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Deutschlands Klimabilanz 2018: Wegen warmer Witterung 4,2 Prozent weniger Treibhausgasemissionen

Nach vier Jahren Stagnation hat sich die deutsche Klimabilanz im letzten Jahr erstmals nennenswert verbessert. Politische Maßnahmen führten nicht dazu: Energie und Haushalte verbrauchten aufgrund der milden Wintermonate und des Dürresommers weniger fossile Energien, auch im Verkehr gingen die Emissionen nur leicht zurück. Vom Reduktionsziel 40 Prozent bis 2020 ist das Land mit jetzt erreichten 30,6 Prozent weit entfernt. Das Klimakabinett müsse endlich liefern, ein konsequentes Maßnahmenpaket im Rahmen eines Klimaschutzgesetzes beschlossen werden, fordern Umweltschützer.

In einer ersten Schätzung über die 2018 freigesetzten Treibhausgase kommt das Umweltbundesamt auf 868,7 Millionen Tonnen – das sind 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Bundesumweltministerin Svenja Schulze nennt als Grund "Witterungs- und andere Sondereffekte", verweist aber gleichzeitig darauf, dass "Klimaschutzmaßnahmen wie Ökostromausbau, Kohleausstieg und Emissionshandel wirken." Allerdings bräuchte man mehr davon, nicht nur bei der Stromerzeugung, sondern auch beim Verkehr, beim Heizen oder bei der Landwirtschaft.

Weil das verschobene und erweiterte Klimaziel 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase heißt und gegenüber 1990 erst knapp 30 Prozent erreicht sind, plädiert sie für den Beschluss ihres Klimaschutzgesetzes in diesem Jahr, "ebenso wie Maßnahmenpakete in allen Bereichen, damit Deutschland wieder auf Zielkurs kommt.“

Für den WWF zeigt die Bilanz 2018 die Untätigkeit der Bundesregierung aus SPD/CDU/CSU. Schließlich "verdanken wir den leichten Rückgang des Treibhausgas-Ausstoßes im letzten Jahr leider nicht zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen, sondern vielmehr einem milden Winter und zeitweise teurerem Öl", so Michael Schäfer, Leiter Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. Er schimpft: "Politische Steuerung? Fehlanzeige! Statt etwa den Erneuerbaren-Ausbau zu beschleunigen, ist der Produktionszuwachs 2018 um elf Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken."

Die Bundesregierung müsse aus dieser Bilanz der Blöße die Konsequenzen ziehen: "Wir brauchen vom neu eingerichteten Klimakabinett dringend ein Maßnahmenpaket, um die verlorene Zeit beim Klimaschutz aufzuholen, und ein wirksames Klimaschutzgesetz, das uns langfristig auf die richtige Bahn lenkt. So muss das Klimakabinett sicherstellen, dass wir den verheerenden Rückstand beim Klimaschutz aufholen."

Dafür müssten alle Sektoren – und die dafür zuständigen Ministerien – jetzt liefern. Doch fast keines der Ministerien hat zum Stichtag 31.3., wie vom BMU gefordert, einen Lösungskatalog vorgelegt. Die Arbeitsverweigerung gehe weiter – die Bundesregierung müsse im Klimakabinett einen Kurswechsel hin zu wirksamen Maßnahmen gegen die Erderhitzung herbeiführen. Das sei sie den Schülerinnen und Schülern schuldig, die sich für eine gute Zukunft einsetzen.

In Deutschland ist seit den Fridays4Future-Protesten die Untätigkeit der Politik fast tägliches Thema. Die jugendlichen Protestierenden, die sich dem "Schulstreik fürs Klima" der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg angeschlossen haben, begegnen Politik und Konservative in sozialen Medien mit unverfrorener Abneigung. Die Ankündigung der Jugendlichen, streiken zu wollen, bis die Politik handelt, werden sie wohl noch weiter durchhalten müssen, auch bei der leicht verbesserten Bilanz des deutschen Treibhausgasausstosses.


Erneuerbare für Klimaziele ausbauen

Die erneuerbaren Energien hatten mit rund 184 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente vermieden, den größten Beitrag brachte mit knapp 75 Millionen Tonnen die Windenergie. Umso wichtiger sei es, den Ausbau der Windkraft weiter voranzutreiben, sagte Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts: "Deshalb halten wir nichts von pauschalen Mindestabständen von Windenergieanlagen zu Wohngebieten. Das brächte den Ausbau der Windenergie ins Stocken. Umwelt- und Gesundheitsfragen sollten jeweils vor Ort individuell geprüft werden.“ 

So gilt im CDU-regierten NRW seit Februar 2019 eine Mindestabstand von 1500 Metern zwischen Windenergieanlagen zu Wohngebieten. Laut Analyse des UBA reduziert die Festsetzung genereller Siedlungsabstände die Kapazitäten für die Windenergienutzung stark. Bereits bei einem Mindestabstand von 1.000 Metern zu benachbarten Wohngebieten würde sich die vorhandenen Flächen um 20 bis 50 Prozent und das gesamte Leistungspotenzial von derzeit noch 80 Gigawatt auf 40 bis 60 Gigawatt reduzieren. Bei 1.200 Metern Mindestabstand sinkt das Leistungspotenzial sogar auf nur 30 bis 50 Gigawatt. Auch das Repoweringpotenzial bestehender Windparks wird mit zunehmendem Siedlungsabstand stark reduziert. Langfristig wäre bei pauschalen Abständen bestenfalls ein viel zu geringfügiger Zubau möglich - und die Klimaschutzziele werden nicht erreicht, so das Fazit des UBA. 


Haushalte verbrauchten am wenigsten Energie

Immerhin entfielen in der Klimabilanz von den insgesamt 38 Mio. Tonnen Minderung rund 14 Mio. Tonnen CO2 auf die Energiewirtschaft (4,5 Prozent Senkung). Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nahm 2018 zu, die aus sämtlichen fossilen Energieträgern ging zurück – unter anderem aufgrund der Stilllegung von Kraftwerken, so das Bundesumweltministerium. Den deutlichsten Emissionsrückgang verzeichnete die Steinkohle – aufgrund des infolge der Reform des EU-Emissionshandels gestiegenen CO2-Preisea.

Im Laufe des Jahres wurden Steinkohle-Kraftwerke mit rund 1,5 Gigawatt Leistung stillgelegt bzw. gingen in die Netzreserve. Ein weiterer Effekt war der Dürresommer 2018: Niedrige Wasserstände an den Flüssen führten zu geringeren Transportkapazitäten und damit zu höheren Steinkohlepreisen. Die Emissionen aus der Braunkohlenutzung sanken um etwa 3,6 Mio. Tonnen. Am 1. Oktober 2018 haben drei Kraftwerksblöcke (zwei in Niederaußem, einer in Jänschwalde) die Stromproduktion eingestellt und wurden in die Sicherheitsbereitschaft überführt. Die Emissionen aus der Erdgasverbrennung gingen ebenfalls leicht zurück.

Ein mit rund 15 Mio. t CO2 (bzw. 10,9 Prozent) deutlicher Emissionsrückgang im Vergleich zum Vorjahr ist laut UBA im Bereich der Haushalte und Kleinverbraucher (=übrigen Feuerungsanlagen) zu verzeichnen. Besonders beim Heizöl ist der Absatz 2018 deutlich gesunken. Eine Erklärung dafür ist die milde Witterung und der damit verbundene geringere Brennstoffbedarf. Eine andere Ursache sind wiederum die infolge des Dürresommers niedrigen Wasserstände vieler Flüsse: In vielen Fällen konnten die Frachter die Flüsse nicht befahren, was zu Heizöl-Knappheit und höheren Preisen führte. Zahlreiche Kunden dürften daher den Heizölkauf auf das Jahr 2019 verschoben haben.

Im Verkehrsbereich sanken die Emissionen um rund 5 Mio. Tonnen bzw. 2,9 Prozent. Dieser Rückgang betrifft nicht nur Ottokraftstoffe, sondern erstmals seit vielen Jahren auch Dieselkraftstoff. Eine Erklärung könnten die höheren Preise für Benzin (+ 7 Prozent ggü. Vorjahr) und Diesel (+12 Prozent ggü. Vorjahr) sein.


Emissionen der Landwirtschaft steigen erneut

In der Industrie sanken die Emissionen 2018 um rund 4 Mio. Tonnen (2,8 Prozent). Für den Maschinenbau und die pharmazeutische Industrie geht die Prognose von gestiegenen Emissionen aus, für die Stahlproduktion, die Chemieproduktion und die Automobilindustrie von sinkenden Emissionen.

Während in der Landwirtschaft die Treibhausgas-Emissionen leicht um 0,7 Prozent anstiegen, was auf eine Zunahme der Tierbestände zurückzuführen ist, gingen sie im Abfallsektor um 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Dieser anhaltende Rückgang gehe maßgeblich auf die Entwicklung im Bereich der Abfalldeponierung zurück. Seit 2005 dürfen in Deutschland keine biologisch abbaubaren Abfälle mehr deponiert werden, was sich neben Abfalltrennung und Recycling bei den Emissionen positiv bemerkbar macht.


Wie sich der Stillstand bei der Reduzierung der Emissionen aus dem Verkehrssektor beheben lässt, zeigt das factory-Magazin Mobilität. Dass ein Umstieg in eine zirkuläre, digitale Wirtschaft viel weniger Emissionen produziert, lesen Sie in den factory-Magazinen Circular Economy und Digitalisierung.

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