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Fahrradwirtschaft: Starkes Wachstum bei Umsatz und Beschäftigung

Im umweltfreundlichen Verkehr entstehen neue Arbeitsplätze: Der Sektor Fahrrad wächst, um 30 Prozent bei den Beschäftigtenzahlen, um 70 Prozent beim Umsatz. 2022 zählte die Branche 325.000 Arbeitsplätze, der Umsatz lag bei 45 Milliarden Euro. Die wirtschaftliche Bedeutung der Fahrradwirtschaft könnte wesentlich stärker wachsen, wenn die Verkehrsinfrastrukturen entsprechend verstärkt würden.

Die Automobilindustrie hat trotz Umsatzwachstum in den letzten Jahren Arbeitsplätze abgebaut, dafür entstehen weiterhin mehr neue in der Fahrradwirtschaft. Sie verzeichnet von 2019 bis 2022 bei Beschäftigung und Umsatz ein enormes Wachstum. Das zeigt die „Branchenstudie zur Fahrradwirtschaft in Deutschland 2019-2022: Beschäftigung und Unternehmensumsätze“ vom T3 Transportation Think Tank. Der Unternehmensverband Zukunft Fahrrad hatte die Studie in Auftrag gegeben.

In der letzten Studie, veröffentlicht 2021, kam die Branche noch auf 280.000 Beschäftigte und zählte damit bereits mehr als in der Bahnbranche (270.000) und knapp ein Drittel der Automobilindustrie (832.000). Laut aktueller Untersuchung wuchs die Zahl der Beschäftigten in der Farradbranche in den Kernbereichen Herstellung, Handel und Dienstleistungen um etwa 30 Prozent, der Umsatz um 70 Prozent. Inklusive Fahrradtourismus waren damit mehr als 325.000 Beschäftigte für den Sektor Rad tätig, die einen Umsatz von 45 Milliarden Euro erwirtschafteten.

Zum Vergleich: Die Automobilwirtschaft kam 2022 auf 774.000 Arbeitsplätze mit einem Umsatz von 506 Milliarden Euro, dafür jedoch mit einem wesentlich höherem Ressourceneinsatz von Rohstoffen für Bau und Nutzung und entsprechend höherer Klimawirkung. Das Ziel der Klimaneutralität im Verkehrssektor lässt sich mit diesem wohl nicht erreichen, selbst mit einer vollständigen Antriebswende nicht. Von größter Bedeutung ist daher ein Wechsel auf umweltfreundliche Verkehrsmittel wie Bahn, Bus, Rad- und Fußverkehr.

Immerhin: Die Radbranche wächst. Die größte Entwicklung der Branche verzeichneten dabei die Dienstleistungen, also das Leasing, Sharing und der Verleih von Fahrrädern. Hier konnte der Umsatz von 860 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 mehr als vervierfacht werden. Großer Treiber in diesem Bereich ist das Dienstrad-Leasing. Bereits jedes vierte neue E-Bike ist geleast. Das Angebot von "Job-Rädern" scheint zu wirken.

Das Wachstum und damit die wirtschaftliche und umweltpolitische Bedeutung der Fahrradbranche könnte aber noch größer sein, wenn die Randbedingungen verbessert würden. „Die Studie belegt eindrücklich: Das Fahrrad ist vom Lastenrad bis zum E-Bike nicht nur zentraler Treiber der Mobilitätswende, sondern auch eine tragende Säule der Wirtschaft in Deutschland", sagt Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von Zukunft Fahrrad zu den Ergebnissen. Er fordert eine Fahrrad-Wirtschaftsstrategie und "regelmäßige Spitzengespräche der zuständigen Ministerien mit der Branche, um diese zügig umzusetzen.“

Mehr Radwege, Nachfrage- und Unternehmensförderung

Für einen stabilen Fahrradwirtschaftsstandort Deutschland ist laut Zukunft Fahrrad ein Dreiklang aus Ausbau des Radwegenetzes für den Alltagsverkehr, Ankurbeln der Nachfrage und der Förderung von Unternehmen erforderlich. Vorbild ist der Fahrradtourismus. Hier erzeugen gut ausgebaute Radwege, die in Städten und Gemeinden häufig fehlen, hohe Nachfrage und damit enormes Wirtschaftswachstum. Die Zahl der Beschäftigten im Fahrradtourismus stieg bis 2022 auf insgesamt 263.000, die Umsätze wuchsen seit 2019 um 41 Prozent.

Der Fahrradtourismus schafft damit die meisten Arbeitsplätze der Branche, während nur 13.400 Menschen in der Herstellung, 3.800 in Dienstleistungen und 45.600 im Handel arbeiten. Dort wurde mit 17,2 Milliarden Euro der meiste Umsatz erreicht.

Den möglichen Beschäftigungszuwachs beziffert der Handel auf über 18.000 Stellen, die Branche habe in allen Bereichen einen struktuellen Arbeitskräftebedarf, die Fahrradwirtschaft sie stabil und krisenfest.

Weil das Fahrrad durch seine Elektrifizierung nicht mehr das gleiche Produkt sei, sei es der Schlüssel für eine emissionsfreie Mobilität aller Alltags, Gewerbe- und Pendelwege bis 10 Kilometer Länge – in Kombination mit der Bahn auch darüber hinaus.

Das gestiegene Wachstum scheint aber lediglich über mehr und höherwertige Produkte und Dienstleistungen entstanden zu sein, denn der Verkehrsanteil des Rades ist kaum gestiegen. Im Vergleich zu 2019, also vor der Covid-19-Pandemie, wurden 2021 nur etwas mehr aller Wege mit dem Fahrrad unternommen: 14 Prozent 2021 gegenüber 13 Prozent 2019 – möglicherweise aber bedingt durch Restriktionen während der Pandemie. "Aktuelle Mobilitätsanalysen des MOBICOR Projekts sehen wachsende Radverkehrsanteile nur in einigen deutschen Städten heißt es in der Studie.

Schaffung von Arbeitsplätzen als Motivation?

Umso größer sei der politische Handlungsbedarf, was die Nutzung aber auch die Industrie angeht. Die Politik sollte diese Zahlen als zusätzliche Motivation verstehen, Instrumente und Maßnahmen zur Nutzung des Fahrrads verstärkt umzusetzen, so das Fazit der Studie.

Viele Städte würden zunehmend in ihre Fahrradinfrastruktur investieren. Mehr Radschnellwege könnten sicheren und schnellen Radverkehr zwischen Städten und Umland ermöglichen. Sichere Radwege in den Städten und Tempo 30 könnten die Sicherheit für Radfahrer*innen und besonders für Kinder erhöhen.

Dann dürften mehr Menschen zur häufigeren Radnutzung bereit sein – denn die Gefährdung durch den Autoverkehr führen die meisten Radfahrer*innen und Eltern als Hauptgrund für die Nichtnutzung an. In Deutschland halten 42 Prozent der Bevölkerung Radfahren für zu gefährlich, in den Niederlanden sind es nur 14 Prozent.

Doch die wenigsten Kommunen sind bereit zu Veränderungen zugunsten der Radfahrer*innen auf Kosten des Autoverkehrs – und nur so ließen sich ressourcenschonend Straßen umbauen. Zudem müsste der Gesetzgeber dazu die Straßenverkehrsordnung ändern, allerdings scheint das nun mit einem Reformvorschlag der Bundesregierung auf den Weg zu kommen.

Schließlich sind fast 50 Prozent aller Pendelwege unter 10 Kilometer, dennoch nutzen nur 10 Prozent das Fahrrad, 14 Prozent den ÖPNV und 68 Prozent das Auto. Laut der letzten Studie "Mobilität in Deutschland" von 2017 lag aber der Median der zurückgelegten täglichen Wegelänge von Autofahrer*innen lediglich bei 6,7 Kilometern, der von Radfahrer*innen bei 2 Kilometern, von ÖPNV-Nutzer*innen bei 8,1 Kilometern.

Für die Fahrradindustrie ist natürlich besonders die Verbesserung der Absatzbedingungen interessant: "Die Bundesregierung kann die Alltagsnutzung des Rads durch die verbesserte Förderung von Diensträdern, Cargobikes und Mobilitätsbudgets attraktiver machen", sagt Wasilis von Rauch. "Mit angemessener politischer Unterstützung könnte die starke Fahrradindustrie hierzulande noch mehr leisten. Frankreich oder Portugal machen es vor mit ihrem klaren Bekenntnis zur Förderung der Fahrradwirtschaft vor Ort.“


Mehr zur Mobilität und wie Kommunen und Einzelne ihre Verkehrswende können gestalten im factory-Magazin Mobilität und im entsprechenden Themenbereich mit allen dazugehörigen News. Wer live mit der Fahrradbranche Kontakt aufnehmen möchte, findet in der Eurobike 2023 eine gute Gelegenheit dazu.

Bild: Zukunft Fahrrad

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