Schon immer haben die Wirtschaftswissen gesellschaftliche Prozesse nicht nur beobachtet und beschrieben, sondern sie auch selbst hervorgerufen und beeinflusst. Politische und wirtschaftliche Führungen gebrauchen wirtschaftswissnschaftliche Ideologien als ultimative Doktrin, denen Gesellschaften zu folgen haben. Damit führten sie bisher zwar zu einem materiellen und gesundheitlichen Wohlstandswachstum, jedoch auch zu ökologischen Zerstörungen, sozialen Verwerfungen und immer wiederkehrenden Wirtschaftskrisen. Inzwischen plädiert nicht nur der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) für eine transformative Wirtschaftswissenschaft. Sie soll viel stärker als die klassische Ausrichtung die Bedingungen und Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft analysieren und verbessern – also verändernd wirken.
Dass eine transformative Ausrichtung der Wirtschaftswissenschaften notwendig ist, sehen nicht nur die Wissenschaftler*innen selbst. Schließlich steht ihre Disziplin wie kaum eine andere in der Kritik – und das nicht erst seit den Finanz- und Staatsschuldenkrisen ab 2008. Denn die Ökonomik muss sich stetig fragen lassen, welchen Beitrag sie zur Bewältigung der gewaltigen sozialen und ökologischen Herausforderungen leistet. Kritiker übersehen dabei häufig, dass in den Wirtschaftswissenschaften bereits eine Vielfalt von Ansätzen existiert, die für die nachhaltige Gestaltung von Transformationen nützlich sein kann. Allerdings sind diese in der innerwissenschaftlichen und mehr noch in der gesellschaftlichen Debatte kaum bekannt, teilweise sogar marginalisiert.
In Berlin will das nun eine Konferenz ändern. Sie betont den notwendigen Beitrag der Wirtschaftswissenschaften für die sozial-ökologische Transformationen und möchte die Entwicklung einer zukunftsgerichteten Forschungsagenda anstoßen.
Veranstalter der Konferenz Wirtschaftswissenschaften und sozial-ökologische Transformation am 6. November 2017 in Berlin sind das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), die Cusanus Hochschule, das Netzwerk Plurale Ökonomik und das Wuppertal Institut. Als Partner stehen ihnen zur Seite die Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW), die Vereinigung für Ökologische Ökonomie (VÖÖ), das Institut für Zukunftsfähige Ökonomien (ZOE), der Lehrstuhl Umwelt- und Verhaltensökonomik der Universität Kassel, das Institute for International Political Economy (IPE) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR), das Konzeptwerk Neue Ökonomie und der Think Tank 30 Deutschland (tt30).
Auf der Tagung sollen Ökonom*innen verschiedener Strömungen, Sozial- und Nachhaltigkeitswissenschaftler*innen sowie Expert*innen aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zusammen kommen. In drei Workshopsessions sollen sie Handlungsfelder und Akteure der Transformation, theoretische und methodische Perspektiven der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung auf Transformationsprozesse sowie die Rolle der transformativen Ökonomik im Wissenschaftssystem diskutieren. Die Konferenz will damit einen Beitrag zur Konkretisierung des Ansatzes transformativer Wirtschaftswissenschaften leisten. Welches Wissenschaftsverständnis und welche gesellschaftliche Verantwortung haben sie? Was bedeutet das für die Themensetzung, Wissensproduktion sowie Verbreitung und Anwendung von Ergebnissen? Antworten auf diese Frage sollen im Diskurs verschiedener ökonomischer Strömungen entstehen.
Weil die Teilnehmendenzahl begrenzt ist, bitten die Veranstalter um baldige Anmeldung, die ausschließlich online möglich ist.
Noch ein Hinweis: Ein Sammelband „Transformative Wirtschaftswissenschaft im Kontext nachhaltiger Entwicklung“ mit engem Bezug zu den Themen der Tagung ist soeben im Metropolis-Verlag erschienen.
Wie groß die transformative Kraft der Wissenschaft ist, beschreibt Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts, im factory-Magazin Trans-Form. Im factory-Magazin Utopien fordert er, auch ihre utopischen Stärken wieder zu wecken.