Rund 8000 Menschen zogen am Samstag bei der "Wir haben es satt!"-Demo von der SPD-Zentrale in Berlin zum Bundeskanzleramt. 50 Traktoren begleiteten einen Teil der Demo, der eine Protestnote an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir übergab.
2023 waren rund 7000 Protestierende und 60 Traktoren gezählt worden. Das Bündnis hatte einen "Sechs Punkte-Plan für gutes Essen für alle" vorgestellt, der an die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft von 2021 anknüpfte.
Entsprechend war der agrarpolitische Stillstand das Thema der Redebeiträge auf der Demo. Am Tag zuvor waren sowohl der kritische Agrarbericht als auch der agrarpolitische Bericht des Landwirtschaftsministeriums erschienen – die diesen Stillstand zwar unterschiedlich aber im Grunde bestätigten.
Bäuerlich und ökologisch
„Die richtige Antwort auf Klimakrise, Artensterben und Hunger in der Welt ist eine bäuerliche und ökologischere Landwirtschaft“ folgerte Inka Lange, Sprecherin des Bündnisses. Diesem gehören neben 60 Organisationen aus den Bereichen Umwelt- und Tierschutz, Ernährung, Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit auch 35.000 Bäuer*innen an.
Sie dürften rund zehn bis fünfzehn Prozent der insgesamt 255.000 landwirtschaftlichen Betriebe repräsentieren, die 2023 zusammen etwa 876.000 Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigten, wie das Statistische Bundesamt im Januar mitteilte.
Die im Bündnis vertretenen Bäuer*innen wünschen sich wie alle anderen Unternehmer*innen sichere politische Rahmenbedingungen für die Transformation ihrer Betriebe – in ihrem Fall zu einer umwelt- und tiergerechten Landwirtschaft. Doch selbst das grün geführte Landwirtschaftsministerium habe notwendige Maßnahmen trotz vollmundiger Absichtsbekundungen und vorliegender Lösungsvorschläge weitere zwei Jahre verschleppt, beklagt das Bündnis.
Umbau mit Tierwohlabgabe
„Alle Fragen wurden längst ausreichend beantwortet – wir fordern Taten! Faire Erzeuger*innenpreise und die Unterstützung der Höfe beim Umbau der Tierhaltung, etwa durch eine Tierwohlabgabe, müssen jetzt kommen“ so Lange.
„Außerdem muss sich die Bundesregierung in Europa dafür einsetzen, dass Milliarden an Agrarsubventionen endlich den Umwelt-, Tier- und Klimaschutz in der EU honorieren, statt öffentliche Gelder blind pro Fläche Hektar auszuschütten und damit vor allem die Agrarindustrie zu füttern. Die Zukunft der Landwirtschaft muss sofort zur Chefsache in der Ampelkoalition werden.“
Entsprechende Forderungen und die bäuerliche Protestnote übergaben Bäuer*innen, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen am Vormittag Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.
In Berlin adressierten sie neben der Ampelregierung auch das Europäische Parlament. Die im Februar drohende Abschaffung des strengen EU-Gentechnikrechts sorgt für Unmut auf den Höfen und bei den Verbraucher*innen. Die EU-Kommission will künftig Gentechnikpflanzen ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung zulassen.
Höfe sterben, große Betriebe übernehmen
Laut Statistischem Bundesamt hält der Strukturwandel hin zu größeren Betrieben an, verlangsamt sich aber: Die genutzte Fläche pro Betrieb stieg von 2020 bis 2023 von 63 auf 65 Hektar – doch immerhin stieg der Anteil der ökologisch arbeitenden Betriebe in dieser Zeit um zehn Prozent. Rund 2600 Betriebe geben seit 2020 jedes Jahr auf, von 2010 bis 2013 waren es 4700 jährlich, seitdem rund 3200 pro Jahr.
„Die Proteste der Landwirte in den letzten Wochen haben gezeigt, dass es Ihnen um mehr geht als nur um die Kürzung beim Agrardiesel, auch wenn die Kürzungen für alle Betriebe sofort einkommenswirksam sind", sagte Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V.
Gleichwohl gehe es vielen Bäuerinnen und Bauern auch darum, wieder eine wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit zu bekommen. Die Ampelregierung müsse den Unmut von Bäuerinnen und Bauern im ganzen Land endlich ernst nehmen und die Ergebnisse der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft umsetzen.
Ferner müsse sie die Landwirtschaft in die Lage versetzen, endlich auf Augenhöhe mit der abnehmenden Hand Preise zu verhandeln, müssse die Agrargelder sozial gerecht verteilen und sich gegen die Deregulierung der neuen Gentechniken einsetzen.
„Es gibt keine Transformation ohne Investition. Die Landwirtschaft in Deutschland steht vor ihrer umfassendsten Ökologisierung jemals", konstatierte Luisa Neubauer von Fridays for Future Deutschland. "Dafür braucht es echte Unterstützung. Sonst können wir uns die Klimaziele an den Nagel hängen.“
Wie sich derartige Investitionen stützen ließen, zeigen zum Beispiel das factory-Magazin Steuern und die Beiträge im gleichnamigen Themenbereich. Im Grunde ist es eine Frage des nachhaltigen Designs. Mehr dazu im factory-Magazin Design.