Die Fragen, wo erneuerbare Stromerzeugungsanlagen aus Wind- und Sonnenkraft errichtet werden, sind wichtig, schon wegen der Kosten, den Belastungen für Anwohner und dem Ausbau und den Kosten der Verteilung und Speicherung. Sollen sie im Zuge des Wachstums der Energiewende eher an den besten Standorten gebaut werden, also die Windanlagen im Norden und die Solaranlagen im Süden? Oder in der Nähe der meisten Verbraucher, also bei Ballungsräumen und Städten? Dann die Frage der Verteilung: Muss der Ausbau der Erneuerbaren auf den Ausbau der Netze warten? Und sollten wir nicht abwarten, bis sich Photovoltaik- und Batteriesysteme durchsetzen, denn dann bräuchten wir vielleicht keine Netze mehr?
Die Kostenfrage hat jetzt eine Studie des Thinktanks Agora Energiewende untersucht. Betrachtet wurden dafür verschiedene Szenarien bis 2033, ausgehend von dem Leitszenario der Bundesnetzagentur für den Netzentwicklungsplan 2013. Neben den Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien wurden auch die Kosten für Netze, Speicher und die konventionelle Stromerzeugung betrachtet.
Die Ergebnisse bieten einige auch für Experten überraschende Erkenntnisse. Werden für die Energiewende vor allem die besten Standorte genutzt müssten zwar insgesamt weniger Anlagen gebaut werden, allerdings verursacht die von Zeit zu Zeit nötige Drosselung der Anlagen bei viel Wind und Sonne zusätzliche Kosten. Baut man die Anlagen hingegen näher an den Verbrauchszentren, so werden zwar mehr Anlagen benötigt, um die gleiche Menge Strom zu produzieren, doch dafür wird das Stromsystem entlastet: Die Anlagen produzieren zu unterschiedlichen Zeiten Strom und speisen diesen näher an den Verbrauchern ins Netz ein. Sie müssen daher nur vergleichsweise selten gedrosselt werden.
Theoretisch möglich wäre auch eine Stromversorgung Deutschlands, die zu einem wesentlichen Teil auf Photovoltaikanlagen und daran angeschlossene Batteriespeicher basiert. Ein solches Szenario wurde in der Studie erstmals auch unter Kostengesichtspunkten betrachtet. Damit dieses Szenario zu vergleichbaren Gesamtkosten wie die anderen Szenarien führt, müssten die Preise für dezentrale Photovoltaik-Batteriespeicher-Systeme in den kommenden 20 Jahren um 80 Prozent fallen. Dies ist zwar nicht unmöglich, erscheint aus heutiger Sicht aber nicht wahrscheinlich. Auf die Sicherheit der Stromversorgung hätte eine große Anzahl von Photovoltaik-Batteriespeichersystemen keine Auswirkungen. Auch bei einer Leistung von 150 Gigawatt – dem fünffachen von heute – kann das Stromsystem noch sicher arbeiten.
Untersucht haben die Wissenschaftler auch, wie sich unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Netzausbau auf das Stromsystem auswirken: Demnach rentieren sich auf lange Sicht Investitionen in Netze immer – unabhängig von der Frage, wo die Erneuerbare-Energien-Anlagen hauptsächlich gebaut werden. Dabei muss der Ausbau der Erneuerbaren jedoch nicht auf den Bau der Netze warten, so die Studie. Zwar führen Verzögerungen im Netzausbau zu Mehrkosten durch die umfangreiche Drosselung von Windkraft- und Solaranlagen, diese werden aber durch die verzögerte Investition weitgehend aufgewogen.
Gezeigt hat die Studie ebenfalls, dass sich beim von der Bundesregierung geplanten Ausbau der Erneuerbaren Energien rund 2,5 Milliarden Euro im Jahr sparen lassen. Dazu müssten im Vergleich zu den derzeitigen Plänen vor allem mehr Windkraftanlagen an Land gebaut werden und weniger auf See. Beim Ausbau der Offshore-Windkraft komme es auf die richtige Balance an. Der Ausbau sollte auf einem niedrigeren Niveau fortgeführt werden, um Technologie- und Industrieentwicklung hier weiterhin zu ermöglichen und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren, betont Agora-Leiter Rainer Baake.
Die Studie „Kostenoptimaler Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland“ wurde vom Aachener Beratungsunternehmen Consentec mit Unterstützung durch das Fraunhofer-Institut IWES in Kassel erarbeitet. Dafür wurden das europäische Stromsystem, die Lastflüsse und die Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien detailliert modelliert.