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Schnelle Verkehrswende kostet weniger

An einer wirkungsvollen Emissionsreduktion im Verkehrssektor geht kein Weg vorbei. Sie wird nach langer Zeit der Zurückhaltung viel Geld kosten. Würde entschlossen zielgerichtet investiert, wäre der Verkehr 2045 klimaneutral, mit den bisherigen Plänen gelingt das nicht. Die schnelle Wende 2025 spart Kosten: Beginnt sie erst 2030 wird es insgesamt 500 Milliarden Euro teurer.

Mit Investitionen ist es so eine Sache: Zeitpunkt und Höhe sind entscheidend. Ganz ohne oder in die falschen Richtung erreicht man keinen Klima- und Ressourcenschutz. Und zögert man weiter, wird es immer teurer – und die Risiken höher.

Für den Verkehr mit seinen hohen Infrastrukturkosten gilt das ganz besonders. Deswegen gehört der Verkehrsbereich neben dem Bereich Gebäude zu den beiden Problemsektoren des deutschen Klimaschutzes. Besonders im Verkehr tut sich seit drei Jahrzehnten kaum etwas bei der Reduktion der Emissionen. Der Sektor hat 2023 zum vierten Mal sein gesetzlich vorgeschriebenes Ziel verfehlt – und wirkungsvolle Gegenmaßnahmen ausgelassen.

Weil das das FDP-geführte Verkehsministerium auch für die Zukunft erwartet und schließlich populistisch mit Fahrverboten drohte, ändert die Bundesregierung mit der im April 2024 beschlossenen Novelle sogar das Klimaschutzgesetz und verteilt die Verantwortung auf alle Sektoren.

Ob das innerhalb der EU gelingt ist fraglich. Hier muss die Bundesregierung die Verfehlungen von Einzelzielen durch den Zukauf von Emissionsrechten aus anderen EU-Mitgliedsstaaten kompensieren – oder Strafzahlungen leisten.


Konzepte sind da – politischer Wille fehlt

Was zu tun ist, ist im Mobilitätssektor eigentlich seit langem klar – und auch die innovativste Technologieentwicklung ändert daran wenig, sondern erleichtert es: "Im Verkehr gilt es, den individuellen automobilen Verkehr insgesamt zu verringern und ihn in öffentlichen Verkehr und auf das Fahrrad umzulenken; den verbleibenden Anteil gilt es zu elektrifizieren", heißt es im factory-Magazin Mobilität.

Über die Push-and-Pull-Faktoren für eine nachhaltige, also auch sozial gerechte Verkehrswende, sind sich Wissenschaftler*innen und Expert*innen weitgehend einig: Ineffektive und klimaschädliche Verhaltensweisen und Technologien müssen unattraktiv gemacht, der Zugang zum nachhaltigen Verkehr gleichzeitig erleichtert werden.

Das erfordert hohe Investitionen, doch ein Weiter-so, dass lediglich bisher nur geplante Klimaschutzmaßnahmen umsetzt und erst später verschärft, kommt insgesamt wesentlich teurer. Zudem würde die Regierung auch die noch gültigen Klimaziele im Verkehr verfehlen – und siehe oben – mit hohen Ausgleichszahlungen konfrontiert. Das zeigt auch eine neue Studie des Thinktanks Agora Verkehrswende.


Später handeln wird teurer

Demnach könnte Deutschland im Verkehrssektor bis 2045 ohne Mehrkosten oder Einbußen in der Mobilität konsequent klimaneutral werden, wenn die Bundesregierung unverzüglich umfassende zusätzliche Maßnahmen ergreifen würde.

Steuert die Politik jedoch erst im Jahr 2030 um, wären die gleichen Emissionseinsparungen dagegen nur mit Mehrkosten von rund 500 Milliarden Euro möglich. Bleibt es bei den bis heute beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen, würde Deutschland die Klimaziele im Verkehr verfehlen und bis 2045 Mehremissionen von rund 590 Millionen Tonnen CO2 im Verkehr verursachen.

„Würde die Bundesregierung nach volkswirtschaftlicher Logik handeln, müsste sie beim Klimaschutz im Verkehr schnell alle Hebel in Bewegung setzen“, sagt Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende. Das politische Zögern habe einen Preis, entweder in höheren Summen oder Treibhausgasen, also in wirtschaftlichem Wohlstand und dem rechtlich vereinbarten Schutz der Lebensgrundlagen.


Drei Ausgabenszenarien untersucht

Werden alle Ausgaben über die kommenden 20 Jahre aufsummiert, schneidet das unverzügliche Klimazielszenario sogar mit einer Einsparung von rund 60 Milliarden Euro leicht günstiger ab als das Referenzszenario.

Die Studie, die das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos im Auftrag von Agora Verkehrswende erarbeitet hat, vergleicht die volkswirtschaftlichen Ausgaben und Kosten für den Verkehr in Deutschland bis 2045 anhand von drei Szenarien.

Das Referenzszenario basiert auf Projektionsberichten der Bundesregierung für die Wirkung der aktuellen Klimaschutzpolitik. In zwei Zielszenarien ergreift die Politik weitere Maßnahmen: In einem beginnt sie damit umgehend, im anderen erst 2030.


Konzept gleich, Einstieg früher

Beide Zielszenarien verursachen auf dem Weg zur Klimaneutralität im Verkehr gleich viele Gesamtemissionen und verfolgen dabei politisch die gleiche Grundstrategie: Umstieg von Verbrennungsmotoren auf elektrische Antriebe kombiniert mit Verlagerung von Straße auf Schiene und von Privat-Pkw auf Bus, Bahn, geteilte Fahrzeuge, Fahrrad und Fußverkehr.

Beide zeichnen sich im Vergleich zum Referenzszenario auch dadurch aus, dass sie anfangs mit höheren Investitionen verbunden sind – insbesondere für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und für die Anschaffung von E-Fahrzeugen.

Im zügigen Verkehrswendeszenario lassen sich dadurch aber schon ab den frühen 2030er Jahren finanzielle Einsparungen im Vergleich zum Referenzszenario erzielen. Mehr Energieeffizienz und Verkehrsverlagerung sorgen dafür, dass weniger Ausgaben für Straßenfahrzeuge, inklusive Wartung und Kraftstoffe, sowie für Straßeninfrastruktur erforderlich sind.


Stärkere CO2-Orientierung mobilisiert

Die Bundesregierung müsse eine Lösung finden, wie die öffentliche Hand schnell, langfristig verlässlich und im erforderlichen Umfang in Klimaschutz investieren könne, fordert Agora-Verkehrswende Projektleiter Carl-Friedrich Elmer. "Zudem liegt es an der Bundesregierung, günstige Rahmenbedingungen und geeignete Anreize für private Klimaschutzinvestitionen zu schaffen."

Ein erster Schritt könne eine am CO2-Ausstoß orientierte Reform der Steuern, Abgaben und Subventionen rund um den Pkw – von Kfz- und Dienstwagenbesteuerung bis zu CO2-Preis mit Klimageld und verursachergerechter Pkw-Maut sein.


Transportleistung gleich, individueller Anteil geringer

Alle drei Szenarien ermöglichen die gleiche Transportleistung im Personen- und Güterverkehr und setzen dabei auf die Elektrifizierung der Antriebe. Die Zielszenarien erreichen darüber hinaus aber auch eine deutliche Verkehrsverlagerung.

Während im Referenzszenario der Anteil des motorisierten Individualverkehrs im Personenverkehr mit fast 80 Prozent sehr hoch bleibt, geht dieser Anteil in den Zielszenarien bis 2045 auf unter 60 Prozent zurück. Dafür steigt der Anteil von Bus und Bahn auf fast ein Drittel.

Im Vergleich zum Referenzszenario ist die Leistung auf der Schiene fast doppelt, die von Bussen sogar dreimal so hoch. In den Zielszenarien fallen deshalb auch die Kosten für Personal im öffentlichen Verkehr deutlich höher aus.

Digitale Lösungen wie selbstfahrende Busse und Bahnen wurden in der Studie nicht berücksichtigt, können aber perspektivisch Personalengpässe lösen und damit zusätzliche Kosten sparen.


Deutliche Reduktion des Pkw-Bestands

Markante Unterschiede weist die Studie in der Entwicklung des Pkw-Bestands aus. Im Referenzszenario steigt die Zahl der Fahrzeuge von 47 Millionen (2019) auf 54 Millionen (2045). Davon werden 45 Millionen (83 Prozent) rein elektrisch sein.

In den Zielszenarien sinkt die Zahl der Fahrzeuge bis 2045 wegen der Verkehrsverlagerung auf 38 Millionen. Im unverzüglichen Zielszenario sind davon 33 Millionen (87 Prozent) rein elektrisch; im verzögerten müssen praktisch alle Pkw 2045 batterieelektrisch sein, um die Mehremissionen aus den Vorjahren zu kompensieren.

Dies ist nur mit der kostspieligen vorzeitigen Stilllegung von Verbrennerfahrzeugen möglich; zudem ist der Einsatz teurer synthetischer Kraftstoffe in größerem Umfang nötig. Daher sprechen die volkswirtschaftlichen Argumente deutlich gegen das verzögerte Zielszenario.


Einsparung von Schadenskosten noch nicht enthalten

Die Studie berücksichtige alle direkten Kosten des Verkehrssystems, heißt es dazu von der Agora Verkehrswende. Neben den Investitionskosten, etwa für Fahrzeuge, Tank- und Ladeinfrastruktur sowie Straßen und Schienen, gehören dazu auch die Betriebsausgaben, etwa für Personal, Antriebsenergie und Wartung.

Außerdem beziehe die Studie mit ein, welche Klimaschäden durch politische Maßnahmen vermieden werden.

Weitere volkswirtschaftliche Vorteile der Zielszenarien, etwa durch Einsparung von Schadenskosten für Luftverschmutzung, Lärm oder Flächenverbrauch, wurden hingegen nicht einkalkuliert, weil dies deutlich komplexere und aufwändigere Methoden erfordert hätte. In einer umfassenderen volkswirtschaftlichen Bilanzierung würden die Zielszenarien also voraussichtlich noch besser abschneiden.


Fazit: Früher ist klüger

Je früher und konsequenter gehandelt wird, desto geringer sind die Kosten für die Gesellschaft durch Schäden an Klima, Umwelt und Gesundheit. Zudem ließen sich so Kosten in Milliardenhöhe für Ausgleichszahlungen im Rahmen der europäischen Klimagesetzgebung vermeiden.

Sicher geht es um viel Geld. Eine Verkehrswende zur klimaneutralen Mobilität bis 2045 werde viel Geld kosten, heißt es in der allgemeinen Debatte. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen und gestiegener Lebenshaltungskosten stehe das nicht zur Verfügung.

Doch schon im Jahr 2019 flossen rund 356 Milliarden Euro in den deutschen Verkehrssektor – in den Kauf von Pkw, Lkw und Bussen sowie für deren Kraftstoff und Wartung, in Straßen, Schienen und Züge, in Personal im öffentlichen und im Güterverkehr, so die Studie.

Aber wenn ohnehin schon so viel Geld im Spiel sei, warum setzt man dann nicht gleich auf Klimaverträglichkeit und externe Kostenreduktion, fragt Wiebke Zimmer im Vorwort der Studie.

Im factory-Magazin Mobilität von 2018 hatten wir bereits ein Konzept für eine Dekarbonisierung bis 2030 vorgestellt. Schon 2017 hatte das Wuppertal Institut eines für emissionsfreien Verkehr bis 2035 entwickelt. Welche Handlungsoptionen immer noch zur Verfügung stehen, auch unabhängige, zeigen die Beiträge im factory-Magazin und im Themenbereich Mobilität – dort auch verbunden mit aktuellen Nachrichten.

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