Das Magazin WirtschaftsWoche hatte Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts (WI), und Prof. Dr. Friedrich Schmidt-Bleek, ehemaliger Vize-Präsident des (WI) zu einem Streitgespräch geladen. Der Anlass: Schmidt-Bleeks neues Buch Grüne Lügen, das in vielen Medien als Kritik der Energiewende gelesen wird (siehe Links unten).
Schmidt-Bleek, der als Erfinder des ökologischen Rucksacks gilt, dem Maß des "mitgeschleppten" Ressourcenverbrauchs für Produkte und Dienstleistungen von der Rohstoffförderung bis zur Verwertung, tritt dafür ein, die Entwicklungen auch innerhalb der Energiewende an ihrem Massenverbrauch und ihrem Nutzen zu messen.
Ressourcenschonung ist für Schmidt-Bleek der beste Klimaschutz: Rohstoffe, die nicht gefördert, bewegt und verarbeitet werden müssen, belasten das Klima nicht, ist sein Credo seit Jahrzehnten. In einer der einführenden Tabellen in seinem neuen Buch haben Höhenwindanlagen einen um den Faktor 6 kleineren Rucksack als Windkraftanlagen (0,027 kg/kWh) und führen damit vor Wasserkraftwerken und Solarthermie die Tabelle der geringsten Ressourcenverbraucher an. Photovoltaik liegt dagegen im hinteren Mittelfeld (ca. 0,35 kg/kWH), aber noch weit vor Steinkohle und Braunkohle, die mit 1,14 kg/kWh der größte Ressourcenfresser ist, was an dem geringen Energiegehalt und den hohen Abraummengen beim Tagebau liegt – und sie damit auch zum größten CO2-Emittenten macht.
Deswegen kommt bei ihm die Elektromobilität besonders schlecht weg. Selbst die hierzulande und vor allem in den USA und Japan als Klimaschützer verkauften Hybridfahrzeuge hält er für umweltschädliche Entwicklungen. „Zwei Motoren plus Batterie in einem Auto bedeuten grob eine Verdopplung der Menge an Material je gefahrenen Kilometer gegenüber einem Benziner. Was soll daran ökologisch sein?“, kritisierte er in der WirtschaftsWoche.
Schneidewind gibt ihm auch in Bezug auf das Elektromobilitätsprogramm der Bundesregierung recht: Der Tausch Elektro- gegen Verbrennungsmotor nutze in der Bilanz nur, wenn die Gesamtzahl der Fahrzeuge sinke und der Gebrauch von Fahrrädern, Bussen und Bahnen massiv gefördert werde – und nur der Rest elektrisch fahre. Auch ein Rebound-Effekt des Carsharing bekommt sein Fett weg: Einzelne würden zwar ihren Wagen abschaffen, dafür aber bei schlechtem Wetter eher das Auto als Rad und Bus nutzen.
Laut WirtschaftsWoche-Meldung (online) beklagen beide Experten den Stillstand in der Umweltpolitik. Angesichts weiter verschlechternder Umweltindikatoren fordert Schneidewind eine Verteuerung von Treibhausgasen durch Handelssysteme, um dadurch die Braunkohle unwirtschaftlich zu machen. Schmidt-Bleek plädiert für eine ökologisch-soziale Pionier-Rolle europäischer Staaten, damit auch China und Indien sich dieses zum Vorbild nehmen könnten.
Quelle: WirtschaftsWoche: Uwe Schneidewind: Wuppertal-Institut kritisiert Elektromobilitätskonzept der Bundesregierung (30.8.2014)
Weitere News zu Friedrich Schmidt-Bleeks neuem Buch "Grüne Lügen":
- Die Presse.com: Öko-Pionier: "Unser Umweltschutz schadet der Umwelt" (18.8.2014)
- Technology Review: Klassische Taschenspielertricks. Die Energiewende schadet der Umwelt mehr, als dass sie ihr nützt, meint Friedrich Schmidt-Bleek. Stimmt das? (14.07.2014)
- WirtschaftsWoche: Öko-Pionier Friedrich Schmidt-Bleek: "Grüne Lügen" - Abrechnung mit den Klimarettern (25.6.2014)
- taz.de: Grüne Lügen: Megatonnen statt Milligramm (7.6.2014)
Friedrich Schmidt-Bleek zu Ressourcenverbrauch und Dematerialisierung im Video:
Nachhaltigkeit.info: Schmidt-Bleek: Checkliste Dematerialisierung. Interview beim World Resources Forum in Davos, 2009
Hinweis: Das factory-Magazin Sisyphos beschäftigt sich mit Politiken zur Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, die Notwendigkeit dazu schildert das factory-Magazin Trans-Form. Die nächste factory erscheint im September zum Thema Rebound. Wer diese nicht verpassen will, abonniert am besten den factory-Newsletter.