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  • Diagramm für Zahlungsflu?sse zur Bürgerbeteiligung bei Windenergieanlagen
    Zahlungsflu?sse in der empfohlenen Verknu?pfung der Kommunal- und Bu?rgerbeteiligung für Windenergieanlagen. Quelle: Finanzielle Beteiligung von betroffenen Kommunen bei Planung, Bau und Betrieb von erneuerbaren Energieanlagen (FinBEE), IÖW

Land kann Erneuerbare-Energie-Anlagen-Betreiber verpflichten, Bürger*innen zu beteiligen

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte wegweisend für den Ausbau der Erneuerbaren Energiequellen sein: Mecklenburg-Vorpommern hatte ein Gemeindebeteiligungsgesetz eingeführt, dass Betreiber von Windenergieanlagen zur finanziellen Beteiligung lokaler Anwohner*innen verpflichtet. Das Gericht bestätigte das als verfassungsgemäß. Mit einer solchen Beteiligungsregelung ließe sich auch in anderen Bundesländern die gesellschaftliche Akzeptanz für mehr Erneuerbare erhöhen.

Das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern ist verfassungsgemäß, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Das Land darf Betreiber von Windenergieanlagen dazu verpflichten, Bürger*innen im Umkreis von fünf Kilometern der Anlagen eine Eigentumsbeteiligung oder alternativ Sparprodukte anzubieten und der Standortgemeinde eine Abgabe zu zahlen, um auf diese Weise die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung gegenüber Windrädern zu stärken.

Angesichts des notwendigen massiven Umbaus der energieintensiven Industrie weg von klimaschädlichen fossilen Rohstoffen, müssen die Erneuerbaren Energiequellen in Deutschland massiv ausgebaut werden. Die Zubauraten müssten sich verdoppeln – nicht zuletzt um von ausländischen Rohstofflieferungen unabhängig zu werden. "Die Technik ist da, finanzierbar ist es auch", hatte der Industrieexperte Prof. Stefan Lechtenböhmer im factory-Magazin erläutert. Aber: "Noch ist nicht ganz klar, ob wir die Akzeptanz erhalten für z. B. die On-Shore-Windkraft, wie wir die vielen Photovoltaikanlagen auf die Dächer kriegen und ob es attraktiv genug für die Investoren ist, das zu finanzieren."

Hinzu kommen auch noch die nötigen Infrastrukturen wie neue Stromnetze und Wasserstoffpipelines. Auch dafür brauche es Geld vom Staat und gesellschaftliche Akzeptanz, so der Wissenschaftler.

Sowohl das eine wie das andere ließe sich mit mehr finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger*innen erreichen – das hat sich bereits bei vielen Projekten dieser Art gezeigt. Zwar unterstützt eine große Mehrheit der Bundesbürger*innen Energie- und Verkehrswende, viele halten sie aber auch für bürgerfern und wünschen sich mehr Tempo. Dabei zeigt auch die Erfahrung mit Bürgerräten, dass Beteiligung zu breiterer Akzeptanz auch umstrittener Lösungen führen kann. Angesichts des Gerichtsurteils empfiehlt deshalb das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) nun eine noch stärkere Beteiligung von Bürger*innen an der Energiewende.

Eine Beteiligung, die weiter geht, als bisher von der Bundesregierung vorgesehen. Die hatte im Jahr 2021 im Erneuerbare-Energien-Gesetz die Beteiligungsregelung geschaffen. Anders als die Regelung in Mecklenburg-Vorpommern, sah sie jedoch lediglich eine freiwillige Zahlung der Anlagenbetreiber an die Kommunen vor.

Ein verpflichtendes Angebot zur Eigentumsbeteiligung sollte auch auf die anderen Bundesländer oder gar auf die Bundesebene ausgedehnt werden, so der Energiewendeexperte Bernd Hirschl vom IÖW. „Daneben sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen für Energy Sharing in Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften geschaffen werden, was laut EU-Recht längst vorgesehen ist. Damit ließe sich die breite Teilhabe und finanzielle Beteiligung nahezu aller Bürger*innen ermöglichen.“

Vorläufige Forschungsergebnisse wiesen darauf hin, dass eine alleinige finanzielle Teilhabe nicht per se akzeptanzförderlich ist. „Wichtig ist, dass die Gesamtstrategie der Energiewende von der Bevölkerung getragen wird, einzelne Regelungen müssen ineinandergreifen und Kosten und Nutzen gerecht verteilt werden“, sagt IÖW-Wissenschaftler Steven Salecki. „Dafür müssen auch Kommunen als zentrale Akteure aktiviert und befähigt werden, die Planungsprozesse anzugehen, zu unterstützen und im besten Falle auch selbst Anlagen zu errichten und/oder zu betreiben, damit möglichst viel des ökonomischen Nutzens der heimischen Wertschöpfung bei den Standortkommunen verbleibt.“

Bislang gibt es vor Ort allerdings Hemmnisse wie mangelnde fachliche Kapazitäten oder fehlende finanzielle Ressourcen. Hier sind der Gesetzgeber und die Bundesregierung gefragt, so die Forschenden. Einen ersten Beitrag könnte eine verpflichtende finanzielle (Mindest-)Beteiligung von Kommunen leisten. Auch Finanzierungshilfen wie Bürgschaften oder Vorkaufsrechte für risikoärmere bereits bestehende Erneuerbare-Energien-Projekte bieten vielversprechende Ansätze, die zudem schnell umsetzbar wären.

„Zu einer Gesamtstrategie gehört auch, Energieerzeugung und -verbrauch regional effizient zusammenzuführen“, sagt Bernd Hirschl. „Die technische und wirtschaftliche Effizienz einer Regionalisierung der Energieversorgung bietet idealerweise geeignete Anknüpfungspunkte für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, regionale Stromangebote etwa von grünen kommunalen Stadtwerken oder für virtuelle Kraftwerke als effizientes Ausgestaltungskriterium im Netzbetrieb. Eine regional ausgestaltete Energieversorgung ist die beste Voraussetzung, um regionale Wertschöpfungspotenziale auszuschöpfen und somit ein idealer Anreiz für ländliche und strukturschwache Energieregionen.“

Interessierte Kommunen und Gemeinden können das  ökonomische Potenzial eines Ausbau erneuerbarer Energien auf ihren Flächen mit Hilfe eines Online-Wertschöpfungsrechners ermitteln.


Mehr zum gelingenden Ausbau der Erneuerbaren Energien im factory-Magazin Industrie, mehr zur Beteiligung im Magazin Teilhabe – und mehr dazu, wo und wie das auch finanziell und lokal möglich ist, im factory-Magazin Divestment.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft, idw

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