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So kann Europa klimafreundliche und ressourcenschonende Produktion und Produkte attraktiver machen

Geht es um die Produktion von Stahl, Beton und Kunststoffen, kommen sowohl Politik, Industrie und Verbraucher*innen nicht um einen Wandel herum. Eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs der energie- und materialintensiven Produktion, eine stärkere Kreislaufführung der Ressourcen lässt sich jedoch nur politisch erreichen – mit höheren Ressourcenkosten. Eine Studie macht Vorschläge, wie die europäische Politik Produktion und Konsum dauerhaft wandeln kann.

Die Hoffnung liegt auf dem grünen Stahl, wie er von Produzenten wie SSAB und Thyssenkrupp im schwedischen HYBRIT-Projekt entsteht – mit regenerativ produziertem Wasserstoff statt treibhausgasintensiver Kohle. Um die europäischen Klimaziele und Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu erreichen, muss die Produktion energieintensiver Stoffe wie Stahl, Zement, Beton, Aluminium, Glas, Keramik, Chemiekalien und Co. innerhalb einer Generation umgestellt werden. Die gesamte Verarbeitungskette muss sich verändern, hin zu einer Circular Economy, die Rohstoffe und Produkte länger im Kreislauf führt, der Energie- und Materialverbrauch wesentlich geringer ist und deren Produkte Konsumenten länger und umweltschonender nutzen können.

Die dazu notwendigen massiven Investitionen scheut die Produzentenseite bisher – so lange, wie sich mit den bisherigen Methoden und Anlagen noch Produkte absetzen lassen und die Kosten für CO2-Emissionen nicht zu hoch sind. Zudem ist bislang die Nachfrage nach klimafreundlichen Materialien wie recycelten Plastikwaren oder grünem Stahl gering – auch weil Marktanreize fehlen. Es gibt zu wenig Gründe, grünen Stahl, Zement und Kunststoff zu kaufen, weil die konventionellen Produkte wegen mangelnder Auflagen viel günstiger sind.

Damit europäische Fabriken ihre Produktion klimaneutral umstellen, braucht es also angemessene Marktbedingungen. In einer neuen Studie präsentieren die Denkfabrik Agora Energiewende, das Unternehmensnetzwerk CLG Europe und Forscher*innen der Universität Cambridge Maßnahmen, die Marktanreize für klimafreundliche Produkte schaffen und so Produzenten in der EU bei der Transformation zur Klimaneutralität bis 2050 unterstützen können.

Dazu zählen etwa die Einführung von CO2-Grenzwerten für importierte Konsumgüter, Berichterstattungs- und Meldepflichten für Unternehmen sowie eine CO2-Kennzeichnung für Rohmaterialien und Grundstoffe. Für die Studie haben die Organisationen Interviews mit führenden europäischen Unternehmen aus verschiedenen Industriezweigen und mit unterschiedlichen Wertschöpfungsketten geführt – darunter Unilever, Coca-Cola European Partners, Stora Enso, SSAB und Volvo.

„Will die EU bis 2050 klimaneutral werden, muss sie jetzt dringend die Voraussetzungen für eine beschleunigte Industrie-Transformation schaffen“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Dafür bleibt uns nur noch ein Investitionszyklus. Unsere Studie zeigt, dass skalierbare Marktanreize entscheidend sind, um klimaneutralen Materialien den Markt zu eröffnen.“

Die Studie von Agora und CLG Europe legt dar, wie die Politik Anreize für den Absatz von klimaneutralen Materialien zu Preisen schaffen kann, die es der Industrie erlauben, die Kosten für die klimaneutrale Produktion von Grundstoffen wie Zement, Stahl Eisen und Stahl sowie Basischemikalien zu decken.

Zudem zeigt die Studie, wie höhere CO2-Preise für die Industrie nur zu marginalen Kostensteigerungen für die Endverbraucher*innen führen – anders als vielfach behauptet. So steigt durch einen CO2-Preis von 100 bis 132 Euro pro Tonne CO2 bei Zement und Stahl zu 75 Prozent höheren Kosten für die Produzenten (+600 € = +75 % pro Tonne Zement, + 2000 € = + 20 % pro Tonne Stahl). Für ein Gebäude im Wert von 500.000 Euro muss die Endkundin jedoch nur 8333 € = 1,7 % mehr zahlen, für ein Auto im Wert von 20.000 Euro nur rund 200 Euro mehr, lediglich ein Prozent. Den nur geringfügig höheren Preis für grüne Produkte könnten Endverbraucher*innen also durchaus aufbringen – im Preiskampf mit konventionellen Herstellern könnten Produzenten aber auch ihre Margen reduzieren.

Die Studienergebnisse belegen außerdem, dass es den befragten Unternehmen an aussagekräftigen Daten zur CO2-Intensität von Rohmaterialien und Grundstoffen fehlt. Solche Daten sind jedoch notwendig, um nachgelagerten Fertigungsbetrieben und Endverbraucherinnen und -verbrauchern eine klimafreundliche Wahl zu ermöglichen.

Die Autorinnen und Autoren machen außerdem deutlich, dass politische Maßnahmen, die die Nachfrage nach klimaneutralen Industrieprodukten fördern, auch weitere klimaneutrale Lösungen voranbringen können. Dazu gehören beispielsweise die effizientere Nutzung von kohlenstoffintensiven Materialien in der verarbeitenden Industrie oder ein höherer Anteil an recycelten Materialien in der Fertigung und dem Remanufacturing. Denn die Produktion und Nutzung von Rohmaterialien und Grundstoffen gehört zu den Haupttreibern des Klimawandels: 2017 entstanden hierdurch etwa 16 Prozent der jährlichen Netto-CO?-Emissionen in der EU und rund 20 Prozent der weltweiten CO?-Emissionen.

Die Europäische Kommission hat im März dieses Jahres eine neue Industriestrategie und einen „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ als Teil des europäischen Green Deals vorgestellt. Schon zuvor war eine Initiative für nachhaltige Produkte angekündigt worden. Die entsprechenden Gesetzesvorschläge sollen bis Ende des Jahres vorgelegt werden. Mit Blick auf dieses Gesetzespaket haben Agora Energiewende und CLG Europe drei politische Prioritäten für die EU identifiziert, mit denen Marktanreize für klimaneutrale Materialien geschaffen werden können:

  • Die Festlegung von CO2-Grenzwerten für importierte, materialintensive Endprodukte wie Baumaterialien, Fahrzeuge und Verpackungen.
  • Die Entwicklung von Kriterien und Anforderungen für die Berichtserstattung sowie einer Kennzeichnungsskala zur CO2-Intensität für wichtige Wertschöpfungsketten und Grundstoffe, um so die Datenverfügbarkeit, -qualität und -vergleichbarkeit zu verbessern.
  • Der Einsatz gezielter Maßnahmen, zum Beispiel in der öffentlichen Beschaffung, um die Verwendung von Recyclingmaterialien zu steigern und innovative, CO2-freie Materialien zu fördern.


Wie eine Circular Economy funktionieren kann, zeigt das gleichnamige factory-Magazin. Hinweise für Unternehmen, wie sie zum Beispiel CO2-Bilanzen über alle Bereiche inklusive der Produkte gewinnen können, gibt der Beitrag Instrumente für den Unternehmenswandel im factory-Magazin Change. Wie Anreize zur Ressourcenschonung geschaffen werden können, erfahren Sie im Beitrag zu Ressourcensteuern im Magazin Steuern. Und wo man bereits mit hohem Bewusstsein für Rohstoffe Häuser baut und den Rohstoffeinsatz um 50 Prozent reduziert, lesen Sie im Magazin Besser bauen.

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