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  • Screenshot der UN-Seite zum Internationalen Tag der Indigenen Völker 2024.

Klimawandel verstärkt Landkonflikte: Indigene in Bolivien rufen Notstand aus

Obwohl indigene Bevölkerungsgruppen die besten Bewahrer der biologischen Vielfalt und klimawirksame Ressourcenschützer sind – und das Politik und Wirtschaft zunehmend anerkennen – wächst immer noch der Druck auf sie und ihre Gebiete.

Weltweit gibt es geschätzt noch etwa 476 Millionen Indigene. Sie bilden damit einen Anteil von lediglich sechs Prozent der Bevölkerung, aber 15 Prozent der Ärmsten der Welt. Trotzdem sind sie die größten Beschützer der natürlichen Ressourcen der Erde – und damit der Widerstandsfähigkeit gegen Klimawandel und Artensterben.

Denn indigene Gruppen und lokale Gemeinschaften verwalten rund ein Viertel der Landfläche der Welt und rund 40 Prozent aller terrestrischen Schutzgebiete und ökologisch noch intakten Landschaften. Dort befinden sich 99 Prozent der nutzbaren genetischen Ressourcen – die von Indigenen erhaltene Biodiversität ist extrem hoch (Zahlen: factory-Magazin Vielfalt).

Trotz ihrer Bedeutung für die Welt, gerät ihre eigene Welt immer mehr unter Druck: durch die Ausweitung von Minen und landwirtschaftlichen Flächen, durch Überfälle und Verdrängung. Ressourcenschutz und eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs der Welt würde zu mehr Schutz ihrer und damit auch der gesamten Welt führen.

 

Klimawandelfolgen verschlechtern Ressourcenschutz

Zwar gibt es nun erstmals ein Lieferkettengesetz der EU, das in den nächsten Jahren die weitere Ausbeutung indigener Gebiete verhindern soll. Doch inzwischen geraten ihre Lebensweisen auch durch die unmittelbaren Folgen des ungebremsten Klimawandels unter Druck: Waldbrände, Ernteausfälle und die Konflikte um die Landnutzung verschärfen ihre Lebensbedingungen dramatisch.

Darauf weist die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zum diesjährigen Tag der indigenen Völker am 9. August hin. Sie warnt vor einer zunehmenden Bedrohung indigener Völker in Südamerika durch Landkonflikte und die Folgen des Klimawandels.

So werde bei der Vergabe von Landrechten durch staatliche Institutionen vor allem die Agrarindustrie bevorzugt – zum Nachteil indigener Gemeinschaften. „Viehbauern beanspruchen auf der Suche nach neuen landwirtschaftlichen Nutzflächen zunehmend mehr Gebiete. Damit treten sie in Konkurrenz mit den dort traditionell ansässigen indigenen Gemeinschaften, die sich als Landwirte selbst versorgen“, sagt Jan Königshausen, GfbV-Referent für Indigene Völker.

Die Agrarindustrie, deren Produkte größtenteils für den Export bestimmt sind, nehme der lokalen Bevölkerung damit ihre Lebensgrundlage. Vor allem der Sojaanbau in Monokultur für die Nahrungsmittelversorgung der Rinder verlangt immer mehr Land. Bis das EU-Lieferkettengesetz hier wirkt und die Futtermittel- und Fleischproduktion teurer und unattraktiver wird, werden wohl noch einige Jahre vergehen – inklusive eines notwendigerweise geringer werden Anspruchs auf günstiges Fleisch.

 

Beispiel Guarani

Wie sehr indigene Gruppen unter dieser Entwicklung leiden, zeigt das Beispiel der Gemeinde Macharetí. Sie liegt in der Region des Gran Chaco im Südosten Boliviens und hat angesichts der sich rasant verschlechternden Situation den Notstand ausgerufen. Die indigenen Gemeinschaften aus dem Volk der Guaraní erleben vor allem Ernteausfälle durch Dürre, Frost und Heuschreckenplagen.

In ihrer Erklärung des Notstands fordern die Anführer der Gruppe von der bolivianischen Regierung mehr Unterstützung und Maßnahmen gegen Ernteausfälle, Wirtschaftsförderungsprojekte für ihre eigene Viehwirtschaft sowie die Anerkennung und den Schutz ihrer territorialen Rechte.

Aufgrund dieser Folgen des Klimawandels sähen sich Viehbauern und indigenen Gemeinschaften der Gemeinde Macharetí sich gezwungen, ihre naturerhaltenden Produktionsweisen zu verändern und selbst am Raubbau der Natur zu partizipieren.

So zum Beispiel durch Bergbau oder in immer schädlicherer Landwirtschaft mittels Pestiziden, chemischem Dünger oder groß angelegter Viehwirtschaft. „Langfristig verstärken sich so die negativen Folgen des Klimawandels und die Lebensgrundlage der indigenen Völker in Südamerika wird so weiter zerstört“, warnt Königshausen.

„Indigene Völker müssen beim Klimaschutz von der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Vereinten Nationen, und den verantwortlichen Regierungen, stärker einbezogen werden", fordert Königshausen. Es sei unerlässlich, dass ihre Stimme in den Entscheidungsprozessen Gehör finde und nachhaltige Praktiken gefördert werden.

Gleichzeitig müssten sofortige Maßnahmen zum Schutz indigener Territorien und zur Sicherstellung ihrer Rechte ergriffen werden.

 

Lösungswege sind eigentlich klar

Die indigenen Völker und ihre Rechte zu schützen hieße, sofort die Emssionswende durch den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen einzuleiten. Der UN-Klimagipfel 2023 in Dubai ist daran noch gescheitert, aber immerhin hat er die Notwendigkeit anerkannt.

Beim nächsten Gipfel, dem COP29 in Aserbaidschan, steht vor allem die Klimafinanzierung auf der Agenda. Hier sind wesentlich größere Summen erforderlich, um die globale Energie- und Ressourcenwende auch in den Ländern des Globalen Südens zu bewältigen.

Ein wesentlich geringerer Ressourcenverbrauch durch eine konsequente Circular Economy, eine Reduktion des Fleischverzehrs zugunsten pflanzlicher Ernährung und eine zügige Mobilitäts- und Wärmewende sind neben der laufenden Stromerzeugungstransformation die wichtigsten Instrumente dazu.

Das könnte sogar in den Ländern des Südens besser funktionieren als in den alten Industrieländern, gelingt aber nur mit deren Investitionswillen – und ihrer Einsicht dazu. Mehr dazu im factory-Magazin Kapital – und auch schon im Magazin Wohlstand. Und zur Bedeutung von Vielfalt natürlich im Vielfalt-Magazin.

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