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Zukunftskommission Landwirtschaft: Die Kohlekommission der Agrarwende?

Die intensive Landwirtschaft steht seit langem in der gesellschaftlichen und umweltpolitischen Kritik. Die Proteste der Bauern gegen die Anwendung der EU-Düngemittelverordnung liegen noch nicht lange zurück, der Pestizideinsatz verringert Vogel- und Insektenbestand, jetzt stehen auch die Missstände bei der Tierhaltung im Fokus. Gefördert und überlebensfähig sind zur Zeit nur große Strukturen, die Verbraucherpreise diktiert der Handel. Eine Zukunftskommission soll nun die Aufgabe übernehmen, die Interessen von Erzeugern, Industrie, Verbrauchern und Umweltschutz unter den Augen der Wissenschaft zu einer zukunftsfähigen Agrarwende zusammen zu bringen. Nach der Kohlekommission kommt nun die Agrarkommission.

"Aufgabe der Zukunftskommission Landwirtschaft ist es, als unabhängige Expertenkommission Empfehlungen für eine nachhaltige, ökonomisch tragfähige sowie sozial verträgliche und gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft am Standort Deutschland zu erarbeiten. Sie soll dabei helfen, bestehende Zielkonflikte aufzulösen - etwa zwischen dem Preisbewusstsein einerseits und steigenden Verbrauchererwartungen andererseits." So kündigt die Bundesregierung den Einsatz ihrer neuen Kommission an. In den kommenden Monaten sollen Praktiker*innen, Wissenschaftler*innen und gesellschaftliche Akteure Empfehlungen und praxistaugliche Wege für eine produktive und ressourcenschonende Landwirtschaft erarbeiten, heißt es.

Schließlich sei "unsere hemische Landwirtschaft" systemrelevant – das habe die Corona-Pandemie deutlich gemacht. Doch weil sie sowohl die Aufgabe habe, die Nahrungsmittelproduktion zu sichern, als auch zugleich den gesellschaftlichen Ansprüchen nach mehr Tierwohl sowie mehr Umwelt-, Natur- und Klimaschutz genügen müsse, stehe die Landwirtchaft vor zum Teil gravierenden strukturellen und wirtschaftlichen Änderungen - formuliert die Regierung in ihrer Ankündigung.

Kohlekommission hat es vorgemacht

Das klingt ganz ähnlich dem, was auch der so genannten Kohlekommission aufgetragen wurde, hier aber für den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Allerdings könnte man aus Perspektive des Klimaschutzes auch meinen, dass die Kohlekommission gescheitert ist. Eingesetzt im Juni 2018, legte sie ihren Abschlussbericht 2019 vor, dessen wesentliche Elemente in den Kohleausstiegs- und Strukturwandelgesetzen vom Juli 2020 enthalten sind. Allerdings hagelte es Kritik, sowohl am Abschlussbericht wie am Kohleausstiegsgesetz. Die beteiligten Umweltorganisationen stimmten nur unter Bauchschmerzen zu, um den "Stillstand" zu beenden, die Klimawissenschaft kritisierte die zu geringen Zielsetzungen, wie Klimaforscher Manfred Fischedick: „Im Sinne des Pariser Klimaabkommens hätte man höhere Ziele stecken müssen.“

Bis 2038 soll nun die Kohleverbrennung zur Stromgewinnung hierzulande erst enden, wenn der Markt es will, darf es auch früher sein. Das 1,5-Grad-Ziel lässt sich damit nicht halten, weitere Dörfer sollen den Tagebauen weichen. Der Frust bei den Umwelt- und Klimaschutzorganisationen über Kommission und Gesetz war und ist groß. Nun sind sie aber auch in der neuen Zukunftskommission Landwirtschaft wieder dabei, Mit dabei in der Kommission ist auch die Organisation "Land schafft Verbindung", die zahlreiche Bauernproteste organisiert hat.

Nach den durch Corona auch einer breiten Bevölkerungsmehrheit verdeutlichten Zuständen in der Fleischindustrie und durch die gerade erst gewährte Verlängerung der Kastenstände für Zuchtsauen soll nun die Arbeit nicht durch ordnende Politik gemacht werden, sondern wieder mal eine Kommission es richten.

Eine Kommission für alle

Im Herbst 2020 soll sie einen ersten Zwischenbericht und im Sommer 2021 ihren Abschlussbericht vorlegen. Über 30 Mitglieder aus den Bereichen Landwirtschaft, Wirtschaft und Verbraucher, Umwelt und Tierschutz sowie Wissenschaft sind vertreten. Den Vorsitz hat Prof. Dr. Peter Strohschneider, ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Einrichtung der Kommission wird als ein zentrales Ergebnis des Landwirtschaftsdialogs Ende vergangenen Jahres bezeichnet.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßt die Einladung zur Mitarbeit in der Kommission, in die der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt und Myriam Rapior aus dem Bundesvorstand der BUNDjugend berufen wurden. "Auch wenn der BUND in den letzten Monaten nicht nur gute Erfahrungen mit Regierungskommissionen gemacht hat, sind wir bereit, in dieser Kommission mitzuarbeiten, wenn sie die notwendigen Veränderungen anpackt. Die Missstände in den Agrarlandschaften, das Tierleid in den Ställen, die Umweltschäden durch die Agroindustrie und das unaufhaltsame Artensterben bewegen uns dazu mitzuwirken, damit sich endlich etwas ändert", sagt Bandt.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft will mit der Kommission die bestehenden Zielkonflikte zwischen "einer wirtschaftlich tragfähigen Lebensmittelproduktion versus Klima- und Umweltschutz, sowie dem Preisbewusstsein versus steigende Verbrauchererwartungen" auflösen. "Es geht auch darum, die Vorstellungen derer, die unsere Mittel zum Leben verantworten, zu hören und zu nutzen."

Der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Initiative „Land schafft Verbindung“ (LsV) hätten daher das Konzept für eine Zukunftskommission Landwirtschaft erarbeitet.

Die Landwirtschaft ist darin vertreten durch zehn Verbändevertreter*innen. Davon ist nur einer Vertreter der biologischen Landwirte. Für Wirtschaft und Verbraucher sind acht Vertreter*innen von Industrie und Handel gelistet, darunter ein Vertreter des zentralen Verbraucher-Bundesverbands (vzbv). Für Umwelt- und Tierschutz stehen sieben Vertreter*innen von Organisationen wie DNR, Nabu, BUND, WWF, Greenpeace, BUNDjugend und Tierschutzbund.

Die Wissenschaft ist mit sechs Vertreter*innen eingeladen. Regierungs- und Ministeriumsvertreter*innen sind nicht stimmberechtigt, dürfen aber an allen Sitzungen teilnehmen.

Kritk von allen Seiten

Die ersten Kommentare sind überwiegend kritisch – abgesehen von den Kommissionsvertreter*ionnen. So fragt die ZEIT-Journalistin Petra Pinzler auf Twitter "Jungs, warum genau macht ihr für die Umweltbewegung schon wieder bei einer Regierungskommission mit? Damit wieder ein Jahr nicht regiert wird? In den Kommentaren zur Online-Berichterstattung wie bei topagrar.com ist man ebenfalls skeptisch, dass sich an den Verhältnissen trotz hochkarätiger Gremienzusammensetzung etwas ändert. "Ein Hoch auf das WACHSEN ODER WEICHEN! Sehr viele Bauernköpfe rollen also mithin noch, in unermesslichem Umfang werden dabei Bauernfamilienvermögenswerte, geschaffen über Generationen hinweg, in unserer Gesellschafts-Einkommenspypramide unbeirrbar ihren steilen Weg nach oben wandern."

Weitere Berichte:

Bild: Ackern, Flickr.com

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