In ihrem Zwischenruf für die Stiftung Denkwerk Zukunft unter dem Titel "Wie viel Glück darf es sein? Oder: Wer über Glück spricht, darf vom Unglück nicht schweigen" schreibt sie:
Die Glücksforscher überschlagen sich schier: Auf einmal ist überall davon die Rede, dass man wissen müsse, was Menschen wirklich glücklich macht, in welchen Ländern sie am glücklichsten sind und warum. Mehrere Regierungen haben sich auf den Weg gemacht, bessere Indikatoren für den Wohlstand ihres Volkes zu finden als nur das Bruttosozialprodukt.
Ich werde langsam misstrauisch bei diesem Sinneswandel: Kommt er doch nicht nur zu einer Zeit, da immer offensichtlicher wird, wie extrem zerstörerisch fortwährendes Wirtschaftswachstum ist, sondern auch, da - global wie in den meisten Nationen - die Spreizung von Einkommen und Reichtum schmerzhafte Ausmaße angenommen hat. Gibt es in diesem Lichte vielleicht einen verborgenen Hintergedanken? Soll hier womöglich verschleiert werden, dass soziale und ökologische Ungerechtigkeit noch immer das Thema Nr. 1 ist, das zu lösen die meisten Regierungen nicht vermögen oder erst gar nicht in Angriff nehmen? Nun, zugegeben eine suggestive, aber notwendige Frage.
Zumindest die Betuchteren unter uns tragen dazu bei: Weil wir nicht bereit sind, unsere Endlichkeit zu akzeptieren, brauchen wir unsere Denkmäler des Höher, Mehr, Weiter, Größer…. Deshalb gefällt uns alles, was wächst, inklusive unseres Bankkontos. Deshalb sind wir nicht bereit, konsequent Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit für alle zu realisieren. Gerechtigkeit hieße in einer endlichen Welt vor allem abgeben, teilen. Von dieser Art der Gerechtigkeit sind jedoch Millionen von Menschen ausgeschlossen. An deren Unglück wird auch die so umjubelte Einigung der Welthandelsorganisation (WTO) nichts Wesentliches ändern.
Heike Leitschuh ist Publizistin, Moderatorin & Beraterin für Nachhaltige Entwicklung und lebt in Frankfurt am Main. Die Buch-Autorin ist Mitherausgeberin des "Jahrbuch Ökologie" (www.fairwirtschaften.de).
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