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  • Diese Abbildung aus der Studie des MCC zeigt den Anteil positiver und negativer Effektgrößen für alle Regionen und einzeln für jede Region.

    a) Für alle Erhebungen, die in die quantitative Analyse einbezogen wurden, ist der Anteil positiver Effektgrößen für grüne Ausgaben (97 %) am größten und für einheitliche Bargeldtransfers (67 %) am geringsten.

    b) In der Region Afrika sind alle Effektgrößen für alle Optionen des Einnahmenrecyclings positiv, die Stichprobe ist allerdings klein.

    c) In der Region Asien und Pazifik sind die Effektgrößen für öffentliche Finanzen (100 %) positiv, gefolgt von gezielten Bargeldtransfers (95 %).

    d) In der Region Europa und Westasien sind nur für grüne Ausgaben (100 %) über 90 % der Effektgrößen positiv. Der geringste positive Anteil wird für einheitliche Geldtransfers festgestellt (64%).

    e) In der Region Lateinamerika und Karibik sind alle Effektgrößen für einheitliche Geldtransfers, grüne Ausgaben, Körperschaftssteuersenkungen und öffentliche Finanzen positiv. Der Anteil positiver Effektgrößen ist bei Steuersenkungen am geringsten (75%).

    f) In der Region Nordamerika ist der Effekt gezielter Geldtransfers immer positiv. Bei einheitlichen Bargeldtransfers, Körperschaftssteuersenkungen und öffentlichen Finanzen ist die Hälfte der Effektgrößen positiv (50 %), und mehr als 80 % der Effektgrößen sind bei grünen Ausgaben und Steuersenkungen positiv.

    Quelle: Nature.com, https://www.nature.com/articles/s44168-024-00153-x

Rückverteilung erhöht Akzeptanz für CO2-Bepreisung

Ohne den Einsatz von Preisen oder Steuern für CO2-Emissionen lassen sich diese nicht genügend reduzieren, um die Erderhitzung zu begrenzen. CO2-Preise sind inzwischen weltweit wirksam, aber noch nicht in allen Bereichen und Ländern. Dort, wo die Einnahmen Klimaschutz fördern und Haushalte bedarfsweise unterstützen, ist die Akzeptanz am größten, zeigt eine Studie, die weltweit Umfragen dazu untersucht hat.

"Eine mutige CO2-Bepreisung ist überfällig", empfahl Stefan Thomas, Wissenschaftler am Wuppertal Institut, 2019 im factory-Magazin Steuern. CO2-Preise seien aber nur im Gesamtpaket wirkungsvoll, sektoral und sichtbar in Klimaschutz investiert, mit Förderung von Beratung, Bildung und Investitionen und Ausgleich für besonders Bedürftige. Was darüber hinaus verbleibe, sollte der Staat Haushalten, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen direkt zurückerstatten. So ließe sich die Akzeptanz weiter erhöhen und Verteilung verbessern.

2024 sind laut Weltbank weltweit 75 CO2-Preissysteme eingerichtet, die rund ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen erfassen, darunter vor allem Emissionshandelssysteme für die Industrie. So zahlen in der EU fossilenergieintensive Betriebe für die “Emissionsberechtigung” einer Tonne CO2 im September 2024 rund 70 Euro – wegen der verringerten Produktion. 2023 hatte der Handelspreis erstmals die 100-Euro-Grenze überschritten.

Daneben gibt es nationale CO2-Preise z. B. für fossile Brennstoffe. In Deutschland gibt es einen staatlich festgesetzten CO2-Preis auf Heizöl, Gas, Kohle, Benzin und Diesel. Dieser steigt bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne CO2 und soll ab 2027 frei gehandelt durch das erweiterte europäische Emissionshandelssystem entstehen. Dabei sind deutlich höhere als die bisher nationalen CO2-Preise zu erwarten.

 

Wachsende Ablehnung des notwendigen Wandels

Zu erwarten ist ebenfalls, dass mit den steigenden Preisen für fossile Emissionen die Aufgaben für die Vermittlung der "richtigen" Transformationspolitik noch größer werden. Denn Klimaschutzmaßnahmen, die allein auf Emissionsverteuerungen setzen, wirken genauso wenig und werden ebenso wenig akzeptiert wie Verbote. Was wirklich wirkt, sind immer Gesamtpakete aus Anreizen, Förderungen, Informationen und Gesetzen.

Die Ablehnung unzureichender Maßnahmen zeigten unter anderen die Gelbwestenproteste 2018 in Frankreich, die kampagnenförmig medial-gestützte Ablehnung einer Wärmewende in Deutschland 2023 und die europaweiten Bauernproteste 2023/2024. Mithin nutzte der Mangel an Transparenz und finanziellem Ausgleich für weniger Vermögende nationalistischen und transformationsunwilligen Parteien in Europa. Europaweit erhielten 2024 rechtsextreme Parteien bis zu 30 Prozent der Wähler*innenstimmen.

Dabei empfehlen Wissenschaftler*innen die gerechte Flankierung von Maßnahmen seit langem. Zuletzt hatten 2023 in einer Ariadne-Studie Forscher*innen darauf deutlich hingewiesen. Sie kamen auf staatliche Einnahmen in Deutschland von bis zu 227 Milliarden Euro bis 2030 durch CO2-Preise. "Damit ließen sich über ein Klimageld die gesellschaftliche Akzeptanz für den CO2-Preis stärken, Kosten für einkommensschwache Haushalte abfedern, Klimaschutzinvestitionen erhöhen oder Einkommenssteuern senken", erklärten sie. "Nur wenn höhere CO2-Preise (mit der entsprechenden Rückerstattung) als gerecht und wirksam empfunden werden, sind auch deutlich höhere CO2-Preise mehrheitsfähig."

 

Sozial flankiert – besser akzeptiert

Eine neue Metastudie vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) zum bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand bestätigt das – und zwar mit weltweiten Umfrageergebnissen zu tatsächlichen Umsetzungen: Eine sozial, also vermögensgerecht flankierte CO₂-Bepreisung, die Produkte entsprechend ihrer Klimaschädlichkeit verteuert und klimafreundliche Alternativen dadurch attraktiver macht, lässt sich politisch leichter durchsetzen.
In den untersuchten Umfragen steigt die Akzeptanz, sobald irgendeine Form von Rückverteilung der Einnahmen mit im Politikpaket enthalten ist.

Die Studie knüpft inhaltlich an zwei frühere MCC-Metastudien an, wonach CO₂-Bepreisung nachweislich die Emissionen mindert und vielerorts, vor allem im globalen Süden, schon ohne Einnahmen-Rückverteilung das soziale Gefälle verringert.

Bei der Akzeptanz konnte man sich jedoch bislang kaum auf historische Erfahrungen stützen, begründet Farah Mohammadzadeh Valencia, Doktorandin in der MCC-Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung und Leitautorin die Studie. „Für einen soliden Vergleich der Akzeptanz mit und ohne Rückverteilung gibt es nur sehr wenige konkrete Fallbeispiele. Deshalb beleuchteten wir bei dieser umfassenden Auswertung der Forschungsliteratur, wie die Menschen sich dazu prizipiell in Umfragen äußern. Das ist naturgemäß subjektiv, beeinflusst vom jeweiligen Informationsstand.“

Über eine umfassende Literaturrecherche, unterstützt von Methoden des maschinellen Lernens, ermittelte das Forschungsteam rund 3500 potenziell einschlägige Studien und suchte dann in aufwendiger Feinarbeit 35 wirklich relevante heraus. In ihnen werden insgesamt 70 Umfragen zur Akzeptanz von CO₂-Bepreisung analysiert, mit rund 113.000 Befragten in 26 Ländern.

Aus dem so erhaltenen Datenmaterial destillierte das Forschungsteam am Ende sogenannte Effektstärken heraus. Sie drücken aus: So stark ist der Effekt auf die Akzeptanz, wenn man die Frage variiert und eine bestimmte Form der Rückverteilung mit einer „noch unbestimmten“ Verwendung der Einnahmen vergleicht.

 

Mit Rückverteilung grundsätzlich mehr Zustimmung

Im Ergebnis zeigen diese statistisch berechneten Effektstärken einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum für die Politik, so das MCC in einer Meldung: CO₂-Bepreisung stößt mit Rückverteilung durchweg auf mehr Zustimmung als ohne. Dabei gibt es regionale Besonderheiten und vor allem beträchtliche Unterschiede je nach konkreter Umsetzung.

Am besten kommt laut den bisherigen Umfragen die Vorstellung an, dass die Einnahmen in klimafreundliche Investitionen fließen, etwa Hilfen für besseren öffentlichen Nahverkehr oder Zuschüsse für klimafreundliche Haushaltsgeräte.

Sehr gut schneiden auch gezielte Geld-Transfers an bedürftige Haushalte ab. Zu einheitlichen Pro-Kopf-Transfers an alle, wie sie in Deutschland als „Klimageld“ diskutiert werden, äußern sich dagegen viele Menschen noch vergleichsweise skeptisch.

„Beim Klimageld für alle gibt es noch Bedarf an politischer Kommunikation“, resümiert Jan Steckel, Arbeitsgruppenleiter am MCC und ein Co-Autor der Studie. „Offenbar sind viele Menschen noch nicht überzeugt, dass die CO₂-Bepreisung für sich genommen wirklich dem Klima hilft, und dann soll ihm wenigstens die Verwendung der Einnahmen nützen."

Die Politik müsse deswegen die Idee der Pro-Kopf-Rückerstattung noch besser kommunizieren: "Meine CO₂-Preis-Kosten kann ich beeinflussen, das Klimageld habe ich sicher – wenn ich also etwas ändere, stelle ich mich besser."

Sozial werde das auch so empfunden: "Wenn alle den gleichen Betrag an Klimageld kriegen, aber Reiche mit ihrem größeren ökologischen Fußabdruck mehr für CO₂-Bepreisung zahlen, sind unterm Strich die Armen bessergestellt als die Reichen.“

 

Mehr Gerechtigkeit prägt öffentliche Meinung

Das Forschungsteam macht das für die Akzeptanz-Analyse eigens entwickelte Rechenkonzept öffentlich zugänglich und betont: Es taugt als Gerüst auch für künftige Updates, wenn sich die Wissenschaft auf mehr Umfragen insbesondere auch im globalen Süden und auch zunehmend auf echte Fallbeispiele stützen kann.

Je mehr sich die CO₂-Bepreisung mit Rückverteilung der Einnahmen als klimapolitisches Leitinstrument durchsetze, desto besser werde dann auch die öffentliche Meinung dazu ausgeleuchtet.

In Deutschland fließen die Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel in den Klima- und Transaktionsfond, aus dem die Regierung auch die Ansiedlung von Chip-Konzernen wie Intel und TSMC fördert. Ein “Klimageld” daraus hatte sie in ihrem ambitionierten Koalitionsvertrag 2021 zwar versprochen, dieses aber 2024 wegen der Haushaltsführung mit Verzicht auf Reform der Schuldenbremse, Subventionsabbau und mögliche Steuereinnahmenerhöhung bei Vermögenden und durch Übergewinnbesteuerung auf 2025 verschoben.

Das Ergebnis ist mangelnde Zustimmung zu ihrer Transformationspolitik und Gewinne auf der rechts-konservativen Seite mit einer nicht nur menschen- sondern auch wirtschaftsfeindlichen Antimigrationspolitik – und weiterer Aussicht auf Ungerechtigkeiten. Siehe ARD-Deutschlandtrend-Umfrage im September 2024 – neben den 2024er-Ergebnissen von EU-Wahlen und Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und wahrscheinlich auch Brandenburg.

Das politische Design von Transformations- und Klimapolitik muss also dringend gerechter werden, wenn nicht rechte Kräfte von diesem Mangel profitieren sollen und die Transformation damit ganz ausfallen dürfte. "Nur mit mehr Gleichheit lässt sich der Klimawandel bewältigen", betont auch der Club of Rome.

Mehr zum Steuern durch und mit Steuern im factory-Magazin gleichen Titels: Steuern. Zum politischen Design, dem richtigen vs. dem falschen, im factory-Magazin Design.

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