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Umfrage: Kaum Verbesserung bei ÖPNV-Anbindung sowie Rad- und Fußverkehr

Mit dem ÖPNV-Angebot vor Ort ist ein Drittel der Menschen in Deutschland unzufrieden. Positive Veränderungen seien kaum zu spüren. Im Rad- und Fußverkehr habe sich die gefühlte Sicherheit nicht verbessert. Nach der ersten Befragung 2022 zeigt das Mobilitätsbarometer 2024 nur wenig empfundene Verbesserung der ressourcenschonenden Mobilität.

Im Bereich der Mobilität ist seit langem klar, was für Klima- und Umweltschutz passieren muss – unabhängig von der Technologieentwicklung: Es gilt, den individuellen automobilen Verkehr insgesamt zu verringern und ihn in öffentlichen Verkehr und auf das Fahrrad umzulenken. Besonders im Nahbereich von Städten und Gemeinden sind die Bedingungen für eine solche Verkehrswende eigentlich gut.

Und würde die öffentliche Infrastruktur entsprechend ausgebaut, könnte der Verkehrsbereich bis 2045 weitgehend klimaneutral sein. Eine schnelle Wende 2025 würde zudem erhebliche Kosten gegenüber einer aufgeschobenen späteren sparen.

Doch bisher kommen Investitionen im Nah-, Rad- und Fußverkehr bei den Menschen nicht an, stattdessen stellt die konservative Politik inzwischen sogar das Deutschlandticket und zusätzliche Investitionen grundsätzlich in Frage.

Entsprechend nehmen laut einer repräsentativen Umfrage mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland bei ihrer Anbindung an Bus und Bahn keine positive Veränderung wahr, jede*r Dritte ist unzufrieden mit dem ÖPNV-Angebot am eigenen Wohnort. Und auch die gefühlte Sicherheit auf Radwegen und zu Fuß hat sich nicht verbessert.

Das ist das Ergebnis des Mobilitätsbarometers 2024 von Allianz pro Schiene, BUND und Deutschem Verkehrssicherheitsrat. Das Forschungsinstitut Kantar hat dafür im September und Oktober 2024 mehr als 2.000 Menschen ab 14 Jahren im gesamten Bundesgebiet telefonisch und online befragt. Es ist bereits die zweite Untersuchung zur Zufriedenheit der Menschen mit dem ÖPNV. Das erste Mobilitätsbarometer hatten die Verbände Ende November 2022 veröffentlicht.

 

Bei Bus und Bahn wünschen sich die Menschen dichtere Takte

Im Ländervergleich vorn liegen – hinter den drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen – Hessen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Brandenburg bilden die  Schlusslichter im Ranking.

Die diesjährige Befragung bestätige erneut deutlich, dass ein Großteil der Menschen nicht primär die Entfernung zur nächsten Haltestelle als Problem empfinde, sondern vor allem zu seltene Abfahrten an den Haltestellen. Jede/r Dritte sei damit unzufrieden (34 Prozent), heißt es in der Pressemitteilung zum Mobilitätsbarometer 2024.

Außerdem sollten die Teilnehmenden angeben, ob sich die Zahl der Abfahrten an ihrer nächstgelegenen Haltestelle in den vergangenen fünf Jahren verbessert oder verschlechtert habe. Bundesweit nahmen nur 17 Prozent der Befragten eine positive Veränderung wahr. 68 Prozent spürten keinerlei Veränderung, 15 Prozent eine Verschlechterung.

„Mehr als 80 Prozent der Menschen beklagen entweder Stillstand oder sogar eine Verschlechterung des ÖPNV-Angebots am eigenen Wohnort", kommentiert Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. "Die Antwort darauf kann unmöglich sein, das Deutschlandticket ständig infrage zu stellen. Die Politik muss das Ticket für die Zukunft sichern und gleichzeitig das Angebot spürbar verbessern."

Zu Recht hätten die Menschen die Erwartung, dass sie ihr Ticket im ganzen Land nutzen können. Und da klaffen Anspruch und Wirklichkeit insbesondere im ländlichen Raum weit auseinander. Aus der Befragung lasse sich ein Auftrag an die Politik ableiten, mit den Erwartungen der Menschen Schritt zu halten und ein besseres Angebot bereitzustellen, so Flege.

 

Nachholbedarf bei sicherem Rad- und Fußverkehr

Die mehr als 2.000 Teilnehmenden wurden außerdem danach gefragt, ob sie sich sicher fühlen, wenn sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad in ihrer Umgebung unterwegs sind.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Sicherheit auf dem Rad hat in den Augen der Befragten insgesamt keine Fortschritte gemacht, knapp die Hälfte bemerkt keine Veränderung. 27 Prozent geben sogar an, sich weniger sicher zu fühlen als vor fünf Jahren. Umfragen des ADFC waren zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen.

Besonders viele Radfahrer*innen und Radfahrer sind mit der Infrastruktur in Thüringen, Sachsen-Anhalt und im Saarland unzufrieden. Obwohl man beim ÖPNV schon ganz nah an der Vision Zero sei, müssten die Menschen erst einmal zum Abfahrtsort gelangen, sagt Manfred Wirsch, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats. "Wenn weniger als die Hälfte – nur 44 Prozent der Befragten – angibt, dass ihnen ausreichend sichere Fahrradwege zur Verfügung stehen, muss dringend nachgebessert werden.“

Auch für den Fußverkehr gibt es bundesweit großen Nachholbedarf. Wirsch: „85 Prozent der Menschen empfinden, dass sich ihre Sicherheit als Fußgängerin oder Fußgänger in den vergangenen fünf Jahren nicht verbessert hat. Die Vision Zero bedeutet, für alle Arten der Verkehrsteilnahme sichere Verkehrswege bereitzustellen. Wenn das in den Augen der Bevölkerung nicht gelingt, ist das ein Alarmsignal.“

 

Verbände fordern neue Verkehrspolitik

Alle drei Verbände fordern einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik. Tina Löffelsend, Abteilungsleiterin Klimaschutz des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „In Wahlkampf und Koalitionsvertrag wird vermutlich wieder viel vom Auto die Rede sein. Dabei zeigt unsere Befragung: Die Menschen wollen mehr Öffentlichen Personennahverkehr, sie wollen sichere Radwege, und sie wollen bedenkenlos zu Fuß unterwegs sein."

Bei Bussen und Bahnen und der Sicherheit im Straßenverkehr gäbe es deutlichen Nachholbedarf. Eine neue Bundesregierung müsse die Verkehrspolitik stärker an den unterschiedlichen Bedürfnissen ausrichten. Dafür sei die Infrastruktur für den Umweltverbund auszubauen und anzupassen.

An höheren Investitionen in die umweltfreundliche Verkehrsinfrastruktur dürfte also keine zukunftorientierte Regierung in Deutschland vorbeikommen. Auch für die Gewinnung entsprechender Summen gäbe es Möglichkeiten, beispielsweise durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen und durch Besteuerung größerer Vermögen und hohen Ressourcenverbrauchs. Für mehr Gerechtigkeit und einen lohnenswerten Umstieg vieler auf umweltfreundliche Verkehrsmittel könnte außerdem eine gestaffelte Rückverteilung der steigenden CO2-Preis-Einnahmen im so genannten Klimageld sorgen.

Mehr dazu in den factory-Magazinen Kapital und Mobilität – und in den jeweiligen Themenbereichen.

Weitere Medienberichte:
Redaktionsnetzwerk Deutschland: Jeder Dritte fühlt sich schlecht mit Bus und Bahn angebunden
tagesschau: Klagen über schlechten öffentlichen Nahverkehr

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