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Das Fahrrad kurbelt die Wirtschaft an: Absatz und Beschäftigung steigen weiter

Die Fahrradwirtschaft boomt. Inzwischen beschäftigt sie mehr Menschen als der Bahnsektor – und fast ein Drittel so viel wie die Automobilindustrie. Herstellung, Handel und Dienstleistungen verzeichneten in den vergangenen Jahren wachsende Umsätze und Beschäftigung, der Fahrradtourismus wird immer beliebter. Wachstumstreiber sind das E-Bike und die so genannten Jobbikes.

Die "Branchenstudie Fahrradwirtschaft in Deutschland" des Wuppertal Instituts (WI) und des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Westfälische Hochschule) zeigt, dass die Radbranche zum Hoffnungsträger einer neuen Mobilität werden könnte – auch, was die Arbeitsplätze angeht. Denn während der deutschen Automobilwirtschaft angesichts des Antriebswechsels eher einen Beschäftigungsabbau fürchtet, wächst die Fahrradwirtschaft kontinuierlich.

Hierzulande stellt sie inzwischen Arbeitsplätze für über 280.000 Menschen, die Bahnbranche rund 270.000, in der Autoindustrie sind es noch 832.000. Die Kernbranchen der Radwirtschaft verzeichneten in den letzten fünf Jahren ein Beschäftigungswachstum von über 20 Prozent auf ca. 66.000 Arbeitsplätze bei einem Umsatz von rund 24,2 Mrd. €. Der Fahrradtourismus bildet mit 204.000 selbstständig bzw. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und einem Umsatz von 11,6 Mrd. € vor Steuern die größte Teilbranche – gerade auch in strukturschwachen und ländlichen Gebieten von zunehmender Bedeutung.

„Wachstumstreiber ist eindeutig das E-Bike“, stellt die IAT-Forscherin Dr. Anna Butzin fest. Ausschlaggebend für das Wachstum der Branche sei außerdem die zunehmend ökologisch gestaltete Besteuerung von Dienstfahrzeugen, wovon auch das Dienstrad-Leasing profitiert. Die 2018 eingeführte zusätzliche steuerliche Vergünstigung von Fahrrädern und E-Bikes (sowie E-Autos) habe den Boom nochmals beschleunigt. Pro Jahr kommen 350.000 bis 400.000 Räder hinzu.

Die Beschäftigung in den Bereichen Infrastruktur und Verwaltung zeige zudem, dass das Fahrrad wenig finanziellen Aufwand seitens der öffentlichen Hand erfordere. Das Fahrrad gelte insofern als „genügsames Verkehrsmittel“. Die im Zuge der Corona-Krise in vielen Städten kurzfristig eingerichteten Pop-Up-Radwege zeigen vielmehr, dass Radverkehr ohne viel Geld und unbürokratisch gefördert werden kann.

Der gestiegene Absatz neuer Räder während der Coronakrise ist dabei noch nicht in den Zahlen enthalten, sie decken lediglich die letzten fünf Jahre bis 2019 ab. Die aktuellen Zahlen will die Fahrradindustrie im März präsentieren. Die Auftraggeber der Studie, die drei Branchenverbände Bundesverband Zukunft Fahrrad e.V. (BVZF), Verbund Service und Fahrrad e.V. (VSF) und der Zweirad-Industrie-Verband e. V. (ZIV) erwarten für die Zukunft weiteres Wachstum – trotz steigender Preise, die sich an der Nachfrage orientieren und dem immer noch durch Corona gestörten Zulieferermarkt. Denn Rahmen und Teile bis zu kompletten Rädern kommen weitgehend aus Asien, dazu sind die Kosten für Leercontainer in Asien von 1000 auf 7000 Euro pro Stück gestiegen.

Die Kernbereiche der Fahrradwirtschaft entwickelten sich vor dem Hintergrund einer insgesamt positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland bis 2019 sogar dynamischer als das deutsche Mittel. Auch in der Pandemie-Zeit ist die Nachfrage weiter gestiegen. Lock- down bedingte Umsatzrückgänge wurden durch Nachholeffekte mehr als ausgeglichen. Bemerkenswert: 2019 war das erste Jahr, in dem in Deutschland mehr E-Bikes als dieselbetriebene Pkw verkauft wurden. Die Elektri zierung des deutschen Fahrzeugmarktes beginnt damit auf zwei Rädern.

Die Branche fordert eine entsprechende Anerkennung, denn die Förderung des Radverkehrs läge nicht nur in klimapolitischem, umwelt- und gesundheitspolitischem und auch nicht nur in verkehrspolitischem Interesse, sondern Fahrräder und E-Bikes hätten eben auch eine erhebliche wirtschaftspolitische Bedeutung, wie die Studie zeige.

Dabei sei der Aufbau krisenfester Lieferketten auch für die Fahrradwirtschaft wichtig. Diese müsste ebenso wie auch die Radinfrastruktur gefördert werden. Tatsächlich stünden mittlerweile nicht unerhebliche finanzielle Mittel für die Verbesserung der Radverkehrsinfra- struktur bereit, aber es hapere nach wie vor an der Umsetzung. 

So gehe eine Radverkehrsförderung nicht ohne Auswirkungen auf andere Verkehrsträger. Der öffentliche Raum müsse neu geordnet („Mehr Platz fürs Rad“), die Prioritäten neu gesetzt werden (Radschnellwege, Fahrrad- straßen, Komfort-Radwege). Innerorts müsse die Differenzgeschwindigkeit verschiedener Verkehrsträger verringert und damit die Sicherheit erhöht werden, fordert die Fahrradwirtschaft. Sie erwartet von den politischen Entscheidern konsequentes und wirksames Handeln, um die Mobilitätswende zügig voranzubringen. Ziel sind lebenswerte Städte mit einem leistungsfähigen und klimafreundlichen Verkehrssystem.

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