Wer bestimmt den ökologischen und sozialen Zustand der Welt? Der Verbraucher, der hemmungslos, billig und ohne Rücksicht auf zukunftsfähige Verhältnisse konsumieren will, oder der Produzent, der mit Waren und Dienstleistungen hemmungslos, billig und ohne Rücksicht auf die Nachhaltigkeit davon profitieren will? Würden die einen nachhaltig einkaufen, würden die anderen auch nachhaltig produzieren, heißt es immer wieder. Der Verbraucher habe die Macht, die Produktionsverhältnisse zu ökosozialisieren – er will aber nicht bzw. muss sich in den Zwängen seines Einkommens wie ein Produzent für das kostengünstigste, nicht-nachhaltige Produkt entscheiden. Dadurch ist der Anteil nachhaltig, also ökologisch und sozial gerecht hergestellter Produkte und Dienstleistungen so gering – von nachhaltiger Veränderung durch nachhaltigen Konsum keine Spur. Selbst wenn die Bio-Produzenten jedes Jahr Wachstumsraten von fünf bis acht Prozent verkünden: Er bleibt ein kleiner Markt. Ebenso sieht es beim Bauen und Wohnen, bei der Mobilität, bei Freizeit und Urlaub aus. Einzige Ausnahme: der Energiebereich. Hier haben umweltfreundliche Konsumenten und Produzenten mit staatlich garantierten Preisen, finanziert von allen Verbrauchern, die Energiewende geschaffen. Der erneuerbar erzeugte Stromanteil liegt bei rund 32 Prozent.
Es gilt also, entsprechende Standards und Strukturen zu setzen, wie Michael Kopatz in seinem Buch Ökoroutine vorschlägt, wenn man den nachhaltigen Konsum fördern will. Wenn angebotene Waren und Dienstleistungen bestimmte ökologische und soziale Bedingungen erfüllen müssen, können Produzenten und Konsumenten gar nicht anders, als diese nachhaltig zu produzieren und zu konsumieren. Allerdings: die Rahmenbedingungen setzt der Staat, entweder durch Verbot nicht-nachhaltiger Produkte, Steuerung per Öko-, Ressourcen- oder CO2-Steuer oder Förderung wie bei der Energiewende. So ließe sich auch eine Ressourcen-, eine Agrar- oder eine Mobilitätswende einleiten.
Konkrete Pläne dafür gibt es in der gegenwärtigen Politik nicht, bis auf einige programmatische Ankündigungen zur Elektromobilität oder zur Erhöhung der Ressourcenproduktivität. Die Stimmung ist auch nicht danach: Allein eine Diskussion über eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von sieben auf 19 Prozent im Falle konventionell erzeugter Fleischwaren im Umweltbundesamt hatte einen Shitstorm ausgelöst.
Heute allerdings hat die Bundesregierung ihr Kompetenzzentrum Nachhaltiger Konsum vorgestellt. Auf einer Konferenz von Bau- und Umwelt-, Landwirtschafts- und Justiz- und Verbraucherministerien der Bundesregierung ging es um die "Umsetzung nachhaltiger Konsum in Deutschland" – und das Kompetenzzentrum, eingerichtet beim Umweltbundesamt, soll "das gesellschaftliche Engagement für nachhaltigen Konsum stärken sowie einen fachlichen Austausch zwischen allen Akteuren fördern." Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesjustiz- und -verbraucherschutzministerium, nannte es ein wichtiges Signal, dass die drei Bundesministerien beim nachhaltigen Konsum zusammen arbeiten. Dafür hat die Regierung bereits im Februar 2016 das Nationale Programm für nachhaltigen Konsum ins Leben gerufen. "Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft sowie im Alltag der Bürgerinnen und Bürger soll damit weiter vorangebracht werden", heißt es dazu beim UBA. "Das Kompetenzzentrum Nachhaltiger Konsum der Bundesregierung beim Umweltbundesamt sowie das Nationale Netzwerk Nachhaltiger Konsum sollen die Umsetzung nachhaltigen Konsum in Deutschland auf eine breitere Basis stellen."
Konkret soll das Zentrum die gesellschaftliche Wissensbasis ausbauen, "um die Orientierungs- und Handlungsfähigkeit der Akteure zu stärken". Es soll Fortschritte beim nachhaltigen Konsum messbar machen und die Sichtbarkeit von Initiativen erhöhen, Teilhabe und Engagement stärken, den gesellschaftlichen Dialog intensivieren und die Umsetzung als gesellschaftsübergreifende Aufgabe organisieren. „Die zentrale Rolle des Kompetenzzentrums Nachhaltiger Konsum beim Umweltbundesamt besteht darin, die Aktivitäten von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in vielfältigen Bedürfnisfeldern zusammenzuführen, Öffentlichkeit und Verbraucher zu informieren und neue Impulse für private und politische Initiativen zu geben", so die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger.
Die Gründe für diese Schritte, Programm, Kompetenzzentrum und Netzwerk, sind klar: Allein der Konsum der privaten Haushalte in Deutschland ist für mehr als ein Viertel der hiesigen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dabei ist die Produktion der Konsumgüter noch nicht einmal einbezogen. Das bedeutet: Der Konsum von Produkten beeinflusst immer stärker nicht nur die wirtschaftliche und soziale Situation der Menschen, sondern auch den Zustand der Umwelt. Im Gebrauch und der Herstellung von Produkten liegt folglich ein großes Potenzial zur Verringerung der Umweltbelastung. "Es geht darum, dieses Potenzial zu erkennen und zu nutzen. Eine Diskussion um unsere Lebensstile und um unsere Verantwortung auch beim Konsum ist unerlässlich," heißt es auf der Website des Bundesumweltministeriums dazu.
Bisher sind die vorherrschenden Produktions- und Konsummuster noch weit vom Ziel der Nachhaltigkeit entfernt. Umweltbelastungen, soziale Ungleichheiten und problematische Verlagerungsstrategien sind weiterhin üblich. "Nachhaltigkeit im Lebensalltag der Bürgerinnen und Bürger ist bisher keine Selbstverständlichkeit."
Gleichzeitig hat sich die Bundesregierung zu den im September 2015 verabschiedeten 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDGs) bekannt. Bis 2030 sollen diese erreicht werden. Ziel Nr. 12 bedeutet, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherzustellen. Mit ihrer Zustimmung will die Bundesregierung "die Förderung von Innovationen und gesellschaftlichen Engagement für nachhaltigen Konsum intensivieren". Dafür hat die Bundesregierung im Februar 2016 das Nationale Programm für nachhaltigen Konsum mit über 170 Maßnahmen verabschiedet. Damit soll Nachhaltigkeit zur Richtschnur in Wirtschaft, Gesellschaft und im Konsumalltag werden.
Wie man mit etwas Hilfe schon jetzt seine Kompetenz in Sachen nachhaltiger Konsum erweitern kann, zeigt das factory-Magazin Handeln im Beitrag Moderne Handlungshilfen.
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