Für ein großes Menü bei einem Burger-Brater würden sie sich von ihm trennen, von ihrem geliebten alten Mobiltelefon. Das erzählten Schülerinnen und Schüler im Projekt Rohstoffexpedition von Wuppertal Institut und dem Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam. Nachzulesen in der factory Trennen.
Ziel der Bildungsinitiative: Ein sensiblerer Umgang mit Produktion, Nutzung und Recycling von Mobiltelefonen. Inzwischen haben über 1600 Schulen daran teilgenommen.
Durchgeführt wurde die Kampagne im Rahmen des Projekts „Rückgabe und Nutzung gebrauchter Handys“, das die beiden Institute am 22. April mit einer Konferenz in Potsdam beendeten.
Weil die Recyclingquote weltweit gering ist, dagegen mehr als 60 wertvolle Rohstoffe in den Alttelefonen schlummern und diese zu geschätzt mehr als 83 Millionen allein in Deutschlands Schubladen, haben Politik und Industrie Interesse an der Verwertung.
Im Auftrag des Bundesforschungsministeriums untersuchten die beiden Institute im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2012, wie Jugendliche Mobiltelefone nutzen und mit welchen Strategien sie zu Rückgabe und Längernutzung motiviert werden können.
Die Ergebnisse: Zwar besitzen in Deutschland ca. 99 Prozent der Jugendlichen ein Handy, doch die wenigsten von ihnen sind über die Recyclingnotwendigkeit und -wege informiert.
Selbst bei jenen, bei denen das Wissen vorhanden ist, gibt es große Vorbehalte, ihr altes Handy wegzugeben, denn viele Jugendliche bauen eine emotionale Bindung zu ihrem Mobiltelefon auf. Das bestätigt Dr. Maria Jolanta Welfens im Interview.
Darüber hinaus misstrauen die Handynutzer den Recyclingwegen. "Hier ist eine umfassendere und zielgruppenspezifischere Aufklärung - möglicherweise mittels Testimonials - über Möglichkeiten des Recyclings notwendig", fordern die Wissenschaftler.
Im Vordergrund stehe dabei nicht nur das Zurückgeben des Handys an die Produzenten, sondern auch das Weitergeben des Altgerätes innerhalb der Familie.
Auch ökonomische Anreize können Jugendliche zum Recycling motivieren. Diese müssten auch für Produzenten geschaffen werden. Das bedarf zum einen neuer Geschäftsmodelle und zum anderen einer politischen Initiative, um solche Geschäftsmodelle zu fördern. Möglichkeiten hierfür wären zum Beispiel Leasing. Würde das Konzept "Nutzen statt Besitzen" praktiziert, träten Hersteller und Provider eher als Dienstleister der Kommunikation auf.
Sollen solche Kampagnen funktionieren, müssen zur Vermittlung des generellen Problembewusstseins auch die sozialen Normen angesprochen werden, um einen verantwortungsvollen Umgang mit den in Handys steckenden Rohstoffen zu bewirken.
Neben der wissenschaftlichen Erforschung des Konsumentenverhaltens wurde deshalb im Rahmen des Projektes auch die angesprochene Sensibilisierungs-Kampagne zur Ressourcenintensität von Handys mit praxisnahem Fokus entwickelt. Darin wurden beispielsweise anschauliche Lern- und Arbeitsmaterialien erstellt und eine Sammelaktion an Schulen durchgeführt. Die deutschlandweite "Rohstoff-Expedition" war ein voller Erfolg.
Handlungsbedarf besteht aber auch in der Wirtschaft, so ein weiteres Projektergebnis. Denn Handyrecycling ist nicht (nur) Bringschuld der Verbraucher, sondern (auch) Holschuld der Mobilfunkanbieter. Das Recyclingproblem zum Bestandteil der Unternehmensstrategie zu machen hieße beispielsweise die Einrichtung von Handytauschbörsen, Bauteilsysteme oder vorab installierte Nachhaltigkeits- und Recyclingapplikationen. Informationen über den Ressourcenverbrauch im gesamten Lebenszyklus des Mobiltelefons (ökologischer Rucksack) sollten von den Herstellern offengelegt und transparent dargestellt werden. Zusammen mit einer Aufforderung zur Rückgabe sollte das Teil der Produktinformation sein.
Besonders positiv hervorgehoben wurde die enge Verzahnung zwischen Forschung und praktischer Umsetzung. Die Teilnehmer forderten ein Netzwerk ("Allianz") aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und NGOs, um die nachhaltige Nutzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Mobiltelefonen voranzutreiben.
Die beteiligten Partner aus Politik (BMBF und BMU), Industrie (Deutsche Telekom, Vodafone, E-Plus, Telefonica, Teqport, Vere, Take-e-way, Electrocycling) sowie der Wissenschaft (IASS Potsdam, Wuppertal Institut und Leuphana) zeigten sich einig, dass ein solches Projekt langfristig und damit nachhaltig im Sinne von dauerhaft und systemisch angelegt sein müsste, um sichtbare und relevante Erfolge im Sinne einer Bewusstseins- und Verhaltensänderung vorweisen zu können.
Mehr zum Handy-Recycling im Interview mit Christian Hagelüken und zu den einzelnen Motivationsaspekten im Interview mit Dr. Maria Jolanta Welfens im Rahmen des factory-Magazins Trennen.