Ein Freihandelsabkommen, das nachhaltig ist? Also ein Vertrag, der sozial, ökologisch und ökonomisch gerechte Strukturen für den Handel garantiert, die einklagbar sind? Und der auch noch strenge Nachhaltigkeitskriterien anlegt? Das hat es noch nicht gegeben – und wird es wahrscheinlich auch nicht geben. Denn unbedingte Wachstumsinteressen, der Abbau von ökologischen, sozialen und ökonomischen Standards, außerstaatliche Schiedsgerichte, einklagbare Gewinnverluste, die Steuerzahler*innen zu tragen haben, fortschreitende Privatisierung öffentlicher Grundversorgung inklusive Bildungsaufgaben, intransparente Verhandlungen wie bei TTIP: das alles hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun.
Schon vor fast zwei Jahren hatte der Unternehmer*innenverband future – verantwortung unternehmen in einem Standpunkt festgehalten, dass nachhaltige Unternehmen nichts von TTIP, CETA und ähnlichen haben, ihre Investitionen in Nachhaltigkeit sogar gefährdet sind. Auch der Abbau einer stärkeren Finanzmarktregulierung in den USA, an der besonders die EU-Banken Interesse haben, würden eine nachhaltige Entwicklung gefährden, wenn man CSR ernst nähme. Stattdessen würde eine echte Verbindung mit Nachhaltigkeit durchaus Sinn machen, so future: Ein transparent verhandelter Vertrag, der das Zwei-Grad-Klimaschutzziel und nachhaltige Produktion und Handel für Klimaschutz und geselleschaftlich Entwicklung beinhaltet, ein Sustainable Agreement on Transatlantic Trade, könnte durchaus für nachhaltige Unternehmen zustimmungsfähig sein, TTIP jedoch nicht.
Doch das ist offenbar nicht das, was die EU-Handelskommission im Sinn hat. Trotzdem erhofft sich die EU-Politik mit dem Siegel der Nachhaltigkeit auf einigen unbekannten Kapiteln den Segen der Bevölkerung und des kritischen Teils der Parlamentarier. Schon warnte im Juni die Industrie vor einer "Überfrachtung" des Vertrags mit Nachhaltigkeit.
Zu den jetzigen Verhandlungen um die "Nachhaltisierung" einiger Handelskapitel, haben sich auch einige Mitglieder des Rats für Nachhaltige Entwicklung zu Wort gemeldet. Unter dem Motto Was TTIP regeln muss plädiert zum Beispiel Walter Hirche, ehemaliger Minister in Niedersachsen und Brandenburg, für eine Verpflichtung auf die Prinzipien der Nachhaltigkeit in der Präambel, damit der Grundsatz für alle Kapitel gelte. Die Handelspartner müssten verpflichtet werden, entsprechende Angaben zur Wertschöpfungskette ihrer Produkte zu machen. Nicht-nachhaltiger Handel würde dadurch nicht verhindert, aber bekannt.
Imme Scholz, stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, will die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström beim Wort nehmen. Weil laut Malmström Veränderungen ökologischer und sozialer Schutzniveaus nur nach oben möglich sein sollen, müsste dies im Vertrag festgehalten werden, damit sich die "dass die internationale Handelspolitik sich nicht mehr nur an der Verbesserung der ökonomischen Effizienz und niedrigeren Preisen ausrichtet. Stattdessen würde anerkannt, dass Regulierung und regulatorische Kooperation sinnvoll sind, um übergeordnete soziale, ökologische und entwicklungspolitische Ziele zu erreichen, wie sie in den globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, der Agenda 2030, festgeschrieben sind." Um die Position der Entwicklungsländer zu stärken, dürften diese nicht vom Handel ausgeschlossen werden und müssten an den Verhandlungen beteiligt werden.
Max Schön, Unternehmer in Lübeck und Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome fordert eine gründliche Revision des Abkommens mit den Fragen, ob die Regelungen wirklich nachhaltig sind und ob sie in die Welt von morgen passen. Auch er würde das grundsätzliche Ziel der Nachhaltigkeit verbunden mit den Sustainable Development Goals der UN dem Vertrag voran stellen. Für die EU wäre außerdem die Möglichkeit da, den bisher versagenden Markt für CO2-Emissionszertifikate gleich mit zu regeln. "Stattdessen riskieren wir, dass amerikanische Unternehmen später europäische Regelungen zur Vermeidung einer Klimaerwärmung um mehr als 2 Grad Celsius vor einem Gericht als nachträglich eingeführtes Handelshemmnis beklagen können", sagt Schön.
Etwas verhaltener klingt da schon der Kommentar von Kathrin Menges, Personalvorstand und Vorsitzende des Sustainability Council von Henkel. Sie sieht vor allem Chancen durch "gegenseitige Anerkennung in ausgewählten Bereichen, in denen US- und EU-Standards ein vergleichbar hohes Schutzniveau bieten", weil das die Komplexität des transatlantischen Handels deutlich reduzieren würde. Auch in Europa hätten wir es geschafft, Handelsbeschränkungen abzubauen und den Wirtschaftsraum zu stärken – und gleichzeitig gemeinsame ökologische und soziale Standards zu definieren, sagt sie. "TTIP ist eine große Chance, Nachhaltigkeit durch Handel zu fördern und gemeinsam die Umsetzung internationaler Standards und Abkommen voranzutreiben."