Oklahoma, ein Staat im mittleren Süden der USA. Heiß, trocken, Dust bowl. Vor ein paar Jahren hat der Boden dort angefangen richtig zu wackeln. Vor 2008 gab es pro Jahr maximal 6 kleine Erdbeben. Heute ist Oklahoma nach Kalifornien der seismisch aktivste Staat der USA. 2009 wurden 50 Beben registriert, 2010 waren es etwa 1.000! Im November 2011 hat es dort außergewöhnlich heftig gewackelt: Das stärkste Erdbeben einer langen Serie wurde mit 5,7 auf der Richter-Skala gemessen. Dank der dünnen Besiedlung hielten sich die Schäden in Grenzen, es gab ein paar eingestützte oder beschädigte Häuser und Straßen und – zum Glück – keine Toten.
Das stärkste Beben jüngerer Zeit in unserer Gegend [Aachen], in Roermond am 13.4.1992, wurde mit einer Magnitude von 5,2 gemessen. Ein Mehr von einem Punkt auf der Magnitudenskala bedeutet die Zunahme der am Epizentrum des Bebens freigesetzten Energie um den Faktor 32. Es hat also ziemlich heftig gerummst in Oklahoma. Nun wäre das nichts besonderes, läge Oklahoma nicht einigermaßen friedlich in der Mitte des nordamerikanischen Kontinents, ziemlich weit weg von plattentektonischen Schwächezonen wie der St. Andreas Verwerfung am Pazifik. Also woher dann die Bebenserie?
Eine aktuelle Studie von Dr. Elizabeth Cochran vom US Geological Survey in Pasadena, Kalifornien, kommt nun zu dem Schluss, dass die Beben durch Fracking und „Waste Water Disposal“ (Abwasserentsorgung) entstanden sind. Wie kam es dazu? In Oklahoma wird seit Anfang des 20. Jahrhunderts intensiv nach Öl und Gas gebohrt. Seit den 1950er Jahren gingen die Fördermengen langsam zurück – Oklahoma erlebte seinen Peak Oil. Seit einigen Jahren wird das Land von Fracking-Bohrstellen überzogen. Tausende von Bohrungen wurden niedergebracht, das Gestein im Untergrund durch hohen Druck aufgesprengt, Öl und Gas strömten wieder und tragen noch heute zum Öl- und Gasboom in den USA bei. Die Ölbohrungen fördern allerdings kein reines Rohöl, wie man sich das vielleicht etwas naiv vorstellen könnte. Heraus kommt vielmehr ein Wasser-Öl-Gemisch, das meist deutlich mehr Wasser als Öl enthält. Das vom Öl befreite Wasser wird wieder in den Untergrund gepresst – schließlich kam es ja dort her.
In der Nähe von St. Gallen in der Schweiz wurde im Juli 2013 ein Geothermieprojekt gestoppt. Dort riefen die Bohrungen ein Erdbeben der Stärke 3,6 hervor. Die freigesetzte Energie lag nur bei rund einem Promille des Oklahoma-Fracking Bebens, Schäden konnten daher nicht beobachtet werden. Trotzdem wurde – und wird – die Tiefengeothermie wegen möglicher Erdbeben zunehmend kritisch gesehen.
Fracking ist also nicht nur ein Umweltproblem durch die verpressten Chemikalien. Es wird auch zum Risiko für die Bevölkerung, insbesondere in dichter besiedelten Regionen. In den USA gibt es schon ein Wort für Beben, die durch Fracking hervorgerufen wurden: Frackquakes.
Hoffen und vor allem sorgen wir dafür, dass wir diesen Begriff nicht eines Tages in den Duden aufnehmen müssen!
Klaus Dosch ist Geologe und Wirtschaftsingenieur und wissenschaftlicher Leiter der Aachener Stiftung Kathy Beys, die Mitherausgeberin des factory-Magazins ist.