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Klimapolitik könnte ohne USA sogar besser funktionieren

US-Präsident Trump hatte den Rückzug vom Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt. Nach dem G20-Gipfel stehen jedoch die wirtschaftsmächtigsten Staaten der Welt bis auf die Türkei weiter zu der Vereinbarung. Doch ohne die USA sei effektiver Klimaschutz vielleicht sogar besser möglich, sagen die Klimaexperten des Wuppertal Instituts – und die fossile Renaissance der USA sei ebenfalls noch nicht besiegelt.

Den ersten Teil des "Trump-Test" zur Klimapolitik hat die Welt bestanden. Beim G20-Gipfel in Hamburg haben sich alle G20-Mitglieder mit Ausnahme der USA gemeinsam und eindeutig zum UN-Klimaabkommen von Paris und seiner engagierten Umsetzung bekannt. Das ist ein gutes Zeichen, nach den UN-Klimaverhandlungen in Marrakesch im November und Bonn in diesem Mai. Dort hatten bereits alle Klimaverhandler der 194 Unterzeichnerstaaten des Abkommens deutlich gemacht, dass sie weiter an der Umsetzung arbeiten – außer denen der USA.

Beim G20-Gipfel bekräftigten die übrigen "G19"-Staaten in einem noch nie dagewesenen Akt der Isolierung eines einzelnen Landes ihren Einsatz für das Abkommen. Sie machten zudem deutlich, dass dieses "unumkehrbar" sei. Damit beginnt eine neue Phase der internationalen Klimapolitik. Denn jetzt muss es dem Rest der Welt gelingen, eine effektive internationale Klimapolitik trotz des Rückzuges von US-Präsident Trump zu koordinieren. Sie muss nicht nur den wegfallenden amerikanischen Beitrag übernehmen, sondern könnte sogar die durch die Entscheidung der USA an vielen Stellen entstandene Dynamik nutzen, um an Ende Trump durch weitergehende Maßnahmen vielleicht sogar zu trotzen.

Wie das gelingen kann, untersuchte ein Forscherteam des Wuppertal Instituts. In einer Kurzanalyse zeigen die Wissenschaftler, in welcher Weise die an Klimaschutz interessierten Staaten sich am besten organisieren, um das Pariser Klimaabkommen und die globale Klimapolitik erfolgreich weiterzuführen. Demnach bieten sich für die Weiterentwicklung der globalen Klima-Agenda grundsätzlich zwei Ebenen an: einerseits die Aktivitäten im Rahmen des Klimaregimes, also der Klimarahmenkonvention und ihrer "Töchterverträge" Kyoto-Protokoll und Pariser Klimaabkommen. Andererseits kann auch jenseits dieser Verträge der Klimaschutz vorangetrieben werden, sollte es hier aufgrund einer massiven Verhinderungspolitik der USA und anderer Akteure zu einer deutlichen Schwächung kommen. So könnte sich ein Pionier-Club aus ambitionierten Staaten und subnationalen Akteuren bilden; einzelne Staaten könnten durch gemeinsame sektorale Aktivitäten bestimmte Fragestellungen gezielt angehen; zudem könnten im schlimmsten Fall auch Handelsmaßnahmen wie Strafzölle entwickelt werden, die den Umgang mit Nicht-Vertragsstaaten regeln, schlägt Prof. Dr. Hermann E. Ott, Senior Advisor für globale Nachhaltigkeits- und Wohlfahrtsstrategien am Wuppertal Institut vor.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Annahme, ohne die USA sei kein effektiver Klimaschutz möglich und man müsse sie deshalb auf Biegen und Brechen miteinbeziehen, in den vergangenen 25 Jahren die globale Klimadiplomatie geprägt und verlangsamt habe. Diese Annahme müsse nun fallen gelassen werden, auch wenn die USA für rund ein Sechstel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sei. Die freiwilligen nationalen Beiträge (NDCs) des Pariser Klimaabkommens hätten auch bei einem Verbleiben der USA nachgebessert werden müssen, da sie für das Einhalten der von der Staatengemeinschaften angestrebten 2 °C-Grenze noch nicht ausreichen – die nächste Runde der Verhandlungen ab 2018 könne daher genutzt werden, den Ausfall der USA nicht nur wettzumachen, sondern sogar mehr als zu kompensieren.

"Trotz der radikalen Kehrtwende der Trump-Administration ist das Schicksal der Energietransformation in den USA noch nicht besiegelt. Energiepolitik liegt dort zu einem großen Teil in der Verantwortung der einzelnen Bundesstaaten, und auf deren Gesetzgebung hat der US-Präsident formal keinen Einfluss", erklärt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Vize-Präsident des Wuppertal Instituts. "Wie bereits während der Amtszeit von Präsident George W. Bush führt die Politik der nationalen Administration zu einer starken Gegenreaktion subnationaler und nicht-staatlicher Akteure. Zudem wird die Abkehr von der bisherigen nationalen Energiepolitik weitere Preisreduktionen und technische Fortentwicklungen im Bereich erneuerbare Energien, Energieeffizienz und -speicher nicht aufhalten können. Die zentralen Innovationen werden dann aber möglicherweise weniger aus den USA kommen."

Der US-Präsident könnte also den USA eher einen Bärendienst als ein neues "Great again" erweisen: Durch das Setzen auf nicht mehr wettbewerbsfähige Energieversorgungsstrukturen beraubt er sein Land technologischer Innovationsimpulse und damit erheblicher Chancen auf den wachsenden globalen Klimaschutzmärkten, heißt es in dem Wuppertaler Statement.

In den kommenden Monaten und Jahren wird es eine Hauptaufgabe für die an Klimaschutz interessierten Staaten sein, eine starke Allianz zu bilden, um die USA in diesem Punkt weiter zu isolieren. Politisch liegt die größte Verantwortung bei der Europäischen Union (EU), weil nur sie über die notwendigen Ressourcen und den Einfluss verfügt, das Vakuum auszufüllen – vor allem auch finanziell. Hier liegt auch eine Chance Frankreichs und Deutschlands für eine vertiefte Zusammenarbeit mit dem Ziel eines ökologisch und sozial nachhaltigen Europa. In der Partnerschaft mit anderen Ländern, zuvorderst China, kann darüber hinaus viel erreicht werden.

Zudem müsse der Mythos überwunden werden, dass im Rahmen der UNO nur im Konsens gehandelt werden kann. Das Völkerrecht kennt eine sehr große Bandbreite von Entscheidungsverfahren, von der Einstimmigkeit über den Konsens, über Zweidrittel- oder Dreiviertel-Mehrheiten bis zu Beschlüssen mit einfachen Mehrheiten. Das erfolgreichste Beispiel für ein mehrheitliches Beschlussverfahren bietet das Montrealer Protokoll über Ozon zerstörende Stoffe, wo mit Zweidrittel-Mehrheiten die Verträge geändert wurden und diese Änderungen sogar für alle Parteien, auch diejenigen, die nicht zugestimmt hatten, verbindlich sind. "Wo ein Wille ist, da ist im Völkerrecht auch ein Weg", so die Wuppertaler Wissenschaftler. "Wenn es einige Staaten, allen voran die der Europäischen Union und der verwundbarsten Staaten, wirklich ernst meinen, dann kämpfen sie für die Option von Mehrheitsentscheidungen." In diesem Sinne könnte Donald Trump das unwissende und unwillige Werkzeug der Geschichte sein, das unfreiwillig dafür sorgt, dass die Welt jetzt wirklich ernst macht mit dem Klimaschutz.

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