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  • Die durchschnittliche Zahl der Maßnahmen der Länder für die Bereiche ist in den letzten 20 Jahren gestiegen (A), die Bandbreite der Maßnahmen variert pro Sektor (B). Quelle: Pik-Studie
  • Im Vergleich der Maßnahmen wird deutlich: Einzele wirken selten mehr als die Mischung aus Regelung und Preis oder Steuer. Quelle: Pik-Studie
  • Interessant ist die unterschiedliche Wirkung von Mix und Einzelmaßnahmen in den Industrie- gegenüber den sich entwickelnden Ländern.

Klimapolitik: Was wirklich wirkt

Information, Anreize, Förderungen, Gesetze. Das Spektrum der Maßnahmen für mehr Klimaschutz ist groß. Doch nur ein geringer Teil ist wirklich erfolgreich, und das ist eher eine Mischung ordnungspolitischer Maßnahmen mit Steuer- und Preisanreizen. Eine Studie hat 1500 Politikprogramme auf ihre Emissionswirkung untersucht.

Bis 2030 müssen die jährlichen Treibhausgasemissionen der Welt um die Hälfte sinken, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, warnte der Weltklimarat IPCC 2021 in seinem sechsten Sachstandsbericht. Er empfiehlt den schnellen Ausstieg aus den fossilen Energien – und auf dem Klimagipfel COP28 2023 in Dubai war mindestens Einsicht in dieses Ziel zu erkennen.

Nach einem Ausstieg und einer drastischen Emissionsreduktion sieht es aber nicht aus, auch wenn die Menschen das weltweit wollen. Zuviel Kapital fließt immer noch in neue fossile Projekte, zudem steigt der globale Ressourcenverbrauch, ein schonender, stärker zirkulärer Umgang mit Rohstoffen und Schutz vor Naturzerstörung ist nirgendwo Standard – außer bei Indigenen.

Nun hat eine Studie 1.500 Politikmaßnahmen der letzten 20 Jahre in 41 Ländern auf über sechs Kontinenten auf ihre Klimawirkung überprüft. Die Ergebnisse dieser bisher beispiellosen Analyse zeigen, dass viele politische Maßnahmen "keine Emissionsreduktion im erforderlichen Ausmaß erzielen".

Die Forschenden identifizierten nur 63 Fälle erfolgreicher Klimapolitik, die zu nennenswerten Emissionsminderungen von durchschnittlich 19 Prozent geführt haben. "Was diese Erfolgsfälle eint und den entscheidenden Unterschied ausmacht: Diese Politikpakete setzen auf die Hebelwirkung von Steuer- bzw. Preisanreizen", heißt es in einer Mitteilung des Potsdam-Instituts.


Systematisch auf Wirkung geprüft

Welche Politikmaßnahmen beim Klimaschutz wirken und welche nicht, wird viel diskutiert – besonders politisch. Bisher konzentrierte man sich in der Analyse jedoch lediglich auf die Wirkung einzelner Politikinstrumente, während hunderte andere umgesetzte Maßnahmen nicht evaluiert wurden.

Unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) wollen die Forschenden in Zusammenarbeit mit Fachleuten der Universität Oxford, der Universität Victoria und der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) diese Lücke jetzt schließen.

Der „Climate Policy Explorer“ gibt als begleitendes Dashboard zusätzlichen Überblick über die Ergebnisse, Analyse und Methoden und steht als interaktives Angebot öffentlich zur Verfügung.

"Wir haben uns systematisch wirksame politische Maßnahmen angeschaut, die bislang selten untersucht wurden. Unser Ansatz liefert insbesondere neue Erkenntnisse zur wirksamen Kombination von Klimapolitikinstrumenten. Daraus leiten wir bewährte Best-Practises ab - quer durch die Sektoren Gebäude, Strom, Industrie und Verkehr und sowohl in Industrieländern als auch in den oft vernachlässigten Entwicklungsländern“, erklärt Leitautor Nicolas Koch vom PIK und MCC.

 

“Es kommt auf den richtigen Mix an.”

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen: Viel hilft nicht automatisch viel, es kommt vielmehr auf den richtigen Mix der Maßnahmen an. So reicht es zum Beispiel nicht auf Subventionen oder Regulierung allein zu setzen, nur im Zusammenspiel mit preisgestützten Instrumenten, wie etwa CO2- und Energiesteuern, können Emissionen wirklich maßgeblich gesenkt werden“.

Verbote für Kohlekraftwerke im Stromsektor oder von Verbrennerautos im Verkehr sind Beispiele hierfür: Die Forschenden finden keinen Fall mit deutlicher Emissionsreduktion, wenn das Verbot allein eingeführt wurde. Erst im Tandem mit Steuer- bzw. Preisanreizen führen die Maßnahmen zum Erfolg, wie es etwa für Großbritannien bei der Kohleverstromung oder in Norwegen bei Autos gezeigt wird.


Nur 63 von 1500 Maßnahmen wirkungsvoll

Die erste systematische Evaluierung von Politikmaßnahmen berücksichtigt mit 1.500 untersuchten Interventionen aus der Zeit 1998 bis 2022 die ganze Palette von Politikinterventionen, von zum Beispiel energetischen Bauvorschriften über Kaufprämien für klimafreundliche Produkte bis hin zu CO2-Steuern.

Die Forschenden arbeiten dabei mit einer neuen Datenbank der OECD, die die bisher umfassendste Bestandsaufnahme der weltweit umgesetzten Klimapolitik darstellt. Ein innovativer Ansatz, der Methoden des maschinellen Lernens mit etablierten statistischen Verfahren kombiniert, ermöglicht den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstmals eine detaillierte Analyse aller erfassten Politiken und identifiziert diejenigen Maßnahmen, welche Emissionsreduktionen im großen Rahmen erzielen konnten.

„Auch wenn es schwierig bleibt, die Wirkung einzelner Maßnahmen in einem Mix genau zu entschlüsseln, gewinnen wir aus unseren 63 Erfolgsfällen systematische Erkenntnisse darüber, welche Maßnahmen sich gut ergänzen und wie der Erfolg von Instrumenten vom Sektor aber auch vom Entwicklungsstand der Länder abhängt“, erklärt Leitautorin Annika Stechemesser vom PIK und MCC.

„Wir glauben, dass dieses Orientierungswissen von großer Bedeutung ist, um Politik und Gesellschaft bei der Transformation zur Klimaneutralität zu unterstützen.“

 

Öffentlich und interaktiv: Der Climate Policy Explorer gibt Überblick

Diese und weitere Ergebnisse der Studie lassen sich im begleitend veröffentlichten Climate Policy Explorer interaktiv nachvollziehen.

Im Industriesektor zeigt das Beispiel China, wie nach der Einführung von Emissionshandelssystemen im Pilotprojekt nach einigen Jahren effektiv Emissionen reduziert werden konnten. Entscheidend waren hier jedoch auch der Abbau von Subventionen auf fossile Brennstoffe und stärkere Finanzierungshilfen bei Energieeffizienzmaßnahmen.

Im Stromsektor stellen die Forschenden deutliche Emissionsreduktionen in Großbritannien heraus, die sowohl auf die Einführung eines CO2-Mindestpreises zurückgeführt werden können, aber auch Teil eines breiteren Politikmixes mit Subventionen für erneuerbare Energien und einem Ausstiegplan aus Kohlekraftwerken waren.

Die USA sind ein Beispiel für erfolgreiche Emissionsreduktionen im Verkehrssektor, die unter anderem auf Steueranreize und Subventionen für umweltfreundliche Fahrzeuge als auch auf CO2-Effizienzstandards zurückgeführt wird.

In Deutschland wird für den Verkehr die Ökosteuerreform ab 1999 und die Einführung der LKW-Maut in 2005 als Erfolgsfall identifiziert.

Die 2009 eingeführte Abwrackprämie für Autos hatte dagegen keine emissionsmindernde Wirkung im Verkehr. Die Regierung aus CDU und SPD hatte damals damit auch die Automobilwirtschaft ankurbeln wollen, weil neue emissionsärmere Fahrzeuge ältere ersetzen sollten. Fünf Milliarden Eure waren ihr Verschrottungsprogramm und Absatzförderung wert – ohne Klimawirkung.

Gleiches gilt für die milliardenschwere Förderung von E-Autos – keine Wirkung laut Untersuchung. Dagegen senkte die Einführung der Lkw-Maut 2005 die Verkehrsemissionen um 11,7 Prozent, sagte Forscher Pik-Forscher Moritz Schwarz der taz. Die Ökosteuer-Reform 1999 brachte 7,6 Prozent Reduktion.

 

Erfolgreiches Rezept: Regelung, Preissignal und flankierender Härteausgleich

Die erfolgreichen Politikfelder ziehen sich quer durch alle Staaten: So hatte Großbritannien 2013 einen CO2-Mindestpreis eingeführt und mit einem höheren Preis für fossile Brennstoffe die Kohleverstromung aus dem Markt gedrängt.

Und in den USA hat die Vorschrift für geringere Spritverbräuche von Neuwagen zu acht Prozent Emissionseinsparungen geführt. Auch in China stiegen die Emissionen der Industrie durch neue Technologiestandards weniger stark an.

Klimaschutz könne nur gelingen, wenn die Politik die Bevölkerung mitnehme, so Moritz Schwarz. Soziale Härtefälle müssten durch eine entsprechende Förderung vermieden werden – beispielsweise beim Austausch fossiler Heizungen.

 

Emissionslücke nur mit vierfacher Anstrengung zu schließen

"Unsere Ergebnisse bieten eine klare, aber ernüchternde Perspektive für die politischen Anstrengungen, die notwendig sind, um die verbleibende Emissionslücke von 23 Gigatonnen CO2-Äquivalente bis 2030 zu schließen", schließen die Autor*innen in ihrer Studie.

Wenn alle 41 Länder der Stichprobe einmal vor 2030 Emissionsreduktionen dieser Größenordnung erreichen würden, könnte die Emissionslücke um 26 Prozent (bzw. um 41 Prozent bei den höchsten Effekten) geschlossen werden.

Daher könne eine Ausweitung der in dieser Studie ermittelten vorbildlichen Maßnahmen auf jeden Sektor in anderen Teilen der Welt kurzfristig eine wirksame Klimaschutzstrategie sein.

"Doch selbst wenn alle Länder in unserer Stichprobe in der Lage wären, die Erfolge der Vergangenheit zu wiederholen, müsste mehr als das Vierfache (das Anderthalbfache) der bisher beobachteten Anstrengungen unternommen werden, um die Emissionslücke zu schließen."

Notwendig seien weitere Forschungsarbeiten, die systematische Beweise dafür liefern, welche klimapolitischen Maßnahmenkombinationen den Einsatz und die Entwicklung kohlenstoffarmer Technologien für eine künftige Netto-Null-Wirtschaft am wirksamsten vorantreiben.

Mehr zu Maßnahmen für den Wandel im factory-Magazin Change. Weil es immer auch um einen anderen Umgang mit Ressourcen geht: Ein anderes Wohlstandsverhältnis hilt dabei.

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