise bei Energieberatung, Finanzierung und Fördermitteln, Beauftragung verschiedener Gewerke und bei der Koordination der Arbeitsschritte Unterstützung.
Und auch Handwerksbetriebe oder Planer*innen profitieren von One-Stop-Shops: Sie sparen Zeit für Beratung und Akquise, wenn sie bereits auf informierte und entschiedene Kund*innen treffen.
Erfolgreiche One-Stop-Shops
Ähnliche Initiativen zur Unterstützung gibt es bereits in einigen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Schweden, Frankreich, Großbritannien und Irland, zeigt die ProRetro-Website.
In Deutschland hemmt das Bedürfnis nach Unabhängigkeit bei vielen Handwerksunternehmen oft die Zusammenarbeit als Arbeitsgemeinschaft. Obwohl sich gerade mit ihr auch viele Ressourcen- und damit Kosteneinsparungsmöglichkeiten ergeben, wie das factory-Magazin “Wir müssen reden” zeigt. Ein gutes Beispiel, wie eine solche Gewerke-Gemeinschaft gelingen kann, ist die Raumfabrik Wuppertal, die folgerichtig auch am ProRetro-Projekt teilnahm.
In fünf Städten und Regionen Deutschlands wurden One-Stop-Shops umgesetzt und erprobt:
– In Berlin konzentrierte sich das Angebot des One-Stop-Shops insbesondere auf Wohnungseigentümergemeinschaften. Zu den angebotenen Dienstleistungen zählte die Teilnahme an Eigentümer*innen-Versammlungen, um die Entscheidungsfindung hinsichtlich energetischer Sanierungsmaßnahmen und deren Umsetzung zu unterstützen.
– Auch das One-Stop-Shop-Angebot der Energieagentur Kreis Böblingen wandte sich an Wohnungseigentümergemeinschaften im Landkreis. Sie wurden beim Sanierungsprozess begleitet und unterstützt; zudem wurde eine Datenbank von Handwerksunternehmen im Landkreis aufgebaut, in der sich schneller geeignete Unternehmen für die Umsetzung der gewünschten Maßnahmen finden lassen.
– In Bottrop wurde eine erweiterte Beratung angeboten, die zu verschiedenen Zeitpunkten im Sanierungsprozess in Anspruch genommen werden kann.
– In der Region Hannover entstand der One-Stop-Shop in Kooperation mit dem Netzwerk Modernisierungspartner, in dem sich zahlreiche Anbietende aus dem Feld der energetischen Gebäudesanierung zusammengeschlossen haben und dadurch umfassende energetische Sanierungen umsetzen können.
– Die Raumfabrik aus Wuppertal vereint Handwerksunternehmen verschiedener Gewerke. Dank ProRetro können nun energetische Aspekte in allen ihren Sanierungsvorhaben stärker berücksichtigt werden – auch die Energieberatung ist inzwischen Bestandteil vieler Ersttermine.
Politik sollte Anlaufstellen fördern
„Das Projekt hat bestätigt: One-Stop-Shops sind entscheidend dafür, die vielfältigen praktischen Hemmnisse zu überwinden, denen Gebäude-Eigentümer*innen und andere Akteursgruppen bei der energetischen Renovierung gegenüberstehen", sagt Dr. Stefan Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut. "Daher empfehlen wir der Bundesregierung dringend, die Einrichtung derartiger One-Stop-Shops in Deutschland zu fördern.”
Zumal das Projekt offenbar gezeigt hat, dass die Bereitschaft der Immobilienbesitzer*innen für die Leistung der Shops einen höheren Anteil als drei bis zehn Prozent der Investsumme zu tragen gering ist.
Zu den Empfehlungen an die Politik aus ProRetro zählt unter anderem die Entwicklung eines bundesweit einheitlichen digitalen Tools zu unterstützen, welches die Arbeit von One-Stop-Shops erleichtert.
Ein solches digitale Tool könnte beispielsweise die Sammlung von Daten zu den zu sanierenden Gebäude unterstützen, als Online-Marktplatz für Sanierungsvorhaben dienen oder erfolgreich umgesetzte Sanierungen in einer Art Bibliothek von Beispielen guter Praxis präsentieren.
Außerdem sollte die Politik ermutigt werden, One-Stop-Shops als geeignetes Instrument zu nutzen, um Förderangebote effektiver zu machen. So können One-Stop-Shops die Antragstellung für die Bürger*innen übernehmen, zugleich aber über ihre Aktivitäten auch die Bekanntheit und Nutzung bestehender Förderangebote verbessern, empfehlen die Autor*innen.
Mehr zum Thema ressourcenschonendes Sanieren, Bauen und Wohnen im factory-Magazin “Besser bauen” und im gleichnamigen Themenbereich. Zur Kooperationen von Unternehmen zur gemeinsamen Ressourceneinsparung gibt es einen Beitrag im factory-Magazin “Wir müssen reden”.