Die Verlängerung der Lebensdauer von Geräten ist ein effektiver Hebel für den Klimaschutz, das zeigen alle Analysen über den wachsenden Ressourcenverbrauch der Menschheit. Dabei ist die Einsparung von Ressourcen essenziell für die Sicherung bzw. den Aufbau von ökologischer und sozialer Gerechtigkeit.
Grundsätzlich gilt: Was lange genutzt und wieder repariert werden kann, verbraucht weniger Material und Energie, als seine Neuproduktion inklusive Rohstoffextraktion und -verarbeitung sowie eventuelles Materialrecycling.
Es sei denn, Geräte oder Gebäude sind derart ressourcenintensiv in der Nutzung – also meist durch fossilen Energieeinsatz –, dass anders gestaltete Modelle den Ressourcenaufwand der Neuproduktion rechtfertigen. Das ist bei Wind- und Solarkraftwerken der Fall, die statt emissionsintensiver Braunkohlekraftwerke Strom erzeugen. Ebenso gilt es für Elektroautos gegenüber Verbrennerfahrzeugen, wenn sich der Ressourcenaufwand für die Batterieproduktion begrenzen lässt. Oder bei der LED-Lampe vs. Glühdrahtbirne.
In den meisten Fällen ist jedoch die Gerätenutzung so wenig ressourcenintensiv, dass bei einem Ausfall statt Reparatur und Weiternutzung die Ressourcenbilanz für die Neubeschaffung negativ ist.
Reparaturen für den Ressourcenschutz
Eine Kultur der Reparatur ist daher eines der wirksamsten Mittel, um eine absatzorientierte, ressourcenintensive Wirtschaft in eine ressourcenleichte serviceorientierte zu wandeln. Selbst im B2B-Bereich ist das Remanufacturing, das Retrofitting ("Wieder-fit-machen") von ausgemusterten bzw. reparaturbedürftigen Teilen inzwischen angekommen – die Reparatur ist günstiger als die erneute Rohstoffbeschaffung, die Geräte sind häufig technisch besser als die Originale. Hinzu kommen die Vorteile größerer Unabhängigkeit von Schwierigkeiten in der Lieferkette und dem Nachweis unkritischer Zustände der Kette, wie durch Lieferkettengesetze gefordert.
Reparatur ist Ressourcenschutz – das lässt sich durchaus sagen. Die Lebensdauer von Consumer-Endprodukten zu verlängern, führt zudem auch zu einem stärkeren Bewusstsein für die Bedeutung von Materialien und Funktionen, ist ein Beitrag zur Selbstermächtigung und Nutzer*innenautonomie.
Wie das geht, zeigen z. B. Repair-Cafés, Maker-Faires oder DIY-Initiativen – oder Länder, in denen der Staat bei den Reparaturkosten hilft oder reparaturfreundliche Produkte vergünstigt.
In Deutschland ist von einer staatlichen Stützung von Reparaturen nur wenig zu sehen. Lediglich ein paar Städte übernehmen einen Teil der Reparaturkosten auf freiwilliger Basis. Dabei ist das Recht auf Reparatur sogar im Koalitionsvertrag von 2021 angekündigt. Am 22. März soll nun aber endlich auch der immer wieder verschobene Vorschlag der EU-Kommission kommen, heißt es.
Mehrheit würde gern reparieren
Dass die Menschen in Deutschland gern ihre Geräte eher reparieren und damit länger verwenden würden, zeigt nun erneut eine Umfrage von Civey im Auftrag des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) anlässlich des Weltverbraucher*innentages 2023.
Jährlich wird dieser am 15. März begangen, ursprünglich eine Erfindung des US-Präsidenten John F. Kennedy für besseren Verbraucherschutz 1962. Seit 2006 stellt die Non-Profit-Organisation Consumers International (CI) in London diesen Tag unter ein globales Leitmotiv, wie z. B. Gerechtigkeit, Wandel, Nachhaltigkeit ...
Empowering Consumers Through Clean Energy Transitions, zu deutsch vielleicht "Ermächtigung von Verbraucher*innnen durch Übergänge zu umweltfreundlichen Energien", ist das Motto des diesjährigen World Consumer Rights Day, der von über 200 Mitgliedsorganisationen in 100 Ländern begangen wird.
Im Vorfeld ließ der BUND jedenfalls Verbraucher*innen in Deutschland befragen, was sie zur Reparatur von Alltagsgeräten wie Kühlschrank, Computer, Handy und Co. motivieren würde.
Demzufolge geben 62 Prozent der Befragten in der repräsentativen Civey-Umfrage an, dass sie mehr reparieren lassen würden, wenn es einen nationalen Reparaturbonus gäbe.
Dabei bejahen dies 70,3 Prozent der Menschen im Osten im Vergleich zu 59,9 Prozent im Westen. Die Mehrheit der Deutschen ließe sich also durchaus für eine stärkere Kultur der Reparatur vs. Neuerwerb gewinnen. Ein Reparaturbonus könnte auch zu eher zirkulären Geschäftsmodellen führen, wie sie für eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft wichtig wären.
Unreparierbar darf kein Geschäftsmodell sein
So fallen in Deutschland jeden Tag ca. 4500 Tonnen Elektroschrott an, weil viele Geräte sich nur schwer oder gar nicht reparieren lassen. Das ist nicht für Verbraucher*innen ärgerlich. "Ressourcen, deren Förderung mit erheblichen Eingriffen in die Natur einhergehen, werden verschwendet", schreibt auch der BUND. "Durch die Neuproduktion entstehen Emissionen, die das Klima weiter anheizen."
"Geräte so herzustellen, dass sie quasi unreparierbar sind, darf in Zeiten von Klima- und Ressourcenkrise kein Geschäftsmodell mehr sein. Wir brauchen in der EU und in Deutschland ein Recht auf Reparatur", sagt Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin. "Für diese Entscheidung hätte die Politik die Menschen auf ihrer Seite. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland würde reparieren statt neu zu kaufen."
Die hohen Reparaturkosten im Vergleich zum Neukauf eines Gerätes hindern allerdings laut Umfrage bisher 65 Prozent der Verbraucher*innen daran, das alte Gerät in Stand zu setzen.
Um weniger Müll zu produzieren und Ressourcen zu schonen, fordert der BUND die Bundesregierung deshalb auf, kurzfristig einen Reparaturbonus als staatlichen Zuschuss einzuführen. Von Broock: "Die massenhafte Produktion immer neuer Elektrogeräte verschlingt Unmengen Ressourcen. Der Verlust von Arten und Lebensräumen sowie die Klimakrise lassen sich aber nur aufhalten, wenn wir radikal weniger Ressourcen verbrauchen. Deshalb müssen das Gebot der Stunde und das Motto für die Zukunft sein: Reparieren statt neu kaufen. Wir brauchen jetzt einen nationalen Reparaturbonus."
Lokale Reparaturbonusprogramme gibt es bereits in Thüringen und Leipzig. In Österreich gilt der Bonus bundesweit. Mit der dortigen Förderung können sich Verbraucher*innen einen Teil der Reparaturkosten erstatten lassen. "Gerade in Zeiten der Krise ist ein Reparaturbonus gut für die Umwelt, für den Geldbeutel und stärkt die lokale Reparaturwirtschaft", erklärt die BUND-Vertreterin weiter.
Neben finanziellen Hürden, sehen die Befragten weitere Probleme bei der Reparatur. 38 Prozent führten an, dass die Geräte technisch nicht reparierbar seien und 34 Prozent, dass sie nicht wüssten, wo eine Reparatur möglich sei. Ein Viertel beklagte das Fehlen von Ersatzteilen.
Aus Sicht des BUND müssen Produkte reparaturfreundlich hergestellt werden, Ersatzteile und Software lange und günstig zur Verfügung stehen. Reparieren und Wiederverwenden muss attraktiver werden als ein Neukauf. Bis es soweit ist, ist die finanzielle Subvention für Reparaturen eine wichtige Überbrückungsmaßnahme.
Verbindliches Recht auf Reparatur
"Unabhängig vom Reparaturbonus muss die Bundesregierung daher ein herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur und weitere Maßnahmen wie Steuersenkungen auf Reparaturdienstleistungen umsetzen", so die BUND-Geschäftsführerin abschließend. "Jede neue produzierte Ware muss verpflichtend reparierbar sein."
Für die Umsetzung des Reparaturbonus kann sich die Bundesregierung an Österreich orientieren. Hier bekommen Verbraucher*innen seit April 2022 bis zu 200 Euro pro Reparatur unkompliziert bezuschusst. Die Verbraucher*innen lösen bei der Reparatur einfach einen Gutschein ein und der Staat übernimmt die Hälfte der Kosten. Die Betriebe bekommen die Kosten in einer monatlichen Abrechnung rückerstattet. Auf diesem unkomplizierten Weg wurden alleine in den ersten drei Monaten nach Einführung des Bonus über 100.000 Reparaturen ausgeführt.
Auch andere Länder gehen bei dem Thema mit gutem Beispiel voran. In Frankreich gibt es beispielsweise einen Reparaturindex. Damit können Verbraucher*innen beim Produkt auf einen Blick erkennen, wie gut ein Elektrogerät reparierbar ist und, ob es genug und bezahlbare Ersatzteile gibt. Schweden hat wiederum die Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen von 19 auf sieben Prozent gesenkt.
Damit Kund*innen gleich beim Kauf bessere Orientierung bekommen, setzt sich der BUND dafür ein, dass ein schadstofffreies, langlebiges und reparierbares Produktdesign über eine EU-Ökodesignrichtlinie zum verpflichtenden Standard wird.
Diesen Weg will auch die EU-Kommission mit der gehen, allerdings nur in sehr großen Schritten. Bis zirkuläres Ökodesign für Produzenten und Handel zur Pflicht wird und zirkuläre Geschäftsmodelle üblich sind, dürfte es noch ein wenig dauern.
Insofern ließe sich mit mit einem Recht auf Reparatur für alle Neugeräte und einem Reparaturkostenbonus bereits eine Einsicht in den notwendigen Wandel erreichen: Unternehmen und Handel könnten sich gegenüber ihren Kund*innen mit entsprechenden Angeboten profilieren. Die Ressourceneinsparungen könnten sie für die Neutralisierung ihrer Klimabilanz verwenden – wiederum attraktiv für Markt und Investor*innen. Und ohnehin Pflicht zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045.
Mehr zur Kultur der Reparatur im factory-Magazin Circular Economy. Zum Wandel der Geschäftsmodelle empfehlen wir ein Interview mit Prof. Alexandra Palzkill im factory-Magazin Vielfalt. Und wer noch einmal nachlesen will, ob man es besser selber macht oder lieber machen lässt, wird im factory-Magazin Selbermachen fündig. Wer glaubt, das wäre alles utopisch, könnte noch mal bei den Inseln gegen den Strom im factory-Magazin Utopien nachschauen.