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  • Hybridsystem mit Solarpanels und Windturbinen in Kroatien
    Wird das Solarpaket im neuen Klimaschutzgesetz ein Booster für die Emissionswende? Muss wohl, weil das Gesetz sie im Verkehrssektor nicht mehr verlangt. Bild: Wikimedia Commons, Nenad Kajić / Veneko.hr

Neues Klimaschutzgesetz teilt Verantwortung für Problemsektoren

Bei der lange umstrittenen Novellierung des deutschen Klimaschutzgesetzes gibt es nun eine Einigung zwischen den Regierungsfraktionen. Einzelne Sofortprogramme sind demnach nicht mehr nötig, die Klimaschutzziele sektorübergreifend. Ein Solarpaket soll Impulse für die schnellere Energiewende geben und Bürokratie abbauen.

Seit zwei Jahren überschreitet Deutschland das Emissionsbudget für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels, dafür konnte es seine Emissionen 2023 um 10 Prozent auf ein Rekordtief reduzieren: die fossile Energieerzeugung sank, die -nachfrage ebenfalls und der Anteil der erneuerbaren stieg. Laut Projektionsbericht 2024 des Umweltbundesamtes ließe sich nun sogar das nationale Klimaziel 2030 erreichen.

Doch insbesondere der Verkehrssektor hat aber zum dritten Mal in Folge sein im Klimaschutzgesetz (KSG) festgelegtes Reduktionsziel nicht erreicht und emittierte 2023 zehn Prozent zuviel. Der Gebäudesektor ebenfalls, aber nur noch mit rund 1,5 Prozent Überschreitung des zulässigen.

Eigentlich müssten somit laut gültigem KSG die zuständigen Ministerien ihre bisherigen Sofortprogramme verschärfen, hatte der mit dem KSG eingerichtete Expertenrat gestern, am 15. April 2024, mit der Vorstellung seines neuen Prüfberichts festgestellt.

Und die Expert*innen des Rats rechnen wegen der gekürzten Mittel aus dem Klima- und Transaktionsfonds auch nicht damit, dass die bisherigen Sofortprogramme größere Reduktionswirkungen entfalten können. Vor allem im Verkehrssektor verbleibe eine erhebliche Erfüllungslücke bis 2030.

 

Von Klagen bis zu Drohungen

Die Umweltverbände BUND und Deutsche Umwelthilfe hatten wegen der Verletzung des Klimaschutzgesetzes geklagt und Recht erhalten. Zudem hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erst letzte Woche das Recht auf staatlichen Klimaschutz bestätigt – und damit auf schärfere Schutzziele.

Dem entsprechend hatte noch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit dauerhaften Fahrverboten an Wochenenden gedroht. Nur so sei sein verpasstes 2023er Sektorziel im KSG von rund 13 Millionen Tonnen CO2 Einsparung zukünftig zu erfüllen. Dabei könnte ein kombiniertes Tempolimit von 100, 80 und 30 km/h auf Autobahnen, Land- und kommunalen Straßen offenbar jährlich sogar schon rund 11 Mio. t CO2-Einsparung erbringen, heißt es.

Und viele Boomer werden sich erinnern: Die wenigen autofreien Sonntage 1973 waren ein großer Spaß. Eine Erlaubnis, stundenlange Radtouren über Autobahnen und Stadtstraßen ohne Lärm zu genießen. Kein Schrecken, sondern eine Ermöglichung, passend für eine liberale Partei. Weil heutzutage selbst autofreie Wochentage in einzelnen Quartieren zwar zu ebensolchen gesellschaftlichen Gewinnen werden können, aber mühsam errungen werden müssen, wie "Ein schöner Tag" oder das "Stillleben auf der A40" 2010.

 

Alle Sektoren unter ein Ziel

Jedenfalls sind Sektorziele nun ebenfalls von gestern. Denn die Regierungsfraktionen einigten sich auf die Neufassung des KSG. Es ist bereits die zweite Novelle des 2019 erlassenen Klimaschutzgesetzes, die erste hatte 2021 nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu schärferen Zielen geführt.

Diese bleiben auch in der neuen Fassung erhalten: Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045, dazu mindestens 65 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2030, bis 2040 mindestens 88 Prozent. Grundlage ist das Übereinkommen von Paris, wonach der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst 1,5 Grad zu begrenzen ist.

Selbstverständlich äußerte sich Verkehrsminister Wissing zufrieden und beruhigte, dass Fahrverbote mit der Einigung endgültig vom Tisch seien. Klimaschutzminister versicherte "die Klimaschutzpolitik wird damit vorausschauender, flexibler und dadurch effizienter." Das Solarpaket sei ein Booster für den Ausbau.

Für den Umweltverband BUND ist es dagegen ein Schlag gegen den Klimaschutz. "Statt Verbindlichkeit und Zuständigkeit gibt es jetzt geteilte Verantwortungslosigkeit. Dem Gesetz wurden entscheidende Zähne gezogen", sagte BUND-Chef Olaf Bandt.

 

Solarpaket als Booster?

Das im KSG enthaltene Solarpaket sieht vor, bürokratische Hürden für die Installation von Solaranlagen abzubauen, insbesondere bei Solarparks auf landwirtschaftlichen Flächen, bei Balkonkraftwerken und Solaranlagen für Mehrfamilienhäuser. Die ursprünglich angedachte Unterstützung für die einheimische Solarindustrie wurde hingegen auf Drängen der FDP gestrichen.

Die Koalitionäre müssten jetzt sicherstellen, dass der Bundesrat am 26.04. über den Vorschlag abstimmen kann, fordert der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). Ansonsten blieben auch die Möglichkeiten der RED III, die die Einführung von Beschleunigungsgebieten für Windenergie vorsieht, ungenutzt. Deren Umsetzung stelle die größte Chance für einen schnelleren Windenergieausbau in dieser Legislatur dar.

Zudem kritisiert der BEE, dass die Duldungspflicht für den Bau von Leitungen zum Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen nur für öffentliche Flächen gelten solle. Zwar gäbe es bei der Biomasse einige Verbesserungen. Den bereits eingesetzten Rückbau bei dringend benötigten Biogasanlagen aufhalten könne das neue KSG so aber nicht.

 

Fokus auf europäische Sektorziele und Emissionshandel

"Sinnvoll ist es, dass die 2040-Ziele nun endlich stärker in den Fokus der Klimapolitik rücken", kommentiert Viviane Radatz vom WWF. Das hält auch Germanwatch für einen Lichtblick in der angestrebten Reform, sowie den stärkeren Bezug auf die sektorspezifischen Ziele im Rahmen der EU-Lastenteilung. "Das erhöht die Transparenz und macht klimapolitische Fehlsteuerung frühzeitig sichtbar."

Statt einzelner Ministerien für ihre Sektorziele wird also zukünftig die Bundesregierung für die Einhaltung von Gesamtzielen verantwortlich sein. Dazu wird sie sektoren- und jahresübergreifende Ziele vorgeben und verfolgen müssen.

Bis 2028 soll außerdem überprüft werden, ob auch weitere Regelungen im KSG fallen könnten. "Da bis dahin der Emissionshandel das Erreichen der Klimaziele in ganz Europa sicherstellt, sind aus Sicht der FDP-Fraktion dann keinerlei nationale Vorschriften mehr notwendig", teilte Lukas Köhler von der FDP-Fraktion mit.

 

Wie sich im Verkehrssektor Emissionen reduzieren ließen, zeigt das factory-Magazin Mobilität. Und dem Sektor Gebäude widmet sich unser Magazin Besser bauen. Mehr zu autofreien Städten und Straßen im Beitrag “Ein schöner Tag” im factory-Magazin Glück-Wunsch.

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