Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage sehen jedenfalls sieben von zehn Bundesbürgern in einem umfangreichen Angebot nachhaltig erzeugter Lebensmittel einen besonders wichtigen Beitrag von Lebensmittelindustrie und Lebensmittelhandel, sich um Nachhaltigkeit zu kümmern. Befragt haben die Meinungsforscher 1.010 Bundesbürgern ab 18 Jahren. Auftraggeber war die Lebensmittelmesse Anuga, die größte Lebensmittelfachmesse der Welt, die noch bis zum 14. Oktober in Köln stattfindet. Gefragt nach Ihrer Meinung, wer sich in erster Linie um Nachhaltigkeit kümmern sollte, sehen 35 Prozent der Deutschen die Wirtschaft in der Pflicht. 28 Prozent halten die Politik für verantwortlich und 27 Prozent meinen, dass vorrangig die Bürger selbst dafür Sorge tragen sollten, dass mit den natürlichen Ressourcen schonend umgegangen wird. Tatsächlich glauben sogar drei Prozent der Bundesbürger, dass Umwelt- und Verbraucherschutzverbände in erster Linie dafür verantwortlich sind.
Die Industrie begrüßt die Forderung nach Verantwortung: "Ich kann Ihnen versichern: Die deutschen Lebensmittelhersteller sind sich ihrer Verantwortung bewusst, Nachhaltigkeit ist in vielen Unternehmen bereits gelebte Praxis. Sie stellen sich der Herausforderung, die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung auf eine Weise zu sichern, die für die Umwelt und die Menschen tragfähig ist", so Dr. Wolfgang Ingold, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE).
Und Friedhelm Dornseifer, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) erklärt: "Die Ergebnisse zeigen, dass die Entscheidung der Handelsunternehmen richtig ist, die Sortimente nachhaltig erzeugter Lebensmittel ausbauen. Jetzt kommt es darauf an, unsere Kunden weiterhin auf diesem Weg mitzunehmen, die Ernsthaftigkeit unseres Engagement zu vermitteln und das Interesse für nachhaltige Lebensmittel weiter zu steigern."
Dass Nachhaltigkeit nach wie vor ein schwer zu fassendes Thema ist, zeigt der Befund auf die offene Frage, was die Menschen damit eigentlich verbinden. Jeder dritte Bundesbürger versteht unter Nachhaltigkeit Umwelt- und Klimaschutz beziehungsweise Umweltfreundlichkeit. Ebenfalls ein Drittel setzt damit das Thema Ressourcen-Nutzung beziehungsweise den Umgang mit Ressourcen gleich. Darüber hinaus verbinden die Deutschen eine Reihe weiterer Begriffe mit Nachhaltigkeit. Für 15 Prozent bedeutet dieses Prinzip Wiederverwertung, Recycling beziehungsweise Müllvermeidung. 13 Prozent verknüpfen damit gedanklich erneuerbare beziehungsweise alternative Energien und 12 Prozent der Deutschen verstehen unter Nachhaltigkeit generationenübergreifendes, zukunftsfähiges Wirtschaften.
Unabhängig von den Ankündigungen von Industrie und Handel und von den Forderungen der Verbraucher: Die Wirklichkeit in Sachen nachhaltiger Lebensmittelkonsum und -produktion sieht dagegen im Vergleich zur konventionellen Ernährung immer noch dürftig aus. Der Anteil biologisch erzeugter Lebensmittel am Gesamtumsatz im Lebensmittelmarkt liegt in Deutschland bei wenigen Prozent, gerade mal 3,9 Prozent waren es 2012. Länder wie Österreich sind da mit mehr als dem Doppelten wesentlich weiter.
2014 arbeiteten laut einem Bericht des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) knapp 24000 Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland ökologisch, das sind nur 8,4 Prozent aller bäuerlichen Betriebe. Die bewirtschaftete Fläche betrug 6,5 Prozent (2014), mit nur noch einem jährlichen Anstieg von 2,7 Prozent. Zwar gaben die Deutschen 2014 4,8 Prozent mehr für Bio-Lebensmittel aus, gegenüber den Vorjahren ist das Wachstum aber deutlich geringer.
Weil nachhaltige Lebensmittel, die sozial, ökologisch und fair produziert und gehandelt werden auch ihren Preis haben, muss die Kundin mit einem Kostenaufwand von 2800 Euro pro Jahr und Person rechnen, wenn sie nach den Bio-Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) einkauft. Das sind 443 Euro mehr als bei empfohlener konventioneller Ernährung, also knapp 20 Prozent. Wobei die DGE empfiehlt, weniger Fleisch und mehr Obst und Gemüse zu essen. Der Durchschnittsdeutsche isst fleisch- und wurtslastig, so dass er bei einer Umstellung auf die empfohlene nachhaltige Ernährung nur 81 Euro jährlich mehr bezahlen müsste. Behält er seinen fleischlastigen Ernährungsstil auch auf der Bio-Seite bei, muss er dagegen mit 867 Euro mehr rechnen als beim Kauf konventioneller Produkte, also mit rund 30 Prozent höheren Kosten.
Quellen: Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVLH), Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW)