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  • Buchtitel "The Shape of Green" von Lance Hosey

Unser Gehirn liebt grünes Design

Design ist die Gestaltung von Form und Funktion. Der Erfolg von nachhaltigen Produkten ist abhängig von gutem Design. Unser Gehirn erkennt gutes Design sofort, weil es mit einem historischen Entschlüsselungscode funktioniert.

Die Frage, warum sich so viele Menschen für ein iPhone, ein iPad oder ein MacBook von Apple entscheiden, wird immer wieder mit dem tollen, außergewöhnlichen Design beantwortet. Dabei sind die Geräte möglicherweise weniger gut ausgestattet, bieten weniger Funktionen und sind auch noch teuerer als die der Wettbewerber.

Doch das Apple-Design trifft offenbar einen Punkt, dem sich viele Käufer ergeben. Allein mit dem Distinktionsgewinn, der gewonnenen individuellen Attraktivität in der Masse durch das Apple-Logo, ist der Erfolg der Apple-Produkte nicht zu erklären. Immerhin sind iPhone und iPad heute allgegenwärtig und keine Frage mehr einer sozialen Schicht.

Die Frage, warum sich nachhaltige Produkte, die sozial und ökologisch gerecht produziert sind, eine lange Lebensdauer haben, reparierbar sind und Ressourcen bei Produktion und Nutzung schonen, nicht auf dem Markt durchsetzen, beschäftigt Produzenten und an Nachhaltigkeit Interessierte seit langem. Sie wissen, dass Design ein Schlüsselfaktor für den Markterfolg ist. Müssen nachhaltige Produkte also nur so gut gestaltet wie zum Beispiel Apple-Produkte sein, und schon wird unsere Warenwelt nachhaltiger?

Warum der Erfolg durchaus vorprogrammiert ist, darauf verweist Lance Hosey in einem Beitrag in der New York Times. Hosey ist dabei nicht irgendein Designphilosoph, sondern Nachhaltigkeitsmanager des Architekturunternehmens RTKL und Autor des Buches "The Shape of Green: Aesthetics, Ecology, and Design." Sein Anliegen ist die Attraktivität nachhaltigen Designs.

Weil gutes Design nach bestimmten Regeln gestaltet ist, ist es so erfolgreich: "Du erkennst es, wenn Du es siehst", die Fornel von Justice Potter Stewart über Pornografie gilt auch für die Formgebung. Die Hintergründe dafür liegen in dem Entschlüsselungscode, der mit der Entstehung der Menschheit in unserem Gehirn eingeschrieben ist.

Hosey nennt Beispiele: Verschiedene Schattierungen der Farbe Grün regen unsere Kreativität und Motivation an, weil wir sie mit nahrungsreicher Vegetation assoziieren, hätten deutsche Forscher im letzten Jahr herausgefunden. Deswegen werden Krankenhauspatienten mit Fensteraussichten auf Landschaften schneller gesund, Büroangestellte effektiver.

Die Formgebung nach dem "Goldenen Schnitt" hat ähnliche Bedeutung, ob bei TV-Geräten, Kreditkarten, Büchern, der Mona Lisa und dem ersten iPod. Wir erfassen Bilder und Texte schneller, wenn die Strukturen nach dem Goldenen Schnitt gestaltet sind.

Genauso geht es uns mit natürlichen Fraktalen, die wir in Allem sehen, was gebrochen und organisch gestaltet ist: Es erinnert uns an die Form der Bäume, die Akazien in der afrikanischen Savanne, aus der unsere Vorfahren kommen. Kommt die Gestaltphysiologie hinzu: Eine mit dem Lineal gezogene Fachwerk-Simulation empfinden wir nicht als nicht so attraktiv wie ein Original-Fachwerk aus Holz, weil unser Gehirn mit der Zusammensetzung der gebrochenen Linien beschäftigt wird.

Laut Hosey reduziert Design Stress und könnte Milliarden Dollar an Krankheitskosten ersparen. Gleiches gilt umgekehrt: Schlechtes Design produziert Stress und verursacht Kosten und Ressourcenverschwendung.

Hosey fordert deswegen, Design nicht länger als Kunst, nicht als von Gott gesandte Begabung und etwas Besonderes sondern als Wissenschaft und als genuin geprägtes Regelwerk zu sehen. Würden alle Designer und Gestalter mehr über diese "Mathematik der Attraktion", die Physik des Affekts wissen, könnte Gestaltung, angefangen von Häusern über Smartphones bis zu Büros und Autos gleichzeitig gut aussehen und gut wirken.

Nachhaltige Produkte und eine nachhaltige, bessere, gerechtere Welt brauchen also nach akkuraten, erlernbaren Regeln gestaltete Formen und Funktionen, Designer, die diese beherrschend und praktizieren und Produzenten, die diese beschäftigen. Wir, die nachhaltigen Konsumenten, erfüllen bereits alle Bedingungen dafür, dass sich diese durchsetzen.

Wie Designer diese Regeln umsetzen und mit anderen Kriterien des nachhaltigen Designs wie Ressourcenschonung, Reparierbarkeit und langer Lebensdauer kombinieren, zeigen wir mit Beispielen in Beiträgen in den factory-Themenausgaben Selbermachen und Trennen. Online handeln die Beiträge Die Ästhetik des Selbermachens und Trennen wir uns von Sollbruchstellen von der Gestaltung nachhaltiger Produkte.

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