"Wir erleben in Echtzeit die sechste Welle eines Massensterbens", sagte der Wirtschaftssoziologe Jeremy Rifkin in einem Vortrag beim Nachhaltigkeitstag 2020. Dort wurde er für seine jahrzehntelange Arbeit mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. "Dieses Ausrottungsszenario begleitet die Lebenszeit jetzt geborener Kinder, rund 80 Jahre." Angesichts dessen fordert er eine "neue ökonomische Vision" – die herkömmliche sei offensichtlich zur Bewältigung nicht nur nicht geeignet, sie fördere die Krise sogar.
Im Vortrag konkretisierte Rifkin, der für eine konsequente Kreislaufwirtschaft plädiert, seine Vision: Die weltweite Digitalisierung der drei zentralen Bereiche Energie, Kommunikation und Bildung – die drei Internets, wie er sie nennt. Die dadurch erreichte Dezentralisierung sei der Schlüssel für eine zukunftsfähige Gesellschaft.
Geld für die Transformation sei genug vorhanden: Die riesigen Investitionssummen – "die 100-Billionen Dollar-Blase" –, die bisher in fossile Industrien geflossen seien, würden nur auf neue Aufgaben warten. Markt, Technik und Interesse sei da, mit Fridays for future würden zwei Generationen eine weltweite Bewegung zum Wandel vorantreiben.
Vor einem Jahr erschien sein Buch Der globale Green New Deal auf Deutsch. Darin plädiert er für einen neuen ökonomischen Plan, um den 2028 erfolgenden Zusammenbruch der fossil befeuerten Zivilisation abzuwenden. Die Coronakrise war da noch nicht abzusehen. Jetzt hat sie die aufkommende Wirtschaftskrise noch verstärkt, die Klimakrise jedoch wieder in den Hintergrund gedrängt – immerhin ist US-Präsident Trump abgewählt.
Nach mehreren Monaten Pandemie reden die meisten Betroffenen – und betroffen sind die meisten – von einer Rückkehr zur Normalität, die sich längst geändert hat, wie in factory in Von der Chance zum Change beschrieben. Warum diese Krise die beste Chance für einen schnellen Wandel ist, erläutert Manfred Fischedick ebenfalls in der factory.
Fischedick, seines Zeichens wissenschaftlicher Leiter des Wuppertal Instituts, erläutert, wie die laufenden Konjunkturpakete, der Green Deal der EU und was auf der internationalen Ebene der UN-Staaten geändert werden muss, damit diese tatsächlich ökologisch, sozial und ökonomisch wirksam werden – und nicht den Status Quo zementieren und damit den Wandel gefährlich verzögern.
Change sei jetzt möglich, sagt Fischedick wie Rifkin, mit grünen, nachhaltigen und ökologisch-sozialen Programmen. Diese müssten jedoch weltweit den Pariser Klimazielen folgen – und dürften nicht Wirtschaft und Wachstum von gestern fördern. Nur so lasse sich die Erderhitzung begrenzen und die Gefahr sich häufender und verstärkender Krisen verringern.
Wirtschaft und Gesellschaft bräuchten jedoch die Unterstützung der Politik. "Sie muss deutliche Change-Signale setzen", fordert Fischedick. "Für grüne Innovation und Strukturwandel. Die nächsten zehn Jahre werden entscheiden, ob wir das Ruder noch herumreißen können. Verpassen wir diese Chance nicht."
Und selbst die Politik zeigte sich auf dem Deutschen Nachhaltigkeitstag dessen bewusst. "Wir kommen nur aus der Krise, wenn wir uns nachhaltiger aufstellen", sagte Ursula Heinen-Esser (CDU), die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz in NRW, als sie die Next-Economy-Awards des Deutschen Nachhaltigkeitspreises vergab.
Welche Entscheidungen dazu notwendig sind, beschreibt Manfred Fischedick in seinem Beitrag Diese Krise ist die beste letzte Chance im factory-Magazin Change. Das ist reich illustriert, gut lesbar auf Tablet-Computern und steht kostenlos zum Download bereit. Einzelne Beiträge finden sich auch im Themenbereich.