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  • Auszug aus dem Report des WWF zum Entwaldungsgesetz der EU, 2021
    Rohstoffimporte der EU und besonders betroffene Gebiete des globalen Südens. Auszug aus dem Report "Mehr als Wald", WWF 2021.

EU einigt sich auf Gesetz gegen Entwaldung für bestimmte Produkte

Die zunehmende Entwaldung, getrieben durch den ungebremsten Konsum, verschärft die Klima- und Artenkrise. Nun sind zumindest die Europäer*innen einen Schritt näher an einem Importverbot für Waren, für die weltweit Wälder fallen müssen, wie etwa Soja, Rindfleisch und Holz. Die Finanzierung derartiger Nutzung bleibt jedoch weiter ausgenommen – ebenso der Schutz bereits intensiv genutzter Trockenwälder und Torfgebiete, in die sich die Produktion verlagern könnte.

Es gibt noch Gutes zu berichten: Nachdem die Weltklimakonferenz in Sharm el-Sheikh keinen Erfolg bei der Begrenzung der Treibhausgasemissionen erzielen konnte, weltweit neue Öl- und Gasprojekte entstehen und auch die UN-Abkommen zum Schutz der Meere nicht vorankamen, hat zumindest die Europäische Union nun ein starkes Zeichen beim Waldschutz gesetzt.

In einer langen Verhandlungsnacht haben das Europäisches Parlament, die Kommission und der Rat sich zu einer EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte und Lieferketten geeinigt.

Das Gesetz zur entwaldungsfreien Lieferkette war seit langem in der Diskussion. Im Herbst 2021 hatte die EU einen Entwurf veröffentlicht, der aber von den Nichtregierungsorganisationen noch kritisiert worden war, weil er nur für Waldgebiete gelten sollte, nicht aber für andere bedrohte Ökosystem wie Savannen und Torfgebiete. Sie befürchteten, dass die Unternehmen die Produktion dann aus den geschützten Wäldern in diese Gebiete verlagern werde.

Erstes Gesetz dieser Art weltweit

Nun kam es aber im Trilog der EU-Institutionen tatsächlich zur ersten Verordnung weltweit, die gegen globale Entwaldung vorgeht. Diese werde den ökologischen Fußabdruck der EU erheblich verringern, hieß es vom WWF anerkennend. Die EU werde damit nicht nur die Spielregeln innerhalb ihrer Grenzen verändern, sondern auch einen großen Anreiz für andere Länder schaffen, diesen Schritt mitzugehen.

Anlass zu Kritik gibt es aber weiterhin: "Das Gesetz hat viele starke Elemente, muss aber bei wichtigen Punkten dringend nachgebessert werden“, sagt Susanne Winter, Programmleiterin Wald vom WWF Deutschland. Der WWF ist Teil der globalen #Together4forests-Kampagne, die in den letzten zwei Jahren mehr als 210 Nichtregierungsorganisationen zusammengebracht hat, um für ein starkes EU-Gesetz gegen die Waldzerstörung zu kämpfen. An der öffentlichen Konsultation zur Verordnung hatten mehr als 1,2 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger teilgenommen.

Die EU hat mit rund 500 Millionen Einwohner*innen keine geringe Verantwortung für die Waldverluste. Der EU-Import von Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kaffee und Kakao führt zu 16 Prozent der globalen Tropenwaldabholzung. Das ist Platz Zwei nach China (24 Prozent) vor Indien (9 Prozent) und den USA (7 Prozent).

Aber immerhin: "Mit den Trilog-Einigungen gegen Entwaldung kommt endlich mehr Licht in die dunklen Lieferketten", meint Sascha Müller-Kraeenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). "Künftig müssen Unternehmen Waldzerstörung für bestimmte Produkte ausschließen, bevor sie auf den EU-Markt gelangen. Außerdem gibt es verbindliche Rückverfolgungspflichten für entwaldungskritische Produkte. Naturzerstörung für Soja, Rindfleisch, Leder, Kakao, Holz und Kautschuk aus dem globalen Süden für den EU-Konsum wird damit zum ersten Mal begrenzt." Auch innerhalb der EU würden Wälder nun besser geschützt. Das sei ein wichtiger Teilerfolg für Klimaschutz und Biodiversität.

Nicht erst für zukünftige Entwaldung

Das Gesetz ist zwar noch mit Übergangsfristen verbunden, gilt aber auch für bereits entwaldete Flächen: "Wurde also beispielsweise ein Rind mit Soja gefüttert, welches auf nach dem 31.12.2020 abgeholzten Gebieten angebaut wurde, darf weder sein Leder noch Fleisch in die EU eingeführt werden. Wird das Rind in der EU gezüchtet und mit illegalem Soja aus dem Regenwald gefüttert, wird sein Fleisch ebenfalls illegal", schreibt die Tagesschau. Das Prinzip gelte auf für Möbel aus Tropenholz sowie für Kakao und Palmöl in Lebensmitteln.

"Insgesamt hoffen die 27 EU-Staaten, damit die Abholzung des Regenwaldes deutlich zu reduzieren", heißt es bei Tagesschau. Laut EU-Parlament gehe ein Zehntel der Abholzung der letzten 30 Jahre auf das Konto von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der EU. Insgesamt wurde demnach weltweit in diesem Zeitraum eine Waldfläche abgeholzt, die der Gesamtfläche der EU entspricht.

Der WWF begrüßt insbesondere, dass die Produkte bis zum Ort der Herstellung zurückverfolgbar sein sollen, um Mauscheleien am Anfang der Lieferkette zu verhindern. Nach einigen Diskussionen konnten zudem jährliche Überprüfungspflichten für Unternehmen und Produkte aufgenommen werden, die sich an der Höhe des Entwaldungsrisikos orientieren und zwischen einem und neun Prozent der jeweiligen Produktvolumina pro Jahr ausmachen.

Kein Schutz vor Verlagerung und Finanzindustrie

Doch einige schmerzende Lücken hat der EU-Rat, der aus Vertreter*innen der Mitgliedstaaten besteht, gezielt belassen, beklagen WWF und DUH – die Verlagerung in bereits betroffene und schützenswerte Gebiete unterbindet das geplante Gesetz nicht.

Die Umweltschützer*innen hatten bis zuletzt dafür gekämpft, das Gesetz nicht auf Wälder zu beschränken, sondern auch waldähnliche Flächen und Buschland („other wooded lands“) sofort aufzunehmen. Dies hätten verschiedene Mitgliedsstaaten verhindert, so der WWF Immerhin soll dies innerhalb von zwölf Monaten nochmals verhandelt werden. Denn ohne Berücksichtigung droht der beschriebene Verlagerungseffekt und der Landfraß könnte auf andere ungeschützte Ökosysteme ausweichen, wie etwa Savannenlandschaften.

Diese Ökosysteme sind artenreich, wichtige Kohlenstoffspeicher und Lebensraum für Indigene und andere lokale Gemeinschaften. Bei weiteren Ökosystemen wie Feuchtgebieten will sich die EU noch mehr Zeit lassen und erst untersuchen, welche Folgen die Aufnahme anderer Ökosysteme in die Verordnung hätte und wie sich das umsetzen ließe. Erst in zwei Jahren soll hierzu neu verhandelt werden.

Savannen- und Trockenwälder bereits jetzt intensiv genutzt

Der Schutz von Trockenwäldern wie dem brasilianischen Cerrado werde auf die lange Bank geschoben, bedauert die DUH. Damit falle ein Großteil der Entwaldung durch den EU-Konsum von Sojafuttermitteln und Rindfleisch unter den Tisch.

Immerhin hat der südamerikanische Cerrado bereits die Hälfte seiner ursprünglichen Vegetation verloren, hauptsächlich um Platz für die Soja- und Rindfleischproduktion zu schaffen. Im Jahr 2019 machten die EU-Einfuhren von Rindfleisch aus dem Cerrado bereits 22 Prozent der gesamten Rindfleischeinfuhren der EU und mehr als ein Viertel der Rindfleischexporte aus der Region aus.

Die Situation im Cerrado könnte sich sogar noch verschlimmern, da Unternehmen jetzt von geschützten Waldgebieten auf diese ungeschützten Gebiete ausweichen.

Ähnliches gilt für den argentinischen Chaco, aus dem die EU rund 24 Prozent des dort produzierten Sojas bezieht – und für die Torfgebiete Sumatras, die wichtige Kohlenstoffsenken sind. von der bezieht die EU rund 20 Prozent ihres Naturkautschuks und 14 Prozent der Palmöl-Rohstoffe.

Ohne eine Reduktion des Bedarfs in der EU dürfte es auch weiterhin nicht gelingen, die Flächennutzung und damit die Zerstörung zu begrenzen. Dabei müssten die Industrienationen zum Beispiel ihren Fleischkonsum um rund 75 Prozent reduzieren, wenn sie ihre Öko- und Wirtschaftssysteme erhalten wollen.

 

Banken nicht betroffen – Händler haben 18 Monate

"Auch der Finanzsektor hat es nicht in die Verordnung geschafft, hier gibt es nur einen Prüfauftrag für die Kommission", so Müller-Kraenner vom DUH. "Damit können Banken weiterhin Unternehmen mit einem hohen Entwaldungsrisiko finanzieren." Ein Grundfehler, wenn man Entwaldung gleich im Ansatz verhindern will.
 
Begrüßenswert sei laut WWF und DUH, dass Wälder, die sich natürlich verjüngen, nicht mehr in Holzplantagen umgewandelt werden dürfen. Waldschädigung werde jedoch weiter akzeptiert und zeige, dass bei der EU kurzfristiger wirtschaftlicher Gewinn immer noch vor dem Schutz der biologischen Vielfalt und des Klimas stehe.

Auch beim Thema Menschenrechte enttäusche die EU-Verordnung. So fehle ein klarer Verweis auf einschlägige internationale Konventionen. "Der derzeitige Text beschränkt den Geltungsbereich der Menschenrechte auf nationale Gesetze: Spiegeln sich bestimmte Rechte indigener Völker oder lokaler Gemeinschaften nicht in der nationalen Gesetzgebung wider, so sind diese auch nicht durch EU-Recht geschützt", beklagt der WWF.

Nachdem nun die wichtigsten Eckpunkte des neuen Gesetzes feststehen, werden sich die Verhandlungsführer*innen in den kommenden Wochen treffen, um einige letzte Details abzuklären und den Text fertigzustellen. „Die heutige Entscheidung ist der erste notwendige Schritt für den Waldschutz. Wir haben mit dieser Verordnung eine Grundlage, um die Entwaldung und Waldschädigung zu verringern, aber jetzt müssen wir sie auch wirksam umsetzen", schließt Susanne Winter.

Die Regelungen des neuen Gesetzes treten bereits nach 20 Tagen in Kraft, zuvor muss die EU es noch formal billigen. Händler haben dann 18 Monate Zeit, um die neuen Regeln umzusetzen, so die Tagesschau.


Wie sich mit Regeln für Wirtschaft und Finanzen die Zerstörung der Welt doch vielleicht etwas begrenzen ließe, lässt sich z. B. auch im factory-Magazin Steuern nachlesen. Oder im Magazin Change, oder in Divestment. Dass Regeln nicht die Freiheit einschränken, zeigt das gleichnamige factory-Magazin. Und überhaupt ist die menschen- und umweltgerechte Lieferkette immer wieder Thema in der factory.

Grafik: "Mehr als Wald", Report, Kurzfassung, WWF 2021, siehe News.

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